Sind die Eltern bzw. Großeltern nicht mehr in der Lage, eigenständig für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, sind Kinder oder Enkel nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig. Zwar kommt das Sozialamt zunächst für entstehende Kosten auf, holt sich das Geld jedoch im Nachhinein zurück. Wer Vermögen hat, darf nach dem BGH-Urteil (Az. XII ZB 236/14, 29.4.2015) nicht damit rechnen, dieses Geld für die eigene Altersvorsorge zu behalten.

Sozialamt forderte rund 7.300 Euro Unterhaltszahlung für Pflegekosten der Mutter

Im vorliegenden Fall hat die Tochter nach Geburt des ersten Kindes ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben. Ihr Ehemann verdiente zuletzt über 70.000 Euro im Jahr, bevor er mit eine Rente wegen Schwerbehinderung bezog. Als die Mutter in einem Pflegeheim untergebracht wurde, konnte die Tochter deren Unterhaltskosten nicht selbst tragen, das Sozialamt sprang ein. Dies forderte anschießend jedoch die gezahlte Summe für den Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2013 in Höhe von insgesamt 7.296,88 Euro zurück.

Das Oberlandesgericht Köln zeigte auf, dass der Tochter keine Einkünfte für den Elternunterhalt zur Verfügung stehen. Die Richter sprachen ihr auch ein Altersvorsorgevermögen von 178.192,94 € zu, darunter unter anderem die eigene Immobilie und zwei Lebensversichererungen im Wert von rund 15.500 und 6.400 Euro. Dass der Ehemann möglicherweise für die Altersvorsorge für ihn und seine Frau aufkommen könnte, spielte für das OLG keine tragende Rolle: „Gerade der Umstand, dass er bei der primären Altersvorsorge auf seinen Ehegatten angewiesen sei, bringe für den nicht erwerbstätigen Ehegatten die Notwendigkeit mit sich, eine eigene zusätzliche private Vorsorge zu treffen“, so die Kölner Richter.

Keine Mietausgaben aufgrund einer selbstgenutzen Immobilie gelten als Einkommen

Der BGH entschied jedoch, dass das Urteil des Oberlandesgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Zum einen ist die Tochter alleinige Eigentümerin eines Einfamilienhauses, da sie keine Miete zahlt, ist ihr diese als Einkommen anzurechnen. Zinsvorteile aufgrund des Wohnvorteils sind ihr also als Vermögen anzurechnen, welche sie teilweise zur Versorgung ihrer Mutter hätte einsetzen können. Denn, so der BGH: „Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch seine Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt, die er aus seinem Vermögen zieht.“

Die Karlsruher Richter folgten dem OLG-Urteil jedoch dahingehend, dass die selbstbewohnten Immobilie der Tochter nicht zu verwerten ist. Zusätzlich wird ein „Notgroschen“ geschont. Die Höhe des Notgroschens lässt sich nicht pauschal festlegen, im Falle eines alleinstehenden, kinderlosen Unterhaltsschuldners, der über ein Erwerbseinkommen unterhalb des Selbstbehalts verfügt, hat der Senat einen Betrag von 10.000 € als ausreichend erachtet.

Altersvorsorge durch den Ehegatten gesichert

Weiter partizipiert die Tochter an der Altersvorsorge ihres Ehemannes: „So wie die Ehegatten in einer Hausfrauenehe während der aktiven Zeit des erwerbstätigen Ehegatten von dessen Einkommen leben, leben sie nach Renteneintritt von dessen Rente nebst Zusatzversorgung“, heißt es im Urteil des BGH. Ein eigenes Altersvorsorgevermögen zu bilden, wäre für sie nur dann nötig, wenn sie über den Ehemann nicht hinreichend abgesichert ist.

Bedenken über das Urteil äußerte Martin Wahlers, Fachanwalt für Familienrecht aus Darmstadt gegenüber Stiftung Warentest: „Nicht nur wird die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Frau im Alter eingeschränkt, sondern der Mann wird im Grunde gezwungen, doppelt vorzusorgen, will er nicht sein Altersvorsorgevermögen irgendwann auf zwei Personen aufteilen“. Der Fall geht nun zur erneuten Überprüfung an das OLG Köln zurück.