Die japanische Versicherungsfirma Fukoko Mutual Life Insurance hat seit dem 1. Januar ihren neuen Mitarbeiter. Es ist ein Mitarbeiter, der weder Pausen braucht noch Gehaltserhöhungen fordert. Und der dennoch ganz schön was drauf hat: er kann medizinische Gutachten lesen. Er kann überprüfen, ob Zahlungen für Krankenhaus-Aufenthalte notwendig sind. Er kann angeblich sogar Krankenakten interpretieren. Er kann Versicherungsverträge auf Klauseln überprüfen. Ein Sachbearbeiter aus Silikon:

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Dein ganzes Leben für'n Betrieb mitgedacht.
Deinen Job macht jetzt ein Stück Silikon.
Wen juckt das schon?
Wen juckt das schon?

Monopoli, Monopoli,
wir sind nur die Randfiguren
in einem schlechten Spiel.


(Ausschnitt aus Klaus Lages Liedtext „Monopoly“, 1985)

Der Name des neuen Mitarbeiters ist Al (für Artificial Intelligence, zu deutsch: Künstliche Intelligenz, kurz KI). Für den bisherigen Innendienst ist Al ein echtes Problem, ein Eindringling und Störenfried. Denn weil Al angeblich so viel kann, müssen viele Mitarbeiter bei Fukoka Mutual nun ihren Schreibtisch räumen. 34 von 131 Innendienstlern verlieren ihren Job, so berichtet die englischsprachige Tageszeitung „The Mainichi“ aus Tokio. Und Al ist auch kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Computerprogramm samt hyperschnell arbeitender Hardware, basierend auf dem „IBM Watson Explorer“.

Watson soll Produktivität um 30 Prozent steigern

Das Beispiel der japanischen Fukoko Mutual zeigt, worauf sich auch deutsche Versicherungs-Mitarbeiter einstellen müssen, wenn Digitalisierung in Form „künstlicher“ Intelligenz in den Unternehmen konsequent eingesetzt wird. Der Versicherer hat einen Bestand von rund 3,8 Millionen Kranken- und Lebensversicherungen und zählt damit zu den mittelgroßen Anbietern in Japan.

Die Kooperation mit einen großen Technik-Konzern ermöglicht es dem Versicherer nun, mehr als jede vierte Stelle im Innendienst zu streichen. Damit spart die Versicherung umgerechnet eine Million Euro an Gehaltszahlungen pro Jahr ein und will ihre Produktivität zusätzlich um 30 Prozent erhöhen.

Ob die künstliche Intelligenz tatsächlich so leistungsfähig ist, jeden vierten Innendienst-Mitarbeiter fehlerfrei zu ersetzen, das lässt sich aus dem Zeitungsbericht allein nicht ableiten. Doch glaubt man dem PR-Sprech von Watson-Erfinder IBM, dann hat das System tatsächlich einiges zu bieten: die Software könne „denken wie ein Mensch“, heißt es vollmundig, und „alle Daten analysieren und interpretieren, inklusive ungeordneten Texten, Fotos, Videos und Hörproben“.

Sogar Forderungen einzelner Kunden soll das System analysieren können, etwa ob bestimmte Vertragsklauseln dessen Ansprüche verwirken oder reduzieren. So sollen überflüssige Zahlungen vermieden werden. Und wohl auch überflüssige Jobs. Die Entscheidungen über Auszahlungen und Leistungsbewilligungen treffen aktuell jedoch noch „echte“ Mitarbeiter, um das System zu überwachen.

Möglich wird die Digitalisierungs-Offensive, weil Watson etwas zugestanden wird, was als typisch menschliche Qualität gilt: Logarithmen sollen ihm das Lernen ermöglichen. Und IBM will weiter in die Branche investieren: drei weitere Versicherer in Japan testen den „Watson Explorer“ bereits.

Ehrgeizige Digitalisierungsprogramme auch in Deutschland

Auch in Deutschland investieren die Versicherer in die Digitalisierung. Große Gesellschaften wie die Ergo, Generali, Talanx oder der Branchenprimus Allianz haben ehrgeizige Programme angestoßen, um mittels Bits und Bytes Stellen einzusparen und Kosten zu senken.

Im Innendienst gilt bisher: die Datenmengen sind komplex und müssen anhand von Einzelfällen überprüft werden, so dass der Digitalisierung Grenzen gesetzt sind. Auch Haftungsfragen müssen geklärt werden, etwa wenn die Technik einen Leistungsfall falsch bewertet. Dennoch: das Analysehaus McKinsey prophezeit, dass in der Versicherungswirtschaft langfristig jede vierte Stelle wegfallen wird.

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Die größten Veränderungen stünden laut einer McKinsey-Studie im operativen Geschäft an. So könnte in der Verwaltung fast die Hälfte der Jobs ersetzt oder zusammengelegt werden. Auch in Abteilungen wie der Schadenabwicklung stünden knapp 30 Prozent der Jobs auf der Kippe. Von den Einsparungen betroffen seien insbesondere Bereiche mit einfachen und leicht vorhersagbaren Arbeitsabläufen.

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