Gleichzeitig mit vielen anderen Versicherern hat auch die Aachen-Münchener Gruppe Anfang April ihre Wirtschaftsprüfer-Testate zum GDV-Vertriebskodex vorgelegt. Und bestanden; so kann man die Urteile der Prüfer zusammenfassen. Vorab hatte die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) im März ihren Mitarbeitern mit der so genannten Wechseloption eine neue Einkommensquelle erschlossen. Mit dieser dürfen die Vermögensberater nun gut befüllte Fondspolicen in den letzten fünf Jahren vor Vertragsende umdecken.

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Die DVAG bezeichnet die Wechseloption als „Instrument zur Guthabensicherung“ und schreibt ihren Beratern: „Im Rahmen der Wechseloption kann das Fondsguthaben vollständig entnommen und ohne Anwendung der Neusto-Regel (Neustorno-Regel; Anmerkung der Redaktion) auf eine konventionelle Rentenversicherung oder das P.U.R.-Konzept übertragen werden. Für den neuen Vertrag erhalten Sie die volle Provision“. So berichtete es das „Versicherungsjournal“ im März.

DVAG: Passt die „Wechseloption“ zum GDV-Kodex?

Der Versicherungsbote wollte von der DVAG und der Aachen-Münchener Lebensversicherung (AML) wissen, wie die voll provisons- und für den Kunden Abschlusskosten-pflichtige Umdeckung mit dem Vertriebskodex des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer (GDV) im Einklang steht. Die AML schreibt dazu an den Versicherungsboten, zum Kodex gehöre auch die Zusammenarbeit mit der DVAG in ihrer Rolle als Versicherungsvermittler mit entsprechenden Vereinbarungen zur Einhaltung von Compliance-Regeln.

Konkrete Fragen zu einer eventuellen Kollision von Kodex und Wechseloption, ob oder wie die Wechseloption Eingang in das so genannte Compliance-Management-System Eingang findet, beantwortet die AML nicht. Und der Wirtschaftsprüfer? In seinem Kodex-Testat schreibt AML-Wirtschaftsprüfer Axis: „6.6 Bei Abwerbungen bzw. Umdeckungen von Versicherungsverträgen ist das Kundeninteresse zu beachten“. Dieser Text entspricht wortgleich Nr. 6 des GDV-Verhaltenskodex (siehe Abbildung mit Textauszug aus dem Wirtschaftsprüfer-Testat).


Eine DVAG-Sprecherin sagt zur Wechseloption, diese sei „keine Aktion, sondern eine Option, die genutzt werden kann, aber nicht muss! Der Nutzen muss hierbei für den Kunden gemeinsam mit einem Vermögensberater individuell ermittelt werden.“ Also muss man rechnen und einen Musterfall heranziehen.

Nachgerechnet an einem Standardvertrag

Angenommen, ein Kunde hat vor 20 Jahren eine Fondspolice mit 25 Jahren Laufzeit und 100 Euro Monatsbeitrag gekauft; provisionspflichtige Beitragssumme 30.000. In diesem Beispiel fielen bei angenommen vier Prozent marktüblicher Abschlusskosten in Summe 1.200 Euro Kosten an, die der Kunde in der Vergangenheit mit seinen Beiträgen bezahlt hat. Bei 4,0 Prozent Nettorendite, auf den Zahlbeitrag bezogen, hätte der Kunde heute nach 20 Jahren ein Vermögen von etwa 50.000 Euro.

Über 100 Promille Kosten im Kundeninteresse?

Zieht der Kunden nun die so genannte Wechseloption der DVAG und deckt seinen Vertrag um, dann fließen 50.000 Euro in den Neuvertrag. Bei wiederum vier Prozent Abschlusskosten-Last fehlen dem alten und neuen Versicherungsnehmer der Aachen-Münchener neuerlich 2.000 Euro. Addiert man die 1.200 Euro Abschusskosten des Ursprungsvertrags hinzu, lasten auf der zweigeteilten Anlage ingesamt 3.200 Euro Kosten. Im Vergleich zu ursprünglichen Beitragssumme von 30.000 entsprechen 3.200 Euro Gesamtkosten fast 107 Promille. Nicht Provision, das ist vertragsintern zwischen DVAG und Vermögensberater-Stufen geregelt, aber 107 Promille Kostenlast.

Seitenhieb auf Versicherungsmakler

Eine DVAG-Sprecherin betont zu der Wechseloption gegenüber dem Versicherungsboten eine Jahrzehnte alte Regel, die vorsehe, „dass Neugeschäft in Verbindung mit Storno nicht verprovisioniert und gewertet wird“. Eine solche Vorgehensweise wäre „für den gesamten Markt wünschenswert, z. B. bei Maklern, die bekanntlich mit vielen Versicherern zusammenarbeiten“. Dokumentieren lasse sich dies an der „Umdeckungsthematik in der Krankenversicherung.

„Vorgezogene Wiederanlage“

Ihre Wechseloption erklärt die DVAG als „vorgezogene Wiederanlage“, mit der Fondsguthaben in den letzten fünf Jahren vor Ablauf gegen Kursverluste gesichert werden könnten. Dabei gehe es vor allem um ältere Tarife, die „kein Ablaufmanagement im Vertrag vorsehen“. Erst seit 10 bis 15 Jahren gebe es flexiblere Policen. „Die Verträge, für die aktuell eine Wechseloption möglich ist, sind im Schnitt noch deutlich älter und verfügen nicht über ein Ablaufmanagement“, schreibt die DVAG.

„Rentenfonds risikolos?“

„Selbstverständlich kann ein Kunde durch einen Fondswechsel aus einem Aktienfonds in einen anderen Fonds eine andere Allokation vornehmen. Nur ist in der derzeitigen Situation der Wechsel in einen Rentenfonds risikolos? Wie entwickelt sich der Rentenfonds, wenn die Zinsen steigen – der Kurs fällt. Und auch der Wechsel in einen Geldmarktfonds scheint derzeit sehr unattraktiv bei den gebotenen Konditionen.“ Was klingt wie aus einem Verkäuferhandbuch entnommen, ist das Originalzitat der DVAG-Sprecherin.

Die BaFin ermittelt

Die Aachen-Münchener Lebensversicherung bezeichnet die Wechseloption auf Anfrage der Redaktion als eine „von der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) mit uns abgestimmte Möglichkeit, in bestimmten Fällen den bisherigen Vertrag (…) zu beenden und das aufgebaute Kapital als Einmalbeitrag in eine konventionelle, somit fondsunabhängige Rentenversicherung einzubringen.“

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Die Versicherungsaufsicht BaFin, inzwischen auch für Verbraucherschutz zuständig und vom Versicherungsboten angefragt, teilt zu der Wechseloption mit, sie dürfe sich aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht „zu Einzelfällen inhaltlich nicht äußern“. Ergänzend schreibt die BaFin zur Wechseloption, dass sie „dieses Thema aufgegriffen hat und den Sachverhalt prüft.“

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