In einer Minute zur Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU), ganz ohne Probleme? Dieses Versprechen des App-Maklers Knip klingt nicht nur für Verbraucher wie ein Traum, sondern auch für Vermittler. Wissen die doch, wie recherche- und zeitaufwendig es ist, für einen Kunden den passenden BU-Tarif zu finden: Vorerkrankungen müssen abgeklärt, die Krankenakte recherchiert werden. In der Regel ist sinnvoll, bei mehreren Versicherern gleichzeitig nach einem Angebot zu fragen, am besten anonym: das erhöht die Chancen, für den abschlusswilligen Kunden einen guten Tarif zu finden.

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Doch der Online-Makler Knip wirbt in Fernsehspots genau damit: er verspricht seinen Kunden, in nur einer Minute einen BU-Vertrag abschließen zu können. Ganz leicht im Internet, mit wenigen Klicks. Das ließ Versicherungsmakler Sven Hennig aus Bergen auf Rügen hellhörig werden. Und so hat sich Hennig bei Knip Schritt für Schritt durch die angebliche BU-Beratung geklickt und versucht, einen passenden Schutz zu berechnen. Seine Erlebnisse auf dieser neudeutsch als Customer Journey bezeichneten Reise durch die Knip-Welt ähnelt einer Kunden-Odyssee, mit Widersprüchen und Stolperfallen, die Hennig auf seinem Blog dokumentiert. Er nennt die 1-Minuten-BU einen „wahren Hohn“.

Widersprüche und Ungereimtheiten

Als Musterkunde wählte Hennig einen Informatiker mit einem Bruttoeinkommen von 3.200 Euro pro Monat, der sich bis zu seinem 67. Lebensjahr gegen BU absichern will. Schon nach Eingabe der Daten erhält er das erste Angebot: den Tarif Comfort der Axa Versicherung. Knip wirbt mit: „unsere Preis-/Leistung-Empfehlung passend zu deiner Lebenssituation“.

Hier bereits die erste Auffälligkeit. Der Knip-Rechner fragt die Nettorente ab (im Beispiel 2.000 Euro). Und so empfiehlt er, für einen Monatsbeitrag von 90,55 Euro eine monatliche Rente von 1.500 Euro abzusichern. Das ist eher zu niedrig angesetzt. Die Anbieter selbst empfehlen in der Regel, 65 Prozent des letzten Brutto-Einkommens abzusichern: die monatliche Rente müsste also mit rund 2.000 Euro (65 Prozent von 3.200 Euro brutto) versichert werden. Über das drohende Loch in der Kasse des Kunden wegen einer zu geringen BU-Rente informiert Knip nicht.

Will der Kunde seine Angaben konkretisieren, stößt er bei Knip auf Ungereimtheiten. Obwohl Hennig als Beruf „Informatiker“ angegeben hat, zeigt das Online-Formular des Fintechs als Status „kein Schulabschluss“ an. Also ändert der Makler seinen Beruf zu „Diplom-Informatiker“. Sofort verteuert sich der günstigste vorgeschlagene Tarif von 63 auf 68 Euro Monatsbeitrag. Die anderen Tarife bleiben im Preis gleich. Mit welcher Begründung? Der Kunde kann es nicht nachvollziehen.

Am Ende stimmt die vorgeschlagene Prämie nicht einmal mit jener überein, die die Axa selbst berechnet hätte. Hennig berichtet: Während Knip bei Axa einen Beitrag von über 90 Euro anbot, verlangte die Axa für das gleiche Angebot auf ihrer Webseite nur 76,53 Euro vom Kunden. Makler Hennig vermutete zunächst technische Ungereimtheiten bei der Datenübertragung zwischen Knip und der Axa. Aber auch eine vergleichende Rechnung bei der Allianz zeigte ähnliche Fehler. Knips Beitrag wich vom Angebot der Allianz ab. Hennigs Fazit: selbst ein Fachmann könne mit dem Onlinerechner von Knip nicht in einer Minute eine BU-Police kaufen.

Kommt Knip seinen Pflichten als Versicherungsmakler nach?

Nach der Eingabe weiterer Daten die nächste Enttäuschung. Und die Frage, ob Knip seinen Pflichten als Versicherungsmakler überhaupt im ausreichenden Umfang nachkommt. Wer versucht die Erstinformation einzusehen, erhält stattdessen beim Klick auf das entsprechende Feld eine „Information für Vertriebspartner“ mit einem Produktsteckbrief. Fragwürdige Formulierungen auch in der Beratungsdokumentation: „Der Versicherungsnehmer hat keine Beratung gewünscht, die über diese Berufsunfähigkeitsversicherung hinausgeht, auch nicht zu weiteren existenzwichtigen Versicherungen.“

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Die nächste Auffälligkeit: die Gesundheitsfragen in dem Formular bei Knip sind nicht identisch mit den Gesundheitsfragen im Antrag der AXA, so berichtet Hennig. Jeder Versicherungs-Fachmann weiß, welche Konsequenzen es hat, wenn Gesundheitsfragen falsch oder unvollständig beantwortet werden. „Durch die abweichenden Formulierungen entsteht die Gefahr einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“, kommentiert der Makler. Tritt eine Berufsunfähigkeit ein, kann der Versicherer -abhängig vom Einzelfall- die Leistung verweigern und vom Vertrag zurücktreten, wenn der Kunde fehlerhafte Angaben machte. Dann steht der Betroffene ohne jeden Schutz da.

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