„Neulandreport 2017“ - schon der Name der regelmäßig durchgeführten Social-Media-Studien aus dem Hause „As im Ärmel“ ist eine kleine Provokation. Zur Erinnerung: „Das Internet ist für uns alle Neuland“, so sagte Angela Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Barack Obama im Jahr 2013. Und handelte sich im Netz viel Spott ein. „Wo liegt eigentlich Neuland – hinter dem Mond?“, fragte zum Beispiel ein Twitterer. Ein anderer schrieb, die CDU müsse nun wohl eingestehen, dass Gaslampen der Glühlampe unterlegen seien. Der Vorwurf: Merkel habe die Entwicklung verschlafen, sei naiv, habe einfach keine Ahnung vom Netz. Quasi das Gegenteil eines „Digital Native“.

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Versicherer bei Facebook wenig sichtbar

Dass die Naturwissenschaftlerin Merkel mit „Neuland“ vielleicht doch nicht Unrecht hatte, zeigen viele Vorfälle der letzten Jahre: von Fake-News, die die US-Wahl beeinflusst haben könnten über Bot-Attacken wie Mirai, die selbst technikaffine Firmen wie Telekom, Twitter und Amazon außer Gefecht setzten. Das Netz bietet ungeahnte Chancen – und öffnet Abgründe. Auch die Versicherer haben Probleme, sich der wandelnden Kultur im Internet zu stellen. Nicht nur neue Wettbewerber wie Fin- und Insurtechs machen den etablierten Firmen zu schaffen – auch die Online-Kommunikation der deutschen Versicherer zeigt tatsächlich Nachholbedarf, wie die aktuellen Zahlen zeigen.

Im Schnitt weniger als 27.000 Fans – Zurich ist bei Facebook vorn

Datengrundlage für den „Neulandreport 07/2017“ von „As im Ärmel“ war die Auswertung von 106 Fanseiten deutscher Versicherer und Krankenkassen bei Facebook. Im Schnitt liegt die derzeitige Fanzahl pro Versicherer bei 26.986 Fans. Eine ausbaufähige Zahl, wenn man bedenkt, dass rund 30 Millionen Bundesbürger aktuell Facebook nutzen und weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen.

Selbst die erfolgreichsten Versicherer sind hierzulande von ihrer ersten Million erarbeiteter Fans noch weit entfernt. Facebook-Queen mit der größten Reichweite im deutschsprachigen Raum war Stand 1. Juli 2017 die Zurich mit 468.108 Fans – der Kanal wendete sich aber an Kunden sowohl in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auf Rang Zwei landet die Allianz Deutschland mit 352.724 Fans. Den dritten und vierten Platz der reichweitenstärksten Versicherer belegen zwei Krankenkassen: Die Techniker (TK) schafft es mit 237.081 Fans noch aufs Podium, den undankbaren vierten Platz belegt die Barmer mit 172.480 Fans.

Vergleichsweise langsame Reaktionszeit

Dass die Versicherer vergleichsweise wenige Facebook-Fans haben, hat laut „As im Ärmel“ auch damit zu tun, dass sie die Erwartungshaltung der Nutzer nicht erfüllen. Laut einer früheren YouGov-Studie aus dem Jahr 2015 erwartet jeder dritte Facebook-Nutzer (33 Prozent) bei Anfragen eine Reaktion innerhalb von einer Stunde. Aber von den untersuchten Fanseiten reagiert nur etwas mehr als die Hälfte der Versicherer überhaupt auf alle Kundenanfragen bzw. - immerhin – 70 Prozent auf mindestens 90 Prozent der Nachrichten. Unbeantwortete Anfragen führen bei Kunden oft zu Frust und Verstimmung. Und: Kunden können erkennen, ob eine Facebook-Seite schnell auf Anfragen reagiert. Hierfür gibt es den „Hohe Reaktionsfreudigkeit bei Nachrichten“-Banner.

