Wissenschaftler Schwintowski von der Berliner Humboldt-Universität hat sich in einem Arbeitspapier mit den von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplanten so genannten Tariffonds als quasi sechsten Durchführungsweg der Betrieblichen Altersversorgung (bAV) befasst.

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Ministerin Nahles will das Betriebsrenten-Gesetz (BetrAVG) um einen neuen § 17 erweitern. Auf dieser Grundlage sollen die Tarifpartner künftig eigene Versorgungswerke für ihre Mitarbeiter einrichten. „Tariffreie“ Unternehmen könnten sich anschließen, wenn die Tariffonds zugleich für „allgemeinverbindlich“ im juristischen Sinne erklärt würden. Genau das ist Nahles' Plan.

bAV: Tariffonds für die Entgeltumwandlung

Käme es zu dem neuen Paragraf 17 und Folgen, würde dies nach Schwintowskis Analyse einiges bisher Dagewesenes in der bAV umstürzen - und den Wettbewerb verzerren.

Zuerst für Lebensversicherer hätte Nahles' Rente einen großen Nachteil: Die Lebensversicherer würden, vereinfacht gesagt, von der bAV ausgeschlossen. Weil die Direktversicherung als klassischer, vor allem einfacher, Durchführungsweg für kleinere Unternehmen künftig praktisch entfiele. Von Gesetzeswegen weggewischt.

Nur noch Pensionskassen oder -fonds

Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) würde für die Tariffonds, so kann man die Nahles-Rente auf einen Gattungsbegriff als sechsten Durchführungsweg bringen, nur noch Pensionskassen oder -fonds erlauben. Immerhin deckt sich die geplante Neuregelung mit § 1 des BetrAVG und dem Recht auf Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer.

Diese Vorschrift verlangt entweder eine Pensionskasse oder -fonds; ersatzweise aber mindestens eine Direktversicherung. Letztere kommt als Durchführungsweg für die Tariffonds nicht mehr vor, weil sie „tarifrechtlich ausgeschlossen“ werden, schreibt Professor Schwintowski in seinem Arbeitspapier, das dem Versicherungsboten vorliegt.

Tariffonds würden zu einem bAV-Monopol

Was wäre, neben dem Aussperren der Direktversicherung, das weitere Neue an Nahles' Plänen? Bereits heute können die Tarifpartner gemeinsame Versorgungswerke für die bAV einrichten, die sodann eine Art Vorrecht gegenüber der Gesetzesbasis des BetrAVG haben. Zum Beispiel gibt es schon seit längerem den Chemie-Pensionsfonds oder die Metallrente.

„Neu“, so Wissenschaftler Schwintowski, „ist die Verpflichtung, die betriebliche Altersversorgung über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien durchzuführen.“ Mit anderen Worten: Die bAV im neuen Tariffonds würde zu einem Muss. Zu einem Monopol. Zumindest tarifgebundene Unternehmen würden zur Teilnahme an den Tariffonds der Nahles-Rente gezwungen.

Exklusiv für Tariffonds: Die Beitragszusage

Eine reine Beitragszusage in der bAV klingt zunächst unspektakulär. Tatsächlich fordert im Grunde die gesamte Wirtschaft, Versicherer ebenso wie Arbeitgeber, seit vielen Jahren eine Enthaftung à la „pay and forget“. Mit anderen Worten: Mit der Zahlung des Beitrags an den Versorgungsträger, zum Beispiel an eine Versicherung, will der Arbeitgeber haftungsfrei werden.

Bisher ging das nur über juristische Umwege. Ausschließlich bei Nahles' geplanten Tariffonds sollen die Arbeitgeber nun quasi durchführungsweg-exklusiv enthaftet werden. Haften soll das Versorgungswerk. Punkt. Für Arbeitgeber ginge damit ein Traum in Erfüllung, eben weil sie keine bAV-Profis sind und nicht immer oder nur selten wissen, was in „ihrer“ bAV „drin“ ist.

Pensionskassen oder -fonds nur noch über den Tariffonds

Sollte das Gesetz wie geplant kommen, „wären in Zukunft sämtliche Anbieter von Produkten, die Gegenstand einer Pensionskasse oder eines Pensionsfonds im Wettbewerb sein können, ausgeschlossen“, schreibt Hans-Peter Schwintowski. Selbiges gelte „für alle Direktversicherer“, aber auch für Unterstützungskassen. „Der Gesetzgeber würde also die in Tarifverträgen auch heute schon zu findenden Closed-Shop-Klauseln direkt in das Gesetz verlagern.“ Rechtlich sei dies eine „massive Wettbewerbsbeschränkung“.

Verstoß gegen den EU-Vertrag

Außerdem verstießen nach Schwintowskis Einschätzung Tariffonds in der geplanten Form gegen EU-Recht (Art. 4 Abs. 3 EU-Vertrag), wonach die Mitgliedstaaten „alle Maßnahmen unterlassen, (…) freien und unverfälschten Wettbewerb gefährden.“ Zwar hätten die Tarifpartner heute schon große Freiheiten bei der bAV. Dennoch würden Nahles' Pläne „gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit verstoßen und wäre folglich nichtig“, so Schwintowski in seine Analyse.

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Grundgesetzwidrig, weil die Berufsfreiheit verletzt würde

„Daneben dürfte auch Art. 12 GG, der die Berufsfreiheit schützt, verletzt sein. Denn dieses Grundrecht gewährt den Unternehmen und Arbeitgebern das Recht, ihre Entscheidungen für die betriebliche Alterssicherung im Wettbewerb zu treffen, also den Durchführungsweg und Produktpartner zu wählen, der ihnen zur Erfüllung ihrer Wünsche und Bedürfnisse angemessen und richtig erscheint. Wenn nicht alles täuscht, so ist der neue § 17b BetrAVG (Entwurf) in der jetzigen Fassung von vornherein sowohl europarechts- als auch verfassungswidrig und folglich nichtig“. So lautet das Fazit von Prof. Hans-Peter Schwintowski zu Andrea Nahles' Plänen zu Tariffonds.

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