Es ist der Spiele-Hit des Jahres: Die kostenlose Spiele-App "Pokémon Go" animiert die Nutzer, mit dem Smartphone durch die Gegend zu laufen und in der "echten Welt" virtuelle Monster einzufangen. Per Smartphone-Display verwandeln sich reale Orte, an denen sich etwa eine Kirche oder ein Springbrunnen befindet, in eine virtuelle Spiellandschaft. Die Technik basiert auf Google Maps, und wer möglichst viele der über 100 verschiedenen Pokémon einsammeln will, muss sich zu vielen verschiedenen Orten bewegen. So kombiniert Pokémon Go Spielspaß mit einer Art virtuellem Fitnessprogramm - in nur wenigen Tagen erreichte die App des früheren Google-StartUps Niantic ähnlich hohe Nutzerzahlen wie Twitter oder der Facebook Messenger.

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Doch das Spielprinzip birgt Risiken. Den aktuellen Ort des Spielers in der "realen Welt" stellt die App über GPS und Mobilfunkortung fest. Taucht ein Monster in der Umgebung auf, vibriert das Smartphone. Und dann haben die Nutzer nur eine gewisse Zeit, um zu der Position zu laufen und das Monster einzufangen. Da müssen schon einmal viel befahrene Schnellstraßen überquert oder Absperrbänder missachtet werden, damit man Pikachu oder Knuddeluff rechtzeitig erreicht und einfangen kann. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Unfallforscher!

S-Bahn-Tunnel und Zuggleise als möglicher Pokémon-Jagdbereich

Ein Abenteuer in der realen Welt - so wirbt die Pokemon Company für ihr Augumented Reality-Spiel. Manche riskieren sogar ihr Leben, um Pokemon wie hier Glumanda einzusammeln.Welche Gefahren bei der Jagd nach Pokémon drohen, zeigt ein Tweet auf dem Twitter-Account des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV). In Frankfurt am Main werden gerade Bauarbeiten an unterirdischen Bahnhöfen der S-Bahn durchgeführt, unter anderem die Lüftungsanlagen und Betonpfeiler erneuert. Die Bahnhöfe sind eine große Baustelle – und entsprechend gesperrt bis zum Ende der Sommerferien. Dennoch lassen sich auch in diesen abgesperrten Bereichen Pokémon einsammeln. Ein RMV-Mitarbeiter twitterte: "Man fasst es nicht! #PokemonGO überall, selbst in den dunklen Gängen des S-Bahn-Tunnels."

Ist also zu befürchten, dass sich Pokémon-Fans auf der Jagd nach seltenen Monstern auf die Baustellen begeben, schlimmstenfalls gar auf die Schienen des S-Bahn-Netzes? Es wäre eine Jagd, die allzu Wagemutige gar mit dem Leben bezahlen könnten. Der Verkehrsverbund jedenfalls sendete am Montag einen „kleinen Sicherheitshinweis“ an die Spieler: "Auch wenn es euch schwerfällt, doch für die Jagd ist und bleibt der #tunnelzu ;)"

Tätig musste auch das Akademische Medizinische Zentrum (AMC) in Amsterdam werden, nachdem sich dort mancher Pokémon-Jäger in die Krankenhausflure verirrt hatte. Laut einem Bericht von T-Online waren Spieler in die abgesperrten Bereiche der Klinik eingedrungen, etwa wo Notfallpatienten behandelt werden. Das Krankenhaus reagierte mit Humor. „Es gibt tatsächlich ein krankes Pokémon im AMC, aber wir sorgen gut für es. Bitte besucht es nicht!“, teilte die Klinik per Twitter mit.

Die niederländische Bahn-Aufsicht "Pro Rail" richtete sogar einen Appell an Nintendo, Änderungen an der Spiele-App vorzunehmen. Der Grund: Spieler waren unmerklich auf die Zuggleise geraten, weil sie dort kleine Monster vermuteten. "Ein Abenteuer in der realen Welt", wirbt der Hersteller für seine Monsterjagd - es ist im schlimmsten Fall ein Spiel mit dem Leben.

Erste Verkehrsunfälle wegen Pokémon Go

Dass es auch im Straßenverkehr keineswegs von Vorteil sein muss, apathisch auf der Suche nach Pokémon das Smartphone anzustarren, mussten schon mehrere Unfallopfer erfahren – auch wenn die Vorfälle bisher glimpflich ausgingen. So wurde in Pennsylvania eine 15jährige Schülerin vom Auto angefahren, wie CBS berichtet. Dies, weil sie völlig absorbiert auf ihr Handy starrte und ein entgegenkommendes Auto übersah, als sie ein Pokémon auf dem gegenüberliegenden Fußweg einsammeln wollte. Das Mädchen kam mit leichten Verletzungen davon.

Von einem Auffahrunfall wegen Pikachu und Co. berichtete die Polizei der A&M Universität in Texas per Twitter. Dort stellte ein Fahrer sein Auto einfach mitten auf der Straße ab - ebenfalls, um ein Pokémon einzusammeln. Ein anderes Auto fuhr hintendrauf. Auch hier wurde keine Person ernsthaft verletzt.

Sogar die Bundeswehr wurde schon damit konfrontiert, zu welchem Leichtsinn die Jünger Pikachus fähig sind. Wie die „Hannoversche Allgemeine“ berichtet, sind drei Spieler in eine Schießübung auf einem Truppenübungsplatz hineingestolpert, als sie die Lüneburger Heide nach Pokémon absuchten. Dort wurde den Angaben zufolge gerade mit scharfer Munition zu Übungszwecken geschossen. Die Pokémon-Jäger hätten sich weder von einer geschlossenen Schranke noch der roten Flagge, die auf Schießübungen hinweist, vom Betreten des militärischen Sperrgebiets abbringen lassen, heißt es in dem Zeitungsbericht. Nun droht ihnen eine Strafe wegen unbefugten Betretens einer militärischen Anlage.

GDV gibt Versicherungstipps

Wo Menschen sich von Leichtsinn und Unachtsamkeit treiben lassen, sieht auch die Versicherungsbranche ein dankbares Betätigungsfeld. Und so gibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Spielern Tipps, wie es sich mit dem Versicherungsschutz bei der Pokémon-Jagd verhält. Grundsätzlich gilt: Wer einen Schaden nicht vorsätzlich verursacht, bleibt laut GDV weiter versichert.

Führt ein schwerer Unfall zu gesundheitlichen Schäden, leistet in der Regel die private Unfallversicherung. Die gute Nachricht für alle Pokémon-Süchtigen: das gilt auch, wenn man sich aufgrund selten dämlichen Verhaltens selbst in Gefahr gebracht hat. Es spiele grundsätzlich keine Rolle, ob der Unfall beim Spielen leichtsinnig oder gar grob fahrlässig herbeigeführt wurde, erklärt der GDV.

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Verursacht man beim Spielen Dritten einen Schaden, etwa wenn ein Pokémon-Jäger mit Blick aufs Smartphone eine alte Frau anrempelt, diese stürzt und sich schwer verletzt, dann leistet die private Haftpflichtversicherung. Auch für diese Sparte spielt es keine Rolle, ob man sich bei der Jagd nach den kleinen Monstern grob fahrlässig verhalten hat. Einzige Ausnahme: sie greift nicht, wenn der Schaden vorsätzlich angerichtet wurde.

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