Ein Eckpfeiler des Gesetzes ist die Reduzierung der Abschlussprovision, die durch neue bilanzielle Regelungen sichergestellt werden soll. Lebensversicherungsunternehmen dürfen seit dem 01.01.2015 nur noch 25%o statt der bis dahin möglichen 40%o der Abschlussprovisionen steuerlich absetzen.

Diese Regelung bedeutet eine Reduzierung von potentiell rund 40 Prozent der Abschlussprovisionen.

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Versicherer kürzen Vergütung und verlängern Haftungszeiten

Tatsächlich waren einige Versicherer so naiv, die Regelung eins zu eins an den Vertrieb weiterzugeben. Andere Versicherer haben alles so belassen, wie es war. Eine dritte Gruppe hat die Provisionshöhen gelassen oder moderat gekürzt, mit gleichzeitiger Verlängerung der Haftungszeiten.

Die Gesellschaften, die mit gutem Beispiel vorangehen wollten und gleich zu Beginn des Jahres mit neuen Konditionsmodellen an den Markt gegangen sind, rudern mittlerweile z.T. zurück.

Folgende sechs Tendenzen zeichnen sich für die Zukunft ab:

  1. Basis für Provisionszahlung ist die „Bewertungssumme“, die sich in der Regel mit (Monatsbeitrag *12 * Laufzeit in Jahren) berechnet. Je größer die Bewertungssumme, desto höher der Provisionsbetrag. Viele Versicherungsgesellschaften berechnen nun Abschläge bei kurzen Laufzeiten (unter 15 Jahren) und berücksichtigen nur noch Laufzeiten bis maximal 35 Jahren (vor dem LVRG bis zu 45 Jahre). Dadurch reduziert sich die Bewertungssumme und entsprechend der Provisionsbetrag.
  2. Ein Großteil der Gesellschaften könnte sich vom Riestergeschäft trennen - manche Anbieter haben diesen Schritt bereits vollzogen.
  3. Fondsgebundene Rentenversicherungen werden zum Allheilmittel deklariert.
  4. Die Provisionshöhe soll zwar beibehalten werden, aber möglichst über die Gesamtlaufzeit des Vertrages verteilt werden. Dies geschieht entweder durch:
    eine einmalige (um ca. 20% gekürzte) Abschlussprovision und eine laufende Abschlussprovision, die durch die regelmäßige Beitragszahlung entsteht, oder
    durch eine Abschlussprovision auf dem derzeitigen Niveau, bei Verlängerung der Haftungszeiten auf bis zu 120 Monaten, wobei sich der Markt bei ca. 96 Monaten (achten Jahren) einpendelt.
  5. Selbständige Biometrieprodukte (z.B. Berufsunfähigkeitsversicherung) sind in der Regel von den neuen Regelungen nicht betroffen.
  6. Vertriebe, die qualitativ hochwertiges Geschäft in der Vergangenheit vermittelt haben, erhalten weniger einschneidende Sonderkonditionen. Qualität setzt sich hier durch.

Beratungsdichte nimmt ab

Die Änderungen haben bereits fatale Auswirkungen auf den Vermittlermarkt und damit auf die Beratungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland. In der Zeit vom 01.01.2015 bis 31.03.2015 sind 2.500 Vermittler von insgesamt 240.297 (Stand 02.01.2015) vom Markt verschwunden. Zudem verdienen die Vermittler für die gleiche Tätigkeit –bei zunehmend höheren Verwaltungs- und Kostenaufwand- weniger Provision. Die langen Haftungszeiten werden gesundheitliche Folgen für den Vermittler haben. Der im letzten Jahrtausend geltende Grundsatz, dass eine geringe Stornoquote auf eine saubere und qualitativ hochwertige Beratung hinweist, gilt nur noch bedingt. Kein Vermittler kann fünf Jahre (gesetzliche Mindesthaftung für Abschlussprovisionen seit 2008) für den Kunden in die Zukunft blicken; schon gar nicht 10 Jahre. Schwangerschaft, Elternzeit, Scheidung, Partnerwechsel, Jobwechsel, Unternehmensinsolvenzen, Arbeitslosigkeit etc. führen ständig zu Veränderungen im bestehenden Vertrag und damit zu Stornierungen, gerade in der schnelllebigen digitalen Welt, in der wir leben. Von schlechter Beratung kann in derartigen Fällen keine Rede sein.

Fazit: Der Berater haftet zunehmend für die langfristigen Lebensrisiken seiner Kunden mit. Dies hat folgende Auswirkungen:

  • Erhebliche finanzielle Einbußen auf das Einkommen.
  • Weiterer Rückgang der bestehenden Vermittler, da sie nicht mehr von ihrer Arbeit leben können.
  • Höhere Krankenrate im Vertrieb durch den wachsenden wirtschaftlichen Druck.
  • Überalterung der Berater, da junge Menschen unter diesen Rahmenbedingungen immer weniger bereit sind zu arbeiten.
  • Deutschlandweit werden immer weniger Verbraucher –aufgrund der zurückgehenden Vermittlerzahlen- beraten. Die Altersarmut wird dadurch noch mehr gesteigert.

Ziel muss es doch sein, auch in Zukunft eine unabhängige und flächendeckende Beratung für alle Verbraucher –unabhängig von deren Einkommen- sicher zu stellen. Dann dürfen die Regelungen des LVRG aber nicht zu Lasten der Berater gehen. Das Vermittlersterben hat bereits begonnen. Es ist fünf vor zwölf. Jetzt muss besonnen gehandelt werden, sonst ist es zu spät.

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Jörg Christian Hickmann, M.A., Assessor jur. und Vorstand der RWS AG. Jörg Christian Hickmann ist Vorstand der RWS Vermögensplanung AG mit Sitz in Hannover. Für Versicherungsbote schrieb er bereits den Kommentar "Honorarberatung, nein danke - Ein Plädoyer für die Provisionsberatung"

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