„Gerade wenn Pflegebedürftigkeit plötzlich auftritt, wie beispielsweise nach einem Schlaganfall, ist der Schicksalsschlag an sich für Betroffene und ihre Angehörigen schwer genug. Sich in dieser Situation auch noch finanziell einschränken zu müssen, weil die Pflegekosten höher sind als erwartet, lässt sich durch die richtige Vorsorge vermeiden“, meint Norbert Heinen, Vorstandsvorsitzender der Württembergische Versicherung AG. Doch um den Vorsorgebedarf richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, über die möglichen Kosten informiert zu sein.

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Kosten für Pflegeheimplatz doppelt so hoch wie Zahlungen der Pflegekasse

Ein schwer Pflegebedürftiger, der rund um die Uhr Betreuung braucht und in Stufe III der Pflegeversicherung ist, erhält von der Pflegekasse maximal 1.550 Euro im Monat. Ein Platz im Pflegeheim oder professionelle Pflege zu Hause ist jedoch deutlich teurer. Inzwischen vermitteln spezielle Agenturen zwar geschulte Pflegekräfte meist aus dem osteuropäischen Ausland ab 2.400 Euro monatlich in der höchsten Pflegestufe. Jedoch gibt es hier oft Sprachbarrieren, die die Pflege für alle Seiten erschweren kann.

Häusliche Pflege von heimischem Pflegepersonal ist dagegen deutlich teurer: Betroffene müssen mit mehr als 4.000 Euro monatlich rechnen. Die Kosten für einen Pflegeheimplatz betragen rund 3.300 Euro monatlich – noch immer mehr als doppelt so viel, wie die Pflegekasse einem höchst Pflegebedürftigen zuschreibt.

Die Differenz zwischen den Zahlungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Pflegekosten muss der Betroffene Monat für Monat selbst aufbringen. Wenn seine Rente dafür nicht ausreicht, muss das Vermögen des Pflegebedürftigen herhalten. Und wenn das nicht genügt, werden die Angehörigen in die Pflicht genommen.

Kinder zahlen für Ihre Eltern – unter gewissen Voraussetzungen

Nehmen Eltern die finanzielle Unterstützung des Sozialamtes in Anspruch, sind deren volljährige Kinder verpflichtet, ihr Einkommen und ihre Vermögenswerte offen zu legen. Die Unterhaltspflicht gilt übrigens immer, wenn die Eltern auf die Unterstützung des Sozialamtes angewiesen sind – nicht nur im Fall einer Pflegebedürftigkeit. Dazu fordern die Behörden die Gehaltsabrechnungen der vergangenen zwölf Monate und den neuesten Steuerbescheid der Kinder an.

Auf welchen Betrag die Unterhaltspflicht dann festgelegt wird, hängt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ab. Laufende Kosten für Kredite, Wohnmietbeträge, Hypotheken und Versicherungsbeiträge werden zunächst vom Nettoeinkommen abgezogen. Daraus ergibt sich das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen, von dem eventuelle Unterhaltskosten für getrennt lebende Kinder und/oder den Ex-Ehepartner abgezogen werden.

Am Ende dieser Rechnung steht der sogenannte Selbstbehalt, dessen untere Grenze monatlich 1.600 Euro beträgt (Stand: Januar 2014). Hat der Unterhaltspflichtige weniger als 1.600 Euro zur Verfügung, muss er keine Zuzahlungen an das Sozialamt leisten. Ist sein Selbstbehalt höher, beträgt die Unterhaltszahlung ans Sozialamt die Hälfte der Differenz aus dem bereinigten Nettoeinkommen und dem Selbstbehalt.

Zuzahlung an das Sozialamt berechnet sich individuell aus dem Einkommen

Gibt es mehrere unterhaltspflichtige Geschwister in der Familie, werden die Kosten unter ihnen aufgeteilt – die Zuzahlungen werden dabei individuell über das Einkommen eines jeden Geschwisterteils berechnet. Verweigert ein Geschwisterteil die Zahlung an das Sozialamt, werden diese Kosten aber nicht auf die übrigen Geschwister verteilt. Anteile von zahlungspflichtigen Geschwistern müssen nicht übernommen werden.

Ein Beispiel: Angenommen, der Pflegeheimplatz einer älteren Dame mit zwei Kindern kostet in Pflegestufe III 3.300 Euro monatlich. Die Pflegekasse übernimmt davon 1.550 Euro, so werden die übrigen 1.750 Euro auf die beiden Geschwister umgelegt. Das bereinigte Nettoeinkommen der ledigen jüngeren Schwester beträgt 2.100 Euro im Monat. Weitere Abzüge gibt es bei ihr nicht, da sie keine Kinder hat und noch nie verheiratet war. Vom bereinigten Nettoeinkommen werden nun 1.600 für den Selbstbehalt abgezogen. Die Differenz dieser beiden Größen beträgt 500 Euro, die im letzten Schritt noch halbiert wird. Die Frau muss in diesem Beispiel demnach 250 Euro im Monat für den Heimplatz ihrer Mutter zuzahlen.

Das bereinigte Nettoeinkommen ihres älteren Bruders ist mit 3.300 Euro deutlich höher. Für ein uneheliches Kind bezahlt er beispielsweise 450 Euro Unterhalt im Monat, was auf sein bereinigtes Nettoeinkommen angerechnet wird. Der Selbstbehalt wird grundsätzlich herausgerechnet, so bleiben 1250 Euro. Die Hälfte davon geht an das Sozialamt, also 625 Euro jeden Monat. Da der Mann deutlich besser verdient als seine jüngere Schwester, sind die Forderungen des Sozialamtes an ihn auch entsprechend höher. Zusammen zahlen die beiden Geschwister in diesem Beispiel 875 Euro für den Heimplatz der Mutter, das Sozialamt trägt die übrigen Kosten von ebenfalls 875 Euro.

Eigene Immobilie zählt als „geldwerter Vorteil“

Unter Umständen werden sogar eigene Immobilien der Unterhaltspflichtigen herangezogen. Zwar kann das Sozialamt Angehörige nicht dazu zwingen, ein Haus zu verkaufen, zu vermieten oder zu beleihen, in dem sie selbst wohnen. Jedoch setzt es dafür einen „geldwerten Vorteil“ an, der wie ein Nebeneinkommen gewertet wird.

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Anders ist es, wenn Unterhaltspflichtige ein nicht ständig bewohntes Haus, zum Beispiel eine Ferienwohnung besitzen. In diesem Fall kann das Sozialamt verlangen, dass die Wohnung so gewinnbringend wie möglich vermietet wird. Die Einnahmen rechnet sie dann dem Selbstbehalt zu.

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