An diesem Freitag hat eine Groteske ihr vorläufiges Ende gefunden, die eine unendliche Geschichte zu werden schien. Am 10. Juli 2007, ein Jahr vor der Finanzkrise, hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine sogenannte Solvency-II-Rahmenrichtlinie dem Europäischen Parlament und Rat vorgelegt. Damit sollten die Versicherungen dazu gezwungen werden, sich besser auf Krisen vorzubereiten, die im schlimmsten Fall die Existenz des Unternehmens bedrohen können. Doch erst heute, am 06.03.2015, wurde diese Richtlinie tatsächlich in nationales Recht gegossen – nach unzähligen Änderungen, Debatten und Streitigkeiten.

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Gesetz zur Modernisierung der Versicherungsaufsicht

Wie die Versicherungsforen Leipzig berichten, hat der Bundesrat am heutigen Freitag dem „Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen“ zugestimmt. Damit soll ebenjene EU-Richtlinie 2009/138/EG in Deutschland umgesetzt werden, die so lange Gegenstand kontroverser Debatten gewesen ist - und nun die Versicherten vor einer Pleite des Unternehmens schützen soll.

Die wichtigsten Neuerungen: Versicherungsanbieter werden zukünftig gezwungen, mehr Eigenkapital zurückzuhalten. Die Eigenmittelvorschriften orientieren sich jetzt nicht mehr allein an der Größe eines Versicherers, sondern berücksichtigen auch Kapitalmarkt- und Kreditrisiken. Mit anderen Worten: Wer an den Finanzmärkten zockt, muss künftig mehr Eigenkapital als Sicherheit vorweisen. Auch ein verbessertes Risikomanagement wird den Versicherern abverlangt. Im Gegenzug sollen die Versicherungen mehr Freiheiten bei der Geldanlage erhalten (Details siehe hier).

Drei-Säulen-Modell der Finanzaufsicht

Das neue Aufsichtsregime richtet sich nach dem sogenannten „Drei-Säulen-Modell“. Die erste Säule von Solvency II bezieht sich auf die quantitativen Anforderungen: Das heißt, Versicherungen müssen eine risiko-bzw. marktwertorientierte Bewertung ihrer Kapitalanlagen und Leistungsanforderungen vornehmen. Je mehr Risiken ein Unternehmen eingeht und je mehr Verpflichtungen es gegenüber seinen Kunden hat, desto mehr Eigenkapital muss es vorweisen.

Die zweite Säule betrifft die qualitativen Anforderungen an die Unternehmen. Hier sind u.a. Verlustrisiken eingerechnet, die sich aus der Geschäftsorganisation ergeben: Etwa dem Versagen von Unternehmensstrukturen oder einzelnen Mitarbeitern. Geschäftsleiter sollen zum Beispiel ihre fachliche Qualifikation nachweisen und einen Zuverlässigkeitsnachweis erbringen müssen, bevor sie ihre Schlüsselposition in einer Versicherung übernehmen.

Säule III sieht erweiterte Berichterstattungspflichten der Versicherungsunternehmen vor: zum Einen Berichtspflichten an Aufsichtsbehörden (supervisory reporting) und zum Anderen Angaben, die für jeden öffentlich zugänglich sind (public disclosure). Hier erhofft sich die Politik mehr Transparenz von den Unternehmen.

Gesetz soll 2016 in Kraft treten

Geht alles nach Plan, tritt das neue Gesetz zum 1. Januar 2016 in Kraft. Zuvor muss noch Bundespräsident Joachim Gauck unterschreiben. Die Erwartungen sind hoch. Das neue Regelwerk soll gewährleisten, dass die Versicherungen auch langfristig alle Zusagen an ihre Kunden erfüllen können – und dass nicht der Steuerzahler einspringen muss, wenn doch ein Unternehmen pleite geht.

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Die Sorge ist berechtigt. Die Finanzkrise hat gezeigt: Nicht nur Banken sind im Zweifel zu groß, um zu scheitern, sondern auch Versicherungen. So musste der amerikanische Steuerzahler 2009 für den Versicherungsgiganten AIG mit 182 Milliarden Dollar einspringen. Die Schulden sind zurückgezahlt, doch es bleibt die Angst, dass sich etwas derartiges wiederholen könnte. Zukünftig sollen auch nationale Aufseher und die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA besser zusammenarbeiten, handelt es sich doch bei vielen Anbietern um international tätige Konzerne.

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