Das ist auch eine Kunst: die Verbreitung einer Nicht-Neuigkeit: „Versicherungswirtschaft dokumentiert erstmals Prüfungsberichte zum Verhaltenskodex“, meldet der GDV. Das war bekannt. Das Wichtigste an dieser Nicht-Neuigkeit ist das nicht genannte, aber intransparente Gegenteil, wenn es um die Sorgfaltsmühen des Verbands zu Solvency II geht. Ihre Kassenlage wollen sich die Versicherer nämlich nicht vom Wirtschaftsprüfer testieren lassen.

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Was ist passiert, dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an diesem Montag neu über die Prüftestate der Versicherer zum GDV-Vertriebskodex berichtet? Nichts. Vielmehr auffällig ist der Sorgfaltswiderspruch zwischen Vertriebskodex einerseits (mit Wirtschaftsprüfer-Testat) und der künftig pflichtgemäßen so genannten Solvabilitätsübersicht zur demnächst in die Tat umgesetzten Eigenkapital-Richtline Solvency II. Ohne Testat: Hier hält der GDV-Verband eine Testierung der Solvabilität, also der Zahlungsfähigkeit der jeweiligen Versicherer, für eine „Überbürokratisierung“.

Jeder Häuslebauer muss seine Bonität nachweisen – dauernd

Wären die Versicherer Hypothekenschuldner, so wie jeder Häuslebauer, dann dürfte sich deren Bank jederzeit neu über die Kreditwürdigkeit ihres Schuldners informieren – so steht es sinngemäß in jedem Kreditvertrag. Lebensversicherungs-Sparer tun nichts anderes: sie zahlen ratierlich an die Versicherer und wollen nach rund 30 Jahren ihr Geld zurück, wenigstens mindest-verzinst. Unterwegs wollen sie sich über die Bonität ihres Versicherers informieren. Institutionell übernimmt die Aufsicht diese Aufgabe und verlangt absehbar ab 2016 so genannte Solvabilitätsübersichten.

Ein Kredit? Ein Million Kreditverträge genannt Lebensversicherung

Der Unterschied zwischen dem Häuslebauer und dem Versicherer ist systematisch: keiner. Beide müssen an ihre Gläubiger zurückzahlen. Der eine zahlt Zins und Tilgung, der andere auch: in Form von Kapital oder Renten-Raten. Das Besondere am Versicherer ist: Er hat nicht ein Darlehen aufgenommen, sondern eine Million Darlehensverträge, Lebens- und Rentenversicherungen, in seinen Büchern! Da wird diese läppische Million Kunden, vertreten durch die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, doch schonmal den „hochgerechneten“ Kontoauszug abfragen dürfen: Eine Million mal Schulden ist gleich zig Milliarden.

Solvency II wird unterbürokratisiert

Die Solvabilitätsübersichten werden die Versicherer auch liefern. Müssen! Allerdings gibt es bei der Darstellung der eigenen Leistungsfähigkeit der Assekuranz-Unternehmen gewisse Spielräume. Ob die Versicherer diese Freiheiten der Berechnung oder der Darstellung ihrer Solvabilität korrekt oder unfair ausnutzen, dies kann nur von unabhängiger Seite bestätigt, vulgo testiert werden: durch Wirtschaftsprüfer. Ob dieses Vorgehen, dem sich der GDV stellvertretend wegen „Überbürokratisierung“ entgegenstellt, unangemessen ist? Nein; wenn das Kodex-Ehrenwort eines Verstärkers, also des Wirtschaftsprüfers bedarf, dann erst recht der „Kassenbericht“ der Zukunft des Versicherers. Ohne Testat des Prüfers würde Solvency II unterbürokratisiert.

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Zahnloser Papiertiger

Und der Vertriebskodex, laut GDV-Webseite an diesem Montag „Motor der Veränderung“? Der Kodex wird trotz Testaten zurzeit fortmal nicht „praktiziert“ im Sinne seiner papier-geduldigen Bedingungen. Quod erat demonstrandum – was zu beweisen war: Es ist ein zahnloser Papiertiger.

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