Versicherungsbote: Die Nachrichten über Schadenfälle bei Hochwasser und andere Naturkatastrophen häufen sich gerade wieder. Seitens der Versicherer heißt es, man hätte sich ja mit einer Elementar-Police versichern können. Wo sind aber die Fußangeln bei den Versicherungen, die beispielsweise Wasserschäden abdecken sollen – Auf welche Punkte sollte der Versicherungsmakler seine Kunden hinweisen?

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Jürgen Tertnick: Die umfassende Beratung ist gerade bei einem so existenzbedrohenden Risiko wie der Absicherung des Eigenheims sehr wichtig und entscheidend. Dem Makler stehen heutzutage zwar durch das umfangreiche Angebot an Versicherungsvergleichsrechnern mehr Möglichkeiten der Produktauswahl für seine Beratung zur Verfügung. Diese große Auswahl an Produkten birgt jedoch aber auch ihre Gefahren, denn diese lauern allzu oft im Kleingedruckten! Feinheiten und Unterschiede in den Bedingungen sind nicht immer von den Vergleichsrechnern vollumfänglich darzustellen, bzw. sind nicht immer abschließend erklärend. Hier kommt der persönlichen und qualifizierten Beratung des Maklers eine sehr große Bedeutung zu. „Grobe Fahrlässigkeit“ und „Obliegenheiten“ sind hierfür ein sehr gutes Beispiel und ein zu erklärendes Thema.

Ferner ist der moderne Makler auch dazu angehalten über Risikominimierungsmaßnahmen und Prävention mit dem Kunden zu sprechen. Es geht also - neben dem Abschluss einer Versicherung - auch darum, gemeinsam mit dem Kunden vorbeugende Maßnahmen zu erarbeiten.

Wie und wo können Versicherungsnehmer animiert werden Schäden selbst zu minimieren?

Jürgen Tertnick, Senior Produkt Manager der Janitos Versicherung AG.(c) Senior Produkt-Manager Jürgen TertnickDurch Öffentlichkeitsarbeit und ständige Wiederholung des Themas „Naturgefahren“!

Die Politik, der Verbraucherschutz und die Versicherungswirtschaft arbeiten hier seit einigen Jahren schon sehr eng zusammen und appellieren gemeinsam an das Verantwortungsbewusstsein und die Eigenvorsorge der Menschen. Neben den Informationen auf der Webseite des GDV zu den Naturgefahren, haben in der Zwischenzeit auch über neun Bundesländer Informationskampagnen zum Thema gestartet.

Jedem Gebäudebesitzer sollte jedoch auch bewusst sein, dass er selbst Vorsorgemaßnahmen gegen Naturgefahren treffen kann. Mögliche Maßnahmen wären: Bauvorsorge zu betreiben durch Verwendung hochwasserverträglicher Baumaterialien sowie der Installation einer Rückstauklappe. Auch die finanzielle Absicherung zählt zur Vorsorge – entweder durch eine Versicherung oder durch eigene Rücklagen. Darüber hinaus sollte man vorbereitende Maßnahmen treffen, wie Schalbretter besorgen, Heizöltanks sichern und wasserfeste Sperrholzplatten sowie Silikon zum Abdichten gefährdeter Räume anschaffen.

Neben den oben bereits erwähnten Institutionen kommt hier auch dem Makler eine große und tragende Rolle zu.

Wann ist ein Tatbestand grob fahrlässig? Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Bei der grob fahrlässigen Herbeiführung denkt man spontan immer als Erstes an die Klassiker: das Bügeleisen, das einen Hausbrand entfacht oder die Badewanne, die überläuft und zum Nässeschaden führt. In beiden Beispielen könnte die über einen längeren Zeitraum vernachlässigte Aufsicht als grob fahrlässiges Verhalten angesehen werden, die maßgebend zum Versicherungsfall geführt hat.

Bei einer Überschwemmung stellt sich die grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens wohl etwas schwieriger dar. Ob ein offen gelassenes Kellerfenster mit anschließendem Volllaufen des Kellers ausreicht, um eine grobe Fahrlässigkeit zu begründen, ist fraglich. Daneben kann jedoch auch eine grob fahrlässige Verletzung einer Sicherheitsvorschrift oder Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Dies könnte zum Tragen kommen, wenn der Versicherungsnehmer vorhandene Rückstausicherungen nicht funktionsbereit oder etwa Abflussleitungen nicht frei hält.

