Stärkste Kraft in Europa wird nach vorläufigen Hochrechnungen die konservative Europäische Volkspartei (EVP) mit ihrem Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker, die 28,50 Prozent der Wählerstimmen erreichte (214 Sitze). Die Sozialdemokraten folgen mit 25,17 Prozent auf dem zweiten Rang (189 Sitze), die Liberalen landen mit 8,79 Prozent auf Rang Drei. Viertstärkste Kraft wurden die Grünen (6,92 Prozent, 52 Sitze) vor den europäischen Konservativen/Reformisten (6,13 Prozent, 46 Sitze) und den Linken (5,59 Prozent, 42 Sitze).

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Umgehend beanspruchten die Konservativen den Posten des EU-Kommissionschefs für ihren Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger Politiker zeigte sich gegenüber seinen Konkurrenten gesprächsbereit. „Ich möchte mit den Sozialisten gut zusammenarbeiten“, sagte Juncker am Montag in Brüssel. „Es gibt unglaublich viele Gemeinsamkeiten zwischen den parteipolitischen Gruppierungen im Parlament“, warb der frühere Vorsitzende der Eurogruppe.

Jeder fünfte EU-Wähler stimmt für rechte Parteien

Als bedenklich werten viele Beobachter, dass rechtspopulistische und europaskeptische Parteien teils deutlich hinzugewinnen konnten. In Großbritannien erreichte die Ukip von Nigel Farage laut Hochrechnungen rund 29,5 Prozent der Stimmen – und triumphierte damit über die Volksparteien Labour (25,5 Prozent der Stimmen) und den Konservativen um Regierungschef David Cameron (24 Prozent). Farage fordert nicht nur einen Austritt Großbritanniens aus der EU, sondern sogar das Ende der gemeinsamen europäischen Politik: "Ich will nicht nur, dass Großbritannien die Europäische Union verlässt. Ich will, dass Europa die Europäische Union verlässt." Ukip schürt immer wieder nationalistische Ängste und bezeichnet sich selbst als „Armee des Volkes“. Noch vor vier Jahren hatte man sich bei der Europawahl mit 16,5 Prozent der Stimmen zufriedengeben müssen.

Auch in Frankreich konnte die rechtspopulistische Front National von Marine Le Pen alle anderen Parteien hinter sich lassen. Ein Viertel der abgegebenen Stimmen gingen auf das Konto der Rechten, während die Sozialisten um Präsident Hollande nur rund 14 Prozent erreichten. Die konservative UMP des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy wurde mit 20 Prozent Zuspruch zweitstärkste Kraft. Le Pen demonstrierte ihr neues Selbstbewusstsein in einer Siegesansprache, in der sie Neuwahlen für Frankreich forderte. Das Parlament in Paris sei nicht mehr repräsentativ für den Willen des Volkes, sagte sie. Auch rechte Töne waren wieder von Le Pen zu hören: "Unser Volk verlangt nur eine Politik: Von Franzosen, für Franzosen, mit Franzosen." Die anderen Parteien reagierten geschockt.

Einen hohen Wählerzuspruch konnten die rechten Parteien auch in Dänemark, Österreich und Finnland erreichen. Insgesamt gab fast jeder fünfte EU-Wähler einer rechtsorientierten oder populistischen Partei seine Stimme.

In Deutschland ist CDU Wahlsieger, SPD gewinnt hinzu, FDP stürzt ab

Stärkste Kraft in Deutschland wurden die Unionsparteien CDU und CSU mit 35,3 Prozent, was jedoch einen Rückgang des Wählerzuspruchs von -2,6 Prozentpunkten gegenüber 2009 bedeutet. Besonders die CSU schwächelte und zog mit ihrem Absturz von 48 auf 40 Prozent das deutschlandweite Ergebnis der Schwesternparteien nach unten.

Dem entgegen gewann die SPD 6,5 Prozentpunkte hinzu, so dass sie nun 27,3 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereint. Die Grünen fallen auf 10,7 Prozent (-1,4), die Linke erreicht 7,4 Prozent (-0,1) und die FDP stürzt auf dramatische 3,4 Prozent ab (-7,6). Weil das Verfassungsgericht die Sperrklausel von 3 Prozent gekippt hatte, zogen auch zahlreiche Kleinparteien in das EU-Parlament ein. Je einen Sitz erreichten die Piratenpartei, die Freien Wähler, Tierschutzpartei, Familienpartei, ÖDP und „Die Partei“ um Satiriker Martin Sonneborn.

Zu den Wahlsiegern zählte auch die euroskeptische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die bei der Bundestagswahl mit 4,9 Prozent noch knapp an einem Einzug ins Parlament gescheitert war. Nun konnte sie auf Anhieb 7,0 Prozent der Wählerstimmen erreichen. Durch den Erfolg der AfD sind neben Parteichef Bernd Lucke und Vize Hans-Olaf Henkel auch die Berliner Abgeordnete Beatrix von Storch, der baden-württembergische Landessprecher Bernd Kölmel, der Volkswirtschaftler Joachim Starbatty, die Bauingenieurin Ulrike Trebesius aus Schleswig-Holstein und aller Voraussicht nach auch der Rechtsanwalt Marcus Pretzell aus Nordrhein-Westfalen im neuen EU-Parlament. Die Partei war mehrfach mit populistischen Sprüchen aufgefallen. Unter anderem hatte Bernd Lucke Einwanderer als „sozialen Bodensatz“ bezeichnet.

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