Aserbaidschan verfügt über große Ölvorkommen, ist aber trotzdem ein armes Land. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass sich Macht und Reichtum in der früheren Sowjetrepublik auf wenige Familien verteilen. Wer etwas in Aserbaidschan erreichen möchte, muss sich mit der Familie des Präsidenten Ilham Aliyev gutstellen. Und das bedeutet im Zweifel: Bestechungsgelder zahlen, kritische Journalisten mundtot machen, die Opposition gängeln und hohe Vermögenswerte in dunklen Kanälen verschwinden lassen.

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Wo die Familie des Präsidenten ihr Vermögen parkt, lässt sich dank eines großen Daten-Leaks nun genauer sagen. Die Töchter des Präsidenten, Arzu und Leyla Aliyeva, haben unter Decknamen mehrere Vermögensgesellschaften im Ausland gegründet, in sogenannten „Steueroasen“, wo die Diktatoren-Sprösslinge ihr teilweise ergaunertes Geld bunkern und verstecken. Die Verbindungen reichen bis nach Panama und auf die Britischen Jungferninseln. Dort sind die Präsidententöchter in schlechter Gesellschaft mit anderen Personen aus der Halbwelt – mit Waffenhändlern, Diktatoren, Steuerflüchtlingen, Kreditbetrügern.

“Schwarzes Loch der Weltwirtschaft“

Steueroasen bieten so manchem zwielichtigen Geldanleger die Möglichkeit, das eigene Vermögen so anzulegen, dass weder Fiskus noch Finanzaufsicht davon Wind bekommen. Wer sein Geld auf den Cayman- oder Jungferninseln parkt oder es im US-amerikanischen Finanzzentrum Delaware verwalten lässt, muss mitunter nicht mal die Eigentümerstruktur bekannt geben, um ein Finanzunternehmen zu gründen. Eine bloße Briefkastenadresse ist ausreichend. Da mag es kaum verwundern, dass hier auch schmutziges Kapital versteckt ist: Blut-Dollar, Bestechungsgelder und Diktatoren-Konten.

Doch eine der wichtigsten Vorraussetzungen für das Funktionieren dieser Oasen ist nun plötzlich zerstört worden: Das Vertrauen auf Stillschweigen aller Beteiligten. Eine anonyme Quelle hat bislang vertrauliche Daten besorgt und weltweit den Medien zur Verfügung gestellt. Sie geben einen Einblick, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle diverse Briefkastenfirmen und sogenannte „Trusts“ nutzen, um Vermögen zu verstecken und dubiose Geschäfte zu verschleiern. Das Ausmaß der Daten ist riesig. 130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern werden in den Unterlagen aufgelistet. Ein Insider spricht von dem „bislang größten Schlag gegen das schwarze Loch der Weltwirtschaft“.

In Deutschland sind es die Süddeutsche Zeitung und der Norddeutsche Rundfunk, die in den Besitz der Daten gelangten und die Fakten in einer Serie namens „Offshore Leaks“ der Öffentlichkeit präsentieren wollen. Es ist ein gewagtes Unterfangen. 15 Monate nahm die Überprüfung der Daten bisher in Anspruch, die Sachverhalte sind kompliziert und schwer zu erklären. Allein die Verstrickung des prominentesten deutschen Vertreters, des 2011 verstorbenen Millionenerben und Playboys Gunter Sachs, beansprucht in der heutigen Printausgabe der Süddeutschen eine Doppelseite. Und die Auswertung ist noch lange nicht abgeschlossen: Ein Datenhaufen von gewaltigen 260 Gigabyte muss gesichtet werden. Dies entspricht etwa 500.000 Ausgaben der Bibel. Insgesamt sind an den Mammut-Projekt 86 Journalisten aus 46 Ländern beteiligt, unter anderem die BBC, der Guardian, Le Monde und die Washington Post.