Was sollte ein Vermittler seinen Kunden im Hinblick auf Elementarschutz raten - Elementarschutz extra buchen? Wann macht es Sinn?

Natürlich geht die Empfehlung ganz klar in die Richtung, dass der Abschluss einer Elementarschadenversicherung existenziell wichtig für Hausbesitzer ist. Der Vermittler muss hier beratend und aufklärend auftreten. Vielen Kunden ist das Risiko nicht bewusst und allzu oft wird bei der Elementarversicherung angenommen, dass diese nur eine Absicherung gegen Hochwasser sei und das eigene Haus sich nicht unmittelbar in Flussnähe befinde. Die hohen Schäden durch die Elementarereignisse Elvira, Friederike und Gisela im Jahr 2016 waren jedoch größtenteils auf Überschwemmung durch Starkregen zurückzuführen. Hierzu sei ebenfalls erwähnt, dass die Dörfer, die es bei diesen Ereignissen am häufigsten und am härtesten getroffen hatte, sich in der niedrigsten Risikoklasse befanden. Eine Absicherung gegen Elementargefahren wäre finanziell sicher in einem überschaubaren Rahmen geblieben.

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Abschließend sollten aber die Naturereignisse wie Erdrutsch, Erdsenkung, Erdbeben, Schneedruck und Lawinen nicht außer Acht gelassen werden. Auch diese Ereignisse kamen in der Vergangenheit in Deutschland durchaus vor und führten zu nicht unerheblichen Schäden.

...wo kann es passieren, dass man keinen Elementarschutz findet?

Versicherungsbote: In welchen Risikozonen kann es passieren, dass ich gar keinen Versicherer finde?

Jürgen Tertnick: Bedauerlicherweise hält sich in der Bevölkerung hartnäckig die Meinung, dass zahlreiche Häuser nur schwer oder gar nicht gegen Schäden durch Elementarereignisse versichert werden können. Von den 21,4 Millionen Gebäuden in Deutschland lassen sich jedoch 99,4 Prozent problemlos versichern. Für die restlichen 0,6 Prozent finden sich in der Regel durch Ortsbesichtigungen und eventuelle bauliche Präventionsmaßnahmen individuelle Lösungen.

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Tatsächlich sind in Deutschland allerdings lediglich rund 40 Prozent aller Gebäude gegen Elementargefahren versichert. Spitzenreiter ist mit 94 Prozent das Land Baden-Württemberg, welches sicher noch davon profitiert, dass es bis 1994 eine Pflichtversicherung gegen Elementargefahren gab. Schlusslicht bildet das Land Bremen mit nur 17 Prozent.

Wenn ich in der höchsten Risikozone für Hochwasserschäden wohne, dann sind die Konditionen oft sehr unattraktiv. Finden Sie das gerechtfertigt? Welche Argumente sprechen für eine höhere Prämie?

Dass die Konditionen unattraktiv und für zu hoch empfunden werden, hängt immer von der persönlichen Bewertung eines jeden Einzelnen ab. Tatsächlich kostet zum Beispiel eine Vollkasko-Deckung im Jahr für einen Mittelklassewagen deutlich mehr als eine Elementarschadenversicherung für ein Einfamilienhaus. Jetzt frage ich Sie, was ist existenzbedrohender für einen Bürger, die Beule im Auto oder der Verlust des Eigenheims, welches unter Umständen noch nicht einmal vollkommen abbezahlt ist? Wir reden hier über mehrere hunderttausend Euro, in manchen Fällen sogar über Millionen. Dafür sind manche nicht bereit, im Jahr einige hundert Euro aufzuwenden, um sich über dieses Risiko keine Gedanken mehr machen zu müssen?

Dass manche Risiken etwas teurer und manche etwas günstiger sind, liegt in der Natur der Tarifkalkulation - das ist in allen Versicherungssparten so. Zur Ermittlung und Kalkulation einer Prämie führen eine Vielzahl an Risiko-, bzw. Tarifierungsmerkmalen, durch die das Ausmaß erwarteter Schadenfälle so exakt wie möglich vorhergesagt werden kann.

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Die Fragen stellte Jenny Müller

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