Der Tarifindex des Statistischen Bundesamts, ein Maß für die Steigerung des durchschnittlichen tariflichen Stundenlohns ohne Sonderzahlungen, ist Orientierungswert für die Erhöhung des Mindestlohns. So machten die Abschlüsse, die in den eineinhalb Jahren seit Anfang 2015 wirksam wurden, ein Plus von 3,2 Prozent aus, womit der Mindestlohn auf exakt 8,77 Euro gestiegen wäre. Durch den Entscheidungsspielraum, den das Gremium hatte, einigte man sich heute aber auf 8,84 Euro.

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Uneinigkeit gab es bei der Kommission noch bis kurz vor Verabschiedung bezüglich des Einbezugs der Abschlüsse der Metall- und Elektroindustrie sowie des Öffentlichen Dienstes (Bund und Kommunen). Diese seien bereits beschlossen, jedoch letztlich nicht in der Tarifentwicklung enthalten, wie aus einer Mitteilung des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hevorgeht.

Der Beschluss über die Höhe des Mindestlohnes sei einstimmig getroffen worden, heißt es aus Berlin. Der Mindestlohn gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer. Ausnahmen sind Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten, Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum sowie einem Praktikum unter drei Monaten.

Mindestlohn steigt deutlich stärker als Preise und Produktivität

Der Anstieg des Mindestlohns in Deutschland um 4 Prozent liege deutlich über dem Anstieg der Lebenshaltungskosten und dem Produktivitätsfortschritt. „Es wäre besser, den Mindestlohn jeweils nur in moderaten Schritten zu erhöhen. Die heutige Entscheidung ist nicht ausgewogen und dürfte vor allem in Ostdeutschland auch negative Folgen haben“, sagt Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Leiter der dortigen Abteilung Makroökonomik.

Der Sozialverband VdK kritisierte die Erhöhung hingegen als unzureichend. "Der Mindestlohn muss deutlich erhöht werden und sicherstellen, dass Beschäftigte in Vollzeit mit dem Arbeitseinkommen für ihren Lebensunterhalt sorgen können und eine angemessene Alterssicherung über dem Grundsicherungsniveau aufbauen können», sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der Deutschen Presse-Agentur.

Bisher keine höhere Arbeitslosigkeit durch Mindestlohn

Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft hatten vor der Einführung des Mindestlohns vor eineinhalb Jahren die Befürchtung, dass dieser negative Beschäftigungseffekte mit sich bringen könnte, etwa den Verlust von Arbeitsplätzen. Beobachter gehen jetzt davon, dass dies weitestgehend ausgeblieben sei. Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute hatten seinerzeit geschätzt, dass durch den Mindestlohn 260.000 Minijobs im Jahr 2015 verlorengehen würden und im Gegenzug 77.000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen würden. Der tatsächliche Rückgang der Anzahl der Minijobs im gewerblichen Bereich im Jahr 2015 beläuft sich auf 166.000, so die Zahlen des IWH.

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Bei der erstmaligen Einführung haben die Unternehmen Kostensteigerungen angesichts der guten konjunkturellen Grundtendenz über Preiserhöhungen auffangen können; insbesondere bei der Personenbeförderung, bei der Reinigung und Reparatur von Kleidung, bei nichtmedizinischen Gesundheitsdienstleistungen und bei Zeitungen und Zeitschriften waren nach der Einführung des Mindestlohns bei Weitem überdurchschnittliche Preissteigerungen beobachtbar, so das IWH. Käme bald eine nächste Rezession, so könnte die Anhebung des Mindestlohns auch negative Beschäftigungseffekte haben.

freiepresse.de, deutschlandfunk.de, Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)

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