Bei einer Stellungnahme gegenüber procontra gab eine Sprecherin der TÜV Süd AG zu Protokoll: „Wir sind – insbesondere nach dem Ergebnis unserer internen Untersuchungen – der festen Überzeugung, dass sich unsere Mitarbeiter rechtskonform verhalten haben. Sie haben nach unserem Kenntnisstand zu keiner Zeit von dem betrügerischen Verhalten des Unternehmens S&K gewusst oder dieses gar unterstützt“.

Anzeige

Schneeballsystem für "Schrottimmobilien"

Konkret geht es bei dem vermuteten Betrug um „das Ausstellen einer TÜV-Bescheinigung für Immobilien der Frankfurter Investmentfirma S&K“. Der NDR, den den Fall aufgespürt hatte, hatte den Hintergrund der S&K-Pleite recherchiert, bei der circa 11.000 Anleger etwa 240 Millionen Euro verloren haben sollen und bilanzierte: „Das Unternehmen steht im Mittelpunkt eines Skandals um Schrottimmobilien“. Nun verdächtigen die Staatsanwälte die Verantwortlichen der S&K-Gruppe, zu welcher 150 verbundene Unternehmen gehören, ein „Schneeballsystem“ betrieben zu haben. Kaum zwei Jahre nachdem die Firmengründer Jonas K. und Stephan S. neben vier weiteren Verdächtigen in Untersuchungshaft genommen wurden, erstellte die Staatsanwaltschaft bis Januar eine etwa 3.150 Seiten umfassende Anklageschrift.

Vor der Ausfertigung der Anklageschrift hatte man ungefähr 2.200 Bankkonten ausgewertet und zahlreiche Büros durchsucht, unter anderem eben auch jenes einer Tochterfirma der TÜV Süd. Nachdem man hier die Büros durchsucht hatte, erklärte die Staatsanwaltschaft jedoch, dass TÜV-Mitarbeiter nicht beschuldigt würden. Nun aber hat sich dies geändert, was auch gegenüber procontra durch die TÜV-Sprecherin bestätigt wurde: „Wir haben Kenntnis davon erhalten, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren unter anderem gegen Mitarbeiter unseres Hauses wegen Beihilfe eingeleitet hat.“

Guten Ruf des TÜV vorsätzlich missbraucht

Den Hintergrund des Vorwurfs stellt der Umstand dar, dass S&K bei Anlegern mit einer TÜV-Bescheinigung geworben hatten, um ihren Angeboten den Anstrich der Seriosität zu geben. Damit wäre ihr „guter Ruf für das Geschäftsgebaren der S&K-Gruppe missbraucht“ worden, kommentiert der TÜV aus München. Denn: „Es gibt kein Zertifikat oder Prüfzeichen, das kommunikativ hätte verwendet werden dürfen. Wir haben weder die S&K-Unternehmensgruppe als Ganzes, noch das Geschäftskonzept, noch einzelne Produkte beziehungsweise Dienstleistungen dieser Gruppe zertifiziert“, so die TÜV-Sprecherin. „Mitarbeiter unseres Unternehmens haben lediglich im Rahmen eines internen Audits die Immobilienan- und Immobilienverkäufe auf Grundlage vorliegender Dokumente erfasst.“

Neunzig Tausend Euro für dubioses Zahlenwerk

Bei den Unterlagen die Mitte 2011 vorgelegt worden waren, habe es sich um extern erstellte Wertgutachten für Immobilien gehandelt, welche auftragsgemäß nicht auf Richtigkeit zu prüfen gewesen seien. Der TÜV habe „keine Bewertung durchgeführt und dies auch nicht behauptet.“ Deshalb seien auch alle bisherigen Schadensersatzklagen von S&K-Anlegern erstinstanzlich abgewiesen worden. Trotzdem hatten viele Betroffene Ansprüche gegenüber dem TÜV formuliert.

„Es hat aber nach außen hin den Anschein erweckt, als sei das vom TÜV geprüft und sei somit auch inhaltlich richtig“, beschreibt Doris Möller-Scheu den Grund dafür, dass die Betroffenen Ansprüche anmeldeten - und diese zumindest gegenüber ihren Vermittlern erfolgreich durchsetzten.

Der NDR zitiert die Frankfurter Oberstaatsanwältin außerdem mit dem Vorwurf, dass die Prüfer die Werbung mit ihrem Namen durchaus toleriert hätten. „Wir gehen davon aus, dass das auch den Leuten vom TÜV bewusst war und dass sie zumindest in Kauf genommen haben, dass möglicherweise dieses Zahlenwerk nicht zutreffend ist beziehungsweise dann auch dazu dient, andere Leute zu schädigen“, so Möller-Scheu laut NDR weiter. Der Grund dafür mag die vergleichsweise hohe Entlohnung in Höhe von 90.000 Euro gewesen sein. Der TÜV wird von ebenjenen Auftraggebern bezahlt, deren Produkte er testet.

TÜV erneut in der Kritik

Es ist nicht das erste Mal, dass der TÜV in den letzten Monaten negativ aufgefallen ist. Auch im Skandal um minderwertige Brust-Implantate spielten die Prüfer eine unrühmliche Rolle. 2010 war bekannt geworden, dass tausenden Frauen minderwertige Silikonkissen des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt worden waren. Die Implantate waren mit billigem Industrie-Gel befüllt, so dass sie platzen und schwere gesundheitliche Schädigungen verursachen können. Geprüft und zugelassen hatte die Medizinprodukte der TÜV Rheinland (Versicherungsbote berichtete).

Anzeige

Zwar konnte sich der TÜV erfolgreich gegen Schadensersatzforderungen vor Gericht wehren. Die Begründung: Der TÜV Rheinland habe lediglich die Aufgabe gehabt, das Qualitätssicherungssystem von PIP zu prüfen, nicht jedoch die Produkte selbst. Der Verbraucherschutz reagierte entsetzt auf die Urteile. Was taugt eine Qualitätskontrolle, die nicht einmal ausschließen kann, dass medizinische Produkte gesundheitsgefährdend sind? Aktuell wird auch vor dem Bundesgerichtshof verhandelt, ob der TÜV damals seine Kontrollpflicht verletzt hat. Eine 64 Jahre alte Klägerin hat in oberster Instanz Revision eingelegt, nachdem sie zweimal gegen den Prüfkonzern unterlegen war (Aktenzeichen 7 ZR 36/14).

pro-contra online.de

Anzeige