In der französischen Metropole Cannes wird nicht mit Reichtum gegeizt. Hier, wo sich im Sommer die Reichen und Schönen an den Stränden der Côte d’Azur tummeln und die Angehörigen der europäischen Königshäuser neben Hollywoodstars im Sand liegen, finden regelmäßig Ausstellungen mit edelsten Schmuckstücken statt. Ein allzu sorgloser Umgang mit teuren Klunkern wurde dem Hotel Carlton allerdings zum Verhängnis. Am 28. Juli konnte ein Räuber Juwelen im Wert von 103 Millionen Euro erbeuten. Es ist einer der spektakulärsten Schmuckraube aller Zeiten.

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Erschreckend ist jedoch, wie einfach es der Dieb hatte. Er brauchte keinen ausgefuchsten Plan, um die Diamanten des russisch-israelischen Milliardärs Lev Leviev zu erbeuten. Stattdessen betrat er die Ausstellung „Extraordinary Diamonds“ über eine Terrassentür, stopfte 72 Ausstellungsstücke in seine Tasche und floh laut Polizei „ungehindert“ über einen Seitenausgang. Als Vermummung reichten dem Täter eine Mütze und ein Schal, von seiner Schusswaffe brauchte er keinen Gebrauch zu machen. Es habe weder kugelsicheres Glas noch eine Sicherheitsschranke am Eingang gegeben, berichtete die Presse. Eine „gnadenlose Stümperei“ habe den Raub erst möglich gemacht.

Obwohl die französische Kriminalpolizei eine 15köpfige Ermittlergruppe bildete, fehlt vom Täter noch immer jede Spur. Nicht einmal ein Phantombild sei vorhanden, die Auswertung der Überwachungskameras blieb erfolglos. Nach Informationen von Spiegel Online will die Versicherung nun ein rekordverdächtiges Kopfgeld auf den Räuber ausschreiben. Eine Millionen Euro soll es für Hinweise geben, die zur Ergreifung des Täters führen. „Die Staatsanwaltschaft prüft gerade eine solche Prämie“, sagt Bernard Mascarelli von der verantwortlichen Kriminalpolizei in Nizza zu Spiegel Online. Dabei sei eine Belohnung von einem Prozent der Schadenssumme durchaus üblich.

Zwei Monate bis zur Auszahlung der Versicherungssumme

Nach Berichten französischer Medien ließ Lev Leviev seine Schmuckstücke bei der Lloyds of London versichern. Das Haus ist eine traditionsreiche Versicherungsbörse, deren Ursprünge bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Zunächst als Kaffeehaus gegründet, gingen die sich dort treffenden Geschäftsleute auch bald dazu über, gegenseitig Risiken der Schifffahrt abzusichern. Heute haften die Mitglieder in wechselnden Gruppen für Wertobjekte – häufig mit ihrem Privatvermögen.

Und die Zeit drängt. Schon nach zwei Monaten wird nach Einschätzung von Experten die Auszahlung der vollen Versicherungssumme fällig. Lloyds aber gibt sich bedeckt. Der Versicherer will sich nicht einmal dazu äußern, ob der Schmuck überhaupt bei ihnen versichert gewesen sei. „Wir können dies weder bestätigen noch dementieren“, wird Sprecher Matt Bearsley von Spiegel Online zitiert. Auch zu dem Kopfgeld könne man folglich keine Aussage treffen. Es habe aber in der Geschichte schon offizielle und inoffizielle Prämien nach Schmuckdiebstählen gegeben, ließ Beardsley wissen.

Die französische Polizei ist von der Ausschreibung eines Kopfgeldes nicht begeistert. Sie fürchtet, dass durch die Belohnung der Schwarzmarkt für Diebesgut sogar begünstigt werden könnte. „Wir wollen nicht, dass die Konzerne plötzlich Boutiquen beispielsweise in Tel Aviv anbieten, um auf diesem illegalen Wege die Stücke zurückzuerlangen“, sagt Fahnder Mascarelli.

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Zwar haben auch die französischen Ermittler Schmuckhändler in den wichtigsten Metropolen der Welt kontaktiert, um dadurch einen Hinweis auf den Dieb zu bekommen. Aber das Vorgehen gilt als wenig erfolgsversprechend. Einzigartige Exemplare wie die des Händlers Leviev werden von Profis zerlegt und umgestaltet, so dass die Ware unkenntlich gemacht wird. Da hilft es nur, sich neue und bessere Sicherheitskonzepte zu überlegen. Cannes war in diesem Jahr bereits mehrfach das Ziel von Schmuckräubern, unter anderem wurde aus dem Safe des Novotel ein millionenschweres Diamantcollier entwendet.

Spiegel Online

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