Deutschlands Versicherer stehen im Vertrieb vor enormen Herausforderungen. Um diese zu meistern, müssen sie sich zum Teil neu erfinden. Laut Studie ergeben sich für die Gesellschaften vier wichtige Handlungsfelder: Neben unvermeidlichen, deutlichen Kostensenkungen zählen dazu ein modernes Produktivitäts- und Bestandsmanagement, die Ausrichtung auf ertragreiches Wachstum und die konsequente Digitalisierung.

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Versicherer haben Vertrieb bei Kostenoptimierung verschont

Bei Maßnahmen zur Kostenoptimierung haben Versicherungsunternehmen den Vertrieb meistens verschont. Zu heikel erschienen Einschnitte in kundennahen Bereichen, zu schwierig die Auseinandersetzung mit den selbstständigen Vermittlern, zu komplex die Neustrukturierung des Herzstücks ihres Geschäftsmodells, so das Urteil der Studienautoren. Inzwischen aber zwinge der gesättigte Markt und das in weiten Teilen rückläufige Neugeschäft zahlreiche Versicherer geradezu zum Handeln. Die Ausschließlichkeitsvertriebe mussten zuletzt den stärksten Rückgang im Neugeschäft seit 2008 hinnehmen, zeigte das umfassende Benchmarking von Bain. Die Digitalisierung sowie das veränderte Kundenverhalten verschärfen den Druck weiter.

Der Studie zufolge ist Kostendruck im Vertrieb aktuell die wichtigste Herausforderung für Vorstände. Platz zwei belegen regulatorische Themen, gefolgt von der Ausrichtung des Produktspektrums nach seiner Ertragskraft (vgl. Abb. 1).

Quelle: obs/Bain & Company

Dabei sollten sich die Vorstände diverse pragmatische Ansätze für einen Umbau finden, Maßnahmen verzahnen und so das laufende Geschäft nicht belasten. „Konzentrieren sich die Versicherer allein auf Kostensenkungen, droht ihnen eine Abwärtsspirale aus sinkenden Erträgen und zusätzlich nötigen Einsparungen“, warnt Dr. Christian Kinder, Partner bei Bain & Company und Autor der Studie. „Ein schleichendes Aus wäre für viele die Folge.“

Produktivitätssteigerung und Optimierung im Vertrieb, Bestände nutzen

Versicherer sollten den Vertrieb transformieren, empfehlt die Untersuchung. Dies gilt erstens im Bereich der Kostensenkung: Die indirekten Kosten im Vertrieb sinken seit 2012 um durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr - im Vergleich zum tendenziell rückläufigen Neugeschäft sind die indirekten Kosten jedoch relativ um drei Prozent gestiegen. Sie ließen sich um 20 Prozent reduzieren, so Bain: Wichtigste Hebel sind optimierte Außenorganisationen und Agenturmodelle sowie die Vergütungssysteme (vgl. Abb. 2)

Quelle: obs/Bain & Company

Zweitens lässt sich die Produktivität des Vertriebs steigern durch Fachkräfte oder vertraglich festgelegte Performance-Meilensteine. Derzeit setzen sich auch immer größere Vermittlerstrukturen durch. Durch Systematisierung im Akquise- und Verkaufsprozess, u.a. mittels digitaler Beratungshilfen, Data Mining oder Big Data könnte man die Vermittler dabei unterstützen, die Potentiale im Kundenbestand besser zu nutzen.

Drittens müsse man sich künftig an den Gedanken gewöhnen, dass Wachstum nicht automatisch nur mehr Neukunden bedeutet. In reifen Märkten müssen vor allem die Bestandskunden differenziert entwickelt und das Neugeschäft risiko- und wertbasiert gesteuert werden. Im Zentrum stehen dabei ertragreiche Produkte, die eine synchronisierte Sicht aller Sparten und Vertriebskanäle verlangen - und damit die Überwindung bestehender Grenzen.

Digitalisierung und moderne Provisionssysteme

Die vierte Transformationsbaustelle betrifft die Digitalisierung: Der Anteil digital aktiver Versicherungskunden wird in den nächsten fünf Jahren von heute rund 50 auf dann knapp 80 Prozent steigen. Dies ergab eine Bain-Umfrage unter mehr als 10.000 Privatkunden in Deutschland. Zugleich betonen drei von vier Befragten, dass die persönliche Beratung für sie wichtig bleibt. Auf diese hybriden Kunden muss sich der Versicherungsvertrieb einstellen und digitale Kundenerlebnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette schaffen. Auch würden sich Vermittler gezielt an diejenigen Versicherer wenden, die ein zukunftsträchtiges Vertriebskonzept vorweisen können.

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Die Versicherer ihrerseits müssen mit modernen Provisionssystemen Anreize für leistungsstarke Vermittler schaffen und gleichzeitig ihre Vertriebskosten senken. „Der Vertrieb der Zukunft zeichnet sich durch höhere Effizienz, einen klaren Fokus und den umfassenden Einsatz digitaler Technologien aus“, so Versicherungsexperte Kinder.

Bain & Company

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