Im Schadensfall zeigen die Versicherer kein Mitgefühl – diesen Vorwurf erhebt Journalistin Anne Kunz in einem Artikel für „Welt Online“. Anlass ist eine Forsa-Umfrage unter 1.000 Versicherungskunden, die dem Nachrichtenmagazin exklusiv vorliegt. In Auftrag gegeben hat die Umfrage die Unternehmensberatung Horvath.

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80 Prozent klagen, der Versicherer frage nach Schaden nur nüchterne Daten ab

Die Studie zeigt, dass Versicherer kaum mit Empathie reagieren, wenn sie ihre Kunden nach einem Schadensfall ansprechen. So zumindest die Einschätzung der befragten Verbraucher. 80 Prozent gaben demnach an, dass sie im Schadensfall von ihrem Versicherer nicht nach ihrem persönlichen Befinden befragt wurden. Stattdessen habe die Gesellschaft nur harte Fakten abgefragt: etwa Fotos oder Details zum Unfallhergang.

Dass die Versicherer damit gegen das Kundeninteresse handeln, zeigt ein anderes Ergebnis der Umfrage. Fast alle Kunden hätten sich nach einem Schaden, etwa einem Unfall, mehr Empathie auch von ihrer Versicherungsgesellschaft gewünscht. Und jene, die tatsächlich nach ihrer aktuellen psychischen Situation befragt wurden, hätten dies als sehr positiv empfunden.

Persönlicher Kontakt auch bei Erstberatung bevorzugt

Der Wunsch nach mehr Empathie führt auch dazu, dass der Trend zu digital kritisch gesehen wird – wenn also die Verbraucher nicht einen persönlichen Ansprechpartner vorfinden, sondern mit automatisierten Kundenbetreuern via Chatbots oder telefonischen Hotlines kommunizieren. 70 Prozent der Befragten wünschen sich bei der Erstberatung zu Versicherungen eine persönliche Begegnung statt elektronischen Kontakt.

Dieses Umfrageergebnis deckt sich mit der Vertriebswege-Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Demnach sind die Anteile des Direktvertriebes, dem auch Vergleichsportale wie Check24 zugerechnet werden, am Neugeschäft der Versicherer gering. Am größten sind demnach die Marktanteile in der Sparte "Schaden- und Unfallversicherung", wo man knapp 14 Prozent des gesamten Neugeschäfts auf sich vereint. In der beratungsintensiven Lebens- und Biometriesparte erzielt der Onlinevertrieb hingegen nur 2,3 Prozent Marktanteil (Zahlen für 2016). Die meisten Policen schließen Verbraucher hingegen im persönlichen Kontakt mit einem Versicherungsvertreter oder -makler ab (der Versicherungsbote berichtete).

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Die Versicherungsbranche reagiert nur langsam auf den Wunsch des Kunden zu mehr Mitgefühl. Zwei Beispiele: So bieten mittlerweile mehrere Hausrat-Versicherer nach einem Einbruch auch Leistungen zur psychologischen Unterstützung an, weil das Eindringen Fremder in die eigene Wohnung mit seelischem Leid wie einem anhaltenden Unsicherheitsgefühl einhergeht. Und in Rechtsschutz-Policen gehört es mittlerweile zum Standard, dass Versicherer eine Mediation bezahlen – dann vermittelt ein Streitschlichter zwischen den Parteien, wenn der Kunde das wünscht. Mediation kann dazu beitragen, dass bei einem Rechtsstreit beide Parteien einen Kompromiss finden und ihr Gesicht wahren können - auch menschlich ein Vorteil.

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