Das Bundesgesundheitsministerium hat sich verrechnet: Bis zu eine Milliarde Euro könnte die geplante Pflegereform mehr kosten als ursprünglich vorgesehen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (Dienstag) gibt es deshalb im Haus von Hermann Gröhe Überlegungen, die Krankenkassen an der Finanzierung der Mehrkosten zu beteiligen. Und das könnte für die Gesetzliche Krankenversicherung richtig teuer werden.

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Wie das Münchener Blatt berichtet, sollen die Kassen zukünftig die sogenannte Behandlungspflege bezahlen. Damit sind Gesundheitsleistungen bei Pflegebedürftigen gemeint wie etwa das Messen des Blutdrucks, die Wundversorgung oder der Verbandswechsel. Obwohl diese Leistungen eher in den Bereich der medizinischen Betreuung gehören, werden die Kosten bisher von der Pflegeversicherung übernommen. Bis zu 2 Milliarden Euro kostet die Behandlungspflege pro Jahr.

Sinkende Überschüsse in der GKV

Diese Reformüberlegungen kommen für die Krankenkassen zur Unzeit. Zwar saßen die gesetzlichen Krankenversicherungen jahrelang auf milliardenschweren Reserven. Doch aktuell deutet sich eine Trendwende an: steigende Gesundheitsausgaben lassen die Überschüsse in der GKV rapide sinken.

Schon bis Ende 2014 sei damit zu rechnen, dass die Kassenreserven von 30,1 auf 26,7 Milliarden Euro abnehmen werden, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Die Kassen haben angekündigt, bereits 2015 wieder Zusatzbeiträge erheben zu wollen.

Leidtragende von Gröhes Plänen könnten die gesetzlich Versicherten sein, die nicht nur mit steigenden Kassenbeiträgen rechnen müssen. Eine Analyse von Gesundheitsdaten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) hatte den Verdacht genährt, dass der Sparzwang bei den Kassen bereits heute zu Lasten der Patienten geht.

Demnach haben im Jahr 2012 hunderttausende Patienten negative Bescheide zu Leistungen wie Krankengeld, Reha oder Hilfsmitteln bekommen. Nie zuvor seien so viele negative Gutachten ausgestellt worden, klagte die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Der Verband rät zu Widerspruch – viele Ablehnungen seien unbegründet (Versicherungsbote berichtete).

Demenz soll körperlichen Gebrechen gleichgestellt werden

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereitet Wolfgang Gröhe gerade eine zweite Stufe der Pflegereform vor, die bewirken soll, dass geistig erkrankte Pflegefälle genauso von den Leistungen der Pflegeversicherung profitieren wie solche, die an körperlichen Gebrechen leiden. Dieses Vorhaben droht aber deutlich mehr Geld zu verschlingen als die veranschlagten 2,5 Milliarden Euro. Eine entsprechende Neubewertung von Erkrankungen wie Demenz oder Alzheimer wird von Pflegeexperten seit Jahren angemahnt.

Nun argumentiert das Gesundheitsministerium: Wird die Finanzierung der Behandlungs- Pflege wieder den Krankenkassen übertragen, könnten in der Pflegeversicherung zusätzliche Mittel freigemacht werden. Die Behandlungspflege gehöre sowieso in die Verantwortung der Kassen und sei vor 20 Jahren nur aus Kostengründen bei der Pflegeversicherung angesiedelt worden, um damals die notleidenden Kassen zu entlasten.

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Gegner verweisen darauf, dass die Neuregelung eine Verschlechterung für Patienten in Pflegeheimen mit sich bringen könnte. Pflegerische Entscheidungen würden dann anhand der Frage getroffen, wer eigentlich dafür zahlt: Ob die Pflege- oder Krankenkasse. Zudem würde die Reform einen bürokratischen Mehraufwand für das Pflegepersonal mit sich bringen. Sowieso seien Pfleger bereits zu viel mit Papierkram und der Protokollierung von Leistungen beschäftigt.

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