Etwas weniger Casino an den Börsen, aber mehr Geld in den öffentlichen Kassen – Dies ist das Ziel der Finanztransaktionssteuer, die Deutschland und zehn weitere EU-Staaten zum 01. Januar 2014 einführen wollten. Die massive Kritik von Banken und Lobbyorganisationen hat nun aber dazu geführt, dass die Steuer wohl deutlich später kommt – wenn überhaupt.

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Aus der Bundesregierung kam am Montag das Signal, dass das Vorhaben noch sorgfältiger geprüft werden müsse. Man wolle weiterhin an einer Finanztransaktionssteuer festhalten, sagte ein Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Die Einwände der Finanzbranche würden aber sehr ernst genommen. Es dürften keine zusätzlichen Probleme im europäischen Bankensektor geschaffen werden. Wenn auch die SPD Abstand von der Steuer nehme, werde dies „den europäischen Entscheidungsprozess entschleunigen“.

Mit der Steuer sollen Banken an den Kosten der Finanzkrise beteiligt und die Spekulation mit Aktien, Derivaten und Anleihen eingedämmt werden. Der Derivatehandel soll mit 0,01 Prozent besteuert werden, Geschäfte mit Aktien, Anleihen und Fondsanteilen mit 0,1 Prozent des Handelsvolumens. Die Abgabe sollte auch ein Stück Steuergerechtigkeit wiederherstellen: Während auf alle Produkte und Dienstleistungen eine Mehrwertsteuer entrichtet werden muss, gibt es auf den Finanzmärkten bisher keine vergleichbare Besteuerung.

Auch SPD-Finanzminister warnt vor ungewollten Nebenwirkungen

Scharfe Kritik an der Börsensteuer kam zuletzt von den Banken und Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Doch auch von unerwarteter Seite: Am Freitag hatte Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) in einem offenen Brief an Wolfgang Schäuble vor den ungewollten Nebenwirkungen gewarnt. Schmid löste damit Irritationen in seiner eigenen Partei aus, denn die SPD war ein wichtiger Impulsgeber für die Umlage. Zwar betont Schmid auf seiner Webseite, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Börsensteuer und der in der Presse vermittelte Eindruck, er würde sich dagegen aussprechen, "nicht wahr". Jedoch sei die aktuelle Fassung der EU-Kommission „Mist“ und würde vor allem Genossenschaftsbanken und Sparkassen treffen.

Nils Schmid befürchtet, dass Unternehmen ihren kurzfristigen Kreditbedarf schwerer und nur zu deutlich gestiegenen Preisen decken könnten, wenn die Steuer nach den jetzigen Plänen der EU-Kommission eingeführt wird. In seinem Brief an Schäuble heißt es wortwörtlich: "Sollte die Finanztransaktionssteuer entsprechend den bisherigen Plänen eingeführt werden, dürften sich nach ersten Abschätzungen gravierende Auswirkungen in bestimmten Marktsegmenten (Geldmärkte und Kapitalmärkte) ergeben, die in der Folge zu Engpässen für die über diese Märkte durchgeführte Liquiditätsversorgung der Kreditinstitute, aber auch der Realwirtschaft und der öffentlichen und privaten Haushalte führen würde." Deshalb müssten die Auswirkungen noch einmal überprüft werden. Der SPD-Politiker sitzt selbst in Gremien von Banken – er ist unter anderem stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Landesbank Baden-Württemberg.

Auch die EU rechnet nicht mehr damit, dass die Steuer wie geplant kommt. Eine Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta erklärte, an dem Gesetzentwurf müsse noch viel gearbeitet werden. Zwar halte man an einer Einführung noch 2014 fest, aber ein Start zum 1. Januar sei unrealistisch. Alle elf Staaten würden das Vorhaben unterstützen.

Banken hoffen auf Einknicken Schäubles nach Bundestagswahl

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits Anfang Mai zu verstehen gegeben, dass die Steuer sich verzögern werde. Sein Sprecher sagte Reuters, alle Fragen würden in Brüssel intensiv diskutiert. „Wir werden das Thema mit großer Gründlichkeit und Vorsicht behandeln.“ Am Ende müsse eine Lösung stehen, mit der alle leben können. Deshalb seien die Erträge aus der Steuer noch nicht für den Bundeshaushalt 2014 eingeplant.

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Viele Banker verfolgen aber ein anderes Kalkül: Nach Informationen von Reuters hoffen sie darauf, dass Schäuble nach der Bundestagswahl im September einknickt und komplett von einer Besteuerung Abstand nimmt. Im Wahlkampf wäre dies eine äußerst unpopuläre Entscheidung. Die Banken hatten unter anderem zu Bedenken gegeben, dass auch besicherte Geldmarktgeschäfte wie Wertpapierpensionsgeschäfte sich verteuern, obwohl sie für die Stabilität des Finanzmarktes wichtig seien. Zudem würde die Belastung von Kleinsparern gegen eine Transaktionssteuer sprechen. Der Finanzmarktkritiker Max Otte hält dieses Argument jedoch für scheinheilig. Schon die Gebühren, die Banken ihren Kunden für das Managen des Anlagebetrages abzwacken, würden um ein Vielfaches höher liegen als die Kosten der Besteuerung.

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