Ramponierte Lebensversicherer und kurze Fristen

Das vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) geschnürte Hilfspaket für ramponierte Lebensversicherer, das sogenannte Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) ist, wenn auch nicht auf den ersten Blick, ein weiterer Schritt in genau diese Richtung. Das LVRG soll nun, selbst zum Ärger von Verbraucherschützern, in Rekordzeit durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht werden. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf sind augenscheinlich unerwünscht, anders lässt sich die Frist zur Stellungnahme von gerade einmal knapp zwei Arbeitstagen kaum erklären.

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Sachunkundige Politiker

Betrachtet man das Vorgehen des Gesetzgebers nicht nur in dieser Sache, sondern insgesamt seit Einführung des Vermittlergesetzes bis zum jetzigen LVRG Gesetzentwurf, so drängt sich die Frage nach einer Sachkundeausbildung für Politiker geradezu auf.

1. Es könnte alles ganz einfach sein

Alle Gesetzgeber (auch die EU) haben es m. E. im Rahmen ihrer (durchaus notwendigen) Regulierungsbemühungen versäumt folgende Bedingungen zu schaffen:

  • Als freie, unabhängige Vermittler/Berater bedarf es allein des Versicherungs- und Finanzmaklers (nachfolgend Makler).
  • Es ist neben dem Status des Versicherungsmaklers der Status eines Finanzmaklers zu schaffen, der seinerseits ebenfalls Interessenvertreter und Sachwalter des Kunden zu sein hat.
  • Alle im Rahmen der EU und nationalen Gesetzgebung betroffenen Gesetze sind dahingehend zu ändern, dass Makler jedweden Kunden sowohl gegen Courtage wie auch gegen Honorar beraten dürfen. Dabei muss es gleichgültig sein, ob das Honorar im Zusammenhang mit einem Vermittlungsgeschäft steht oder ob es sich um ein reines Beraterhonorar ohne Vermittlung handelt.
  • Berät der Makler gegen Honorar, so hat er sich zwingend an eine gesetzlich festzulegende Gebührenordnung zu halten.
  • Die Bestimmungen zur Sachkundeprüfung, Versicherungspflicht und Honorarordnung gilt ohne jede Abweichung auch für Mitglieder des Bundesverband Verbraucherzentralen sowie ähnliche Institutionen.
  • Zu sämtlichen Produkten die eine Kapitalbildung (gleich welcher Art) beinhalten, haben alle Produktgeber die laufzeitbezogenen Gesamtkosten des Produktes offen zu legen. Dies völlig unabhängig davon, ob diese Produkte eine Abschlusscourtage, laufende Courtage, die Kombination von Vorstehendem oder keinerlei Courtagekosten beinhalten. Damit für Makler und Kunden die Werte und Unterschiede eindeutig ersichtlich sind, sind bei einer Wertentwicklung von 0 % Prozent die Einzahlungen der Kunden, die Abzugsbeträge der Kosten sowie der sich daraus ergebende Endbetrag tabellarisch Jahr für Jahr und auch kumulativ anzugeben.
  • Zu sämtlichen Produkten ohne Kapitalbildung (reine Risikoversicherungen) ist eine Angabe der Gesamtkosten nicht erforderlich. Es handelt sich bei derartigen Produkten um ein reines Preismodell. Der Verbraucher ist hier heute schon in der Lage mit Hilfe des Maklers einen Preis-/Leistungsvergleich vorzunehmen. Bei Produkten ohne Kapitalbildung stimmt z. B. der Vergleich, dass ein Fleischer nur den Gesamtpreis anzugeben hat und eben nicht angeben muss, welche Teile seines Preises für eine Leberwurst auf den Inhalt, dessen Bestandteile, die Wursthülle, seine Betriebskosten, seine Verkaufskosten usw. entfallen.

Fazit zu 1.

  • Der Honorarberater ist somit entbehrlich, denn er geht im Versicherungs- und Finanzmakler auf.
  • Die Aufsplittung der Kosten in Courtage und sonstige Kosten ist grundsätzlich entbehrlich. Maßgeblich für die Kaufentscheidung eines Kunden sollte nicht die Höhe der Courtage sein, ob es überhaupt eine gibt od. ähnliches, sondern allein das Kosten-/Nutzenverhältnis. In meinen Augen könnte es sonst dazu kommen, dass der Kunde ein Produkt allein deshalb ausschlägt, weil der Vermittler eine in seinen Augen zu hohe Courtage bekommt, obwohl genau dieses Produkt die Anforderungen und Bedürfnisse des Kunden am besten erfüllen würde (siehe z. B. im Bereich Berufsunfähigkeitsversicherung). Wie würde wohl in diesem Falle die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation inklusive Rat aussehen?

2. Wozu der jetzige Gesetzgebungsweg führen wird

Derzeit werde ich das Gefühl nicht los, dass EU und nationale Gesetzgeber ausschließlich die Rolle der Honorarberater favorisieren. Werden diese Pläne umgesetzt, so wären die Folgen dramatisch:

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  • In Sachen Beratung wird per Gesetz eine Zweiklassengesellschaft geschaffen:
    • Kunden, die sich Beratung gegen Honorar leisten können (wollen).
    • Kunden, die Beratung bitter nötig hätten, sich Selbige aber nicht leisten können (oder nicht wollen).
  • Honorarberatung gibt es nicht für „lau“. Legt man die Gebührenordnung für Rechtsanwälte zu Grunde, dann würde z. B. eine kapitalbildende LV mit einem Auszahlungsbetrag von 95.000 Euro (Gegenstandswert) mit einem Honorar (10/10 Gebühr) von 1.277 Euro zuzüglich Umsatzsteuer (insgesamt also ca. 1.519 Euro) zu Buche schlagen.
  • Fehlende Beratung führt zu sozialem Abstieg. Völlig gleichgültig, ob wegen späterer Altersarmut, Berufsunfähigkeit, Verlust des Besitzes wegen fehlender Wohngebäude- oder Hausratversicherung etc..
  • Fehlende Beratung schadet auch unschuldigen Dritten und kann ggf. zu deren sozialem Abstieg führen, so z.B. durch fehlende Privathaftpflicht des Schädigers.
  • Sozialer Abstieg muss durch die Sozialversicherungsträger bzw. sonstige staatliche Unterstützung aufgefangen werden. Siehe hier z.B. Grundsicherung. Die Kosten gehen zu Lasten aller Bürger.
  • Die Vermittlung wird sich mehr und mehr ins Internet verlagern; es erfolgt letztlich in der Masse Vermittlung ohne Beratung. Produktgeber werden die Gunst der Stunde nutzen und schlechte Produkte im Direktverkauf anbieten, welche Kunden nicht durchschauen können. Der Gesetzgeber wird mit Regulierungsversuchen dazu überfordert sein. Bestes Beispiel derzeit in dieser Sache ist Großbritannien.

Fazit zu 2.
Der derzeit eingeschlagene Weg des Gesetzgebers ist vielleicht gut gemeint, aber letztlich falsch und verbraucherfeindlich. Verbraucher sollten die Wahl haben, ob sie sich gegen Honorar oder Courtage beraten lassen möchten und sollten dies insbesondere auch von Fall zu Fall entscheiden können …

meint Ihr
Freddy Morgengrauen

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