Im konkreten Rechtsstreit klagte eine Frau, die selbst geprüfte Versicherungsfachfrau ist, gegen ihr früheres Maklerbüro. Die Frau hatte sich selbst eine Unfallversicherung vermittelt, die ebenfalls einen Schutz für ihren Mann beinhaltete. Als sie aus dem Büro ausschied, schloss sie mit ihrem früheren Arbeitgeber einen Maklervertrag ab. Die Maklerfirma sollte alle von ihr vermittelten Verträge weiter betreuen.

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Meldefrist nach Unfall versäumt

Im Jahr 2012 erlitt der Ehemann der Frau einen schweren Verkehrsunfall, der auch der Versicherung gemeldet wurde. Das ausgefüllte Unfallformular faxte das Maklerbüro an den Versicherer, ebenso die Entlassungsurkunde aus der Klinik.

Der Versicherer wies anschließend die Frau schriftlich darauf hin, dass ein Anspruch auf die Unfallsumme nur bestehe, wenn die Invalidität innerhalb von zwölf Monaten eintrete und innerhalb von 18 Monaten an den Versicherer gemeldet werde. Die Meldefrist aber versäumte die Versicherungsnehmerin. Daraufhin verweigerte auch der Versicherer seine Leistung in Höhe von knapp 37.850 Euro - sie habe eine wichtige Obliegenheit verletzt.

Die Frau verklagte nun ihr früheres Maklerbüro auf Schadenersatz. Im Rahmen des Maklervertrages hätte das Büro sie noch einmal extra darauf hinweisen müssen, dass die Invalidität ihres Mannes innerhalb von 18 Monaten festgestellt und an den Versicherer gemeldet werde, so argumentierte die Frau. Dabei erlitt sie in den beiden Vorinstanzen eine Niederlage. Schon weil sie selbst Versicherungsfachfrau sei und vom Versicherer schriftlich über die 18-Monats-Frist in Kenntnis gesetzt wurde, hätte sie selbst erkennen müssen, dass sie handeln muss, argumentierte unter anderem das Oberlandesgericht Oldenburg.

BGH hebt Urteil der Vorinstanzen auf

Der Bundesgerichtshof Karlsruhe hob jedoch das Urteil der Vorinstanzen auf und gab den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück. Dabei betonten die Richter, dass sich -anders als in der Vorinstanz entschieden- ein möglicher Schadensersatzanspruch nicht aus dem Versicherungsvertragsgesetz gemäß §§ 60 ff., 63 VVG ergebe, sondern aus einer allgemeinen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 280 Abs. 1 BGB). Grund sei, dass es im konkreten Rechtsschreit nicht um die Vertragsanbahnung gehe, sondern um die Abwicklung eines Schadens.

Im BGB heißt es: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“ Demnach kann auch der Versicherungsnehmer Schadensersatz vom Makler verlangen, wenn der Versicherungsmakler eine Pflicht aus dem Maklervertrag mit dem Versicherungsnehmer nicht erfüllt.

Das Maklerbüro hatte sich unter anderem mit dem Argument zu verteidigen versucht, dass die Frau ja eine Obliegenheit des Versicherers nicht beachtet hat. Sie hätte sich selbst informieren müssen, ob es eine entsprechende Meldefrist gebe. Der Bundesgerichtshof aber verwies auf den Zweck eines Maklervertrages. Der Versicherungsnehmer „bedient sich gerade des Versicherungsmaklers als sachkundigen Fachmanns, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen“, begründen die Richter, dass hier ein Schadensersatzanspruch gegen den Makler vorliegen könnte. Demnach habe eine Verletzung der Obliegenheitspflichten kein Mitverschulden des Versicherten gegenüber dem Makler zur Folge, da die Obliegenheit allein das Verhältnis zwischen Versicherer und Kunde betreffe, aber nicht das Verhältnis zwischen Makler und Kunde.

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Laut Bundesgerichtshof kann von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs erwartet werden, wenn der Kunde eine Invalidität nicht meldet und damit die Versicherungsleistung aufs Spiel setzt. Sei für den Makler erkennbar, dass wegen der versäumten Frist der Kunde seine Ansprüche wegen Invalidität zu verlieren droht, spreche dies auch für die Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers im Rahmen der Maklerpflichten. Mit anderen Worten: der Makler muss handeln und noch einmal darüber aufklären, dass der Kunde leer ausgehen könnte, wenn er nicht tätig wird.

Frage nach Mitverschulden

In der Urteilsbegründung ging es auch um die Frage, ob ein Mitverschulden der Frau vorliegen könne, wenn sie selbst hätte wissen müssen, dass sie die Invalidität rechtzeitig melden muss. Das verneinten die Richter zunächst. Liegt ein Maklervertrag vor, könne der zu beratenden Person nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, "sie hätte das, worüber sie ihr Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen ohne fremde Hilfe selbst erkennen können", heißt es hierzu im Urteilstext mit Bezug auf frühere BGH-Urteile.

Selbst wenn eine zu beratende Person über einschlägige Kenntnisse verfügt wie in diesem Fall die Maklerin, müsse sie darauf vertrauen können, dass der von ihr beauftragte Berater die anstehenden Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig sei, so führten die Richter weiter aus. "Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe", heißt es weiter im Urteilstext.

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In zwei Fällen ist aber ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers denkbar, argumentierte der Bundesgerichtshof. Zum einen, "wenn der Mandant Warnungen oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des vom Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet oder den Berater nicht über eine fundierte abweichende Auskunft unterrichtet, die er von einer sachkundigen Person erhalten hat".

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