Ein weiteres Problem: Nur 49 der 160 Fanseiten von Versicherern und Krankenkassen haben die Bewertungsfunktion auf Facebook aktiviert. Hier lässt sich sogar ein Rückwertstrend erkennen: Bei der Studie 2013 waren es noch 52 Versicherer. Das könnten Facebook-Nutzer derart interpretieren, dass die Assekuranzen nicht an Transparenz und Kritik interessiert sind. Dabei ist die Sorge, dass Versicherer überwiegend negative Bewertungen erhalten, unbegründet, wie bereits eine frühere „As im Ärmel“-Studie aus dem Jahr 2014 zeigte. „Rund drei Viertel aller Bewertungen von Versicherern und ihrer Angebote sind positiv, das heißt sie bekommen drei Sterne von fünf möglichen oder mehr“, erklärte Geschäftsführer MarKo Petersohn.

Emotionale Posts haben eine höhere Reichweite

Die aktuelle Studie bietet auch Einblicke, auf welche Themen bei Versicherungs-Seiten die Verbraucher am meisten reagiert haben. Grundsätzlich gilt: Emotional besetzte Themen scheinen die Verbraucher eher anzusprechen. Zwar wird das gute alte Like immer noch 20mal mehr verwendet als neue Emoticons wie etwa ein Herz oder lachendes Gesicht. Aber: Emotionale Posts mit vielen Emoticons haben eine zwei- bis dreimal höhere Reichweite als Beiträge, die fast ausschließlich nur Likes bekamen. „Show some emotion!“, heißt es folglich im Präsentationstext zur Studie.

Gegen Cat-Content kommt keiner an: Das wohl erfolgreichste Facebook-Posting eines Versicherers in den letzten Monaten.

Erfolgreicher Facebook-Post der HUK-Coburg: Wo Menschen im Sommer am meisten schwitzen. Und: Gerade witzige Beiträge sowie überraschend präsentierte Service-News haben oft die Nase vorn. Die HUK-Coburg, mit 157.554 Fans im Juli 2017 der Kanal mit der fünftgrößten Reichweite, punktet zum Beispiel mit sogenannten Fan-Facts oder Unfacts: Zum Beispiel, dass Menschen im Sommer eher in öffentlichen Verkehrsmitteln schwitzen als beim Sport (siehe Beispiel).

Das Posting mit der wohl größten Reichweite auf Versicherungsseiten war aber ausgerechnet der berühmt-berüchtigte Cat-Content. Die Allianz Deutschland postete im April ein Video zur Körpersprache von Katzen: „Miauen, starren oder Buckel machen – was macht Deine Katze am meisten? Wir helfen Dir bei der Übersetzung: http://bit.ly/katzensprache“. Der Beitrag steht mittlerweile bei 304.493 Aufrufen und hat mehr als 250 Kommentare.

Allianz Türkiye hat mehr Facebook-Fans als Allianz Deutschland

Weniger erörtert wurden in der aktuellen Studie kulturelle Gründe, weshalb es Versicherer hierzulande mit ihren Social Media-Angeboten schwer haben, etwa das eher negative Image und die fehlende Identifikation mit den Anbietern als Dienstleister. Das zeigt der Blick auf den englischsprachigen Facebook-Kanal der Allianz: Dieser hat aktuell knapp 1.155.600 Fans.

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In anderen Staaten sind Versicherer weit wirkungsmächtiger auf Social Media vertreten. Zwei Beispiele: Der indische Anbieter LIC India hat fast 6,7 Millionen Fans bei Facebook. Der US-amerikanische Versicherer Liberty Mutual bringt es aktuell auf knapp 2,1 Millionen Fans. Und die Türkische Allianz-Tochter Allianz Türkiye sticht ihre deutsche Mutter bei Facebook aus: Sie kann aktuell knapp 520.000 Fans vorzeigen.

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