Behörden werden Ermittlungen einleiten

Aber der Kampf durch die Datenberge ist eine Arbeit, die sich lohnt, nicht nur für die Presse. „Diese Ermittlungen lüften den Schleier des Offshore-Systems und offenbaren die geheime Welt der Steueroasen“, erklärte Gerard Ryle, der Direktor des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), das die weltweite Auswertung der Daten steuert. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Veröffentlichungen für alle Betroffenen Konsequenzen haben könnten. Auf den Philippinen haben die Behörden bereits angekündigt, Ermittlungen gegen die älteste Tochter des früheren Diktators Ferdinand Marcos einzuleiten. Ihr wird vorgeworfen, Milliardengelder aus Zeiten der früheren Militärdiktatur auf den britischen Jungferninseln zu verstecken. Auch in anderen Staaten wird damit gerechnet, dass Behörden Ermittlungsverfahren anstrengen werden. Der Fiskus darf sogar auf lukrative Steuernachzahlungen hoffen. Nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network gehen den Staatskassen weltweit 280 Milliarden Euro verloren, weil Anleger ihr Vermögen in Steueroasen unterbringen.

Darüber hinaus sollen die Veröffentlichungen helfen, das Funktionieren der teilweise illegalen Netzwerke offenzulegen und möglicherweise sogar zu zerschlagen. Dahinter stecke „eine gutbezahlte Industrie aus Strohmännern, Buchhaltern, Notaren und Banken“, berichtet das ICIJ. Verwickelt seien auch „viele der größten Finanzinstitute der Welt“, darunter die Deutsche Bank, die UBS oder Credit Suisse. Die Geldhäuser sollen ihren Kunden Zugang zu Schattenfirmen in Steueroasen verschafft haben. Die Dokumente umfassen einen Zeitraum von fast 30 Jahren und enthüllen Geldtransfers, Gründungstermine von Briefkastenfirmen sowie Verbindungen zwischen Privatpersonen und Finanzkonzernen.

Deutsche Playboys, Russische Oligarchen: Wer schafft sein Geld in Offshore-Zentren?

Obwohl bei Weitem nicht jedes Unternehmen und jede Privatperson der Halbwelt zuzuordnen sind, wenn sie ihr Geld in Offshore-Zentren parken, zeigt ein Blick auf die nun veröffentlichten Fakten doch die kriminelle Energie mancher Geldanleger. Auf der Liste befinden sich Begleitpersonen langjähriger Despoten wie etwa Muller Conrad Rautenbach, ein Diamantenhändler und Vertrauter des simbabwischen Autokraten Robert Mugabe. Oder die Firma Delten Holdings, die ein weltweites Schneeballsystem etablierte und damit tausende Sparer um ihr Geld brachte. Auch die Gaunerei des Jahrhundertbetrügers Bernard Madoff, der Anleger um insgesamt 50 Milliarden Dollar erleichterte, nahm seinen Anfang mit Scheinfirmen in Steueroasen. Waffenhändler, russische Oligarchen und Finanziers des iranischen Atomprogramms ergänzen die Liste. Hier einige Beispiele:

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  • Laut Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der Playboy und Kunstsammler Gunter Sachs bis zu seinem Tod ein kompliziertes Firmenkonstrukt unterhalten, mit dem er Gelder am Finanzamt vorbeischmuggelte. Zu diesem Zweck gründete er unter anderem Briefkastenfirmen auf Südsee-Inseln und in Luxemburg. Bis zu 30 Mitarbeiter sollen mit der Verwaltung seines Vermögens beauftragt gewesen sein, darunter auch Anwälte von Lenz & Staehelin sowie eine Firma namens Galaxar, deren Geschäftsführer der deutsche Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Wolfgang Reinicke war. Doch Gunter Sachs ist kein Einzelfall: Aus Deutschland stammen Hunderte Kunden und Inhaber dubioser Scheinfirmen, berichtet die Süddeutsche.

  • Griechische Steuerflüchtlinge betreiben nach Angaben des ICIJ insgesamt 107 Offshore-Firmen auf den britischen Jungferninseln. Aber nur vier dieser Unternehmen seien den griechischen Steuerbehörden bekannt. Die Besitzer kämen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Sie hätten ihren Wohnsitz sowohl in der Landeshauptstadt Athen als auch in den armen Dörfern des Nordens.

  • Auf der Liste mit Steuerflüchtlingen findet sich viel russische Prominenz, darunter die Ehefrau des Vize-Ministerpräsidenten Igor Schuwalow sowie zwei führende Manager des staatlichen Energiegiganten Gazprom. Auch der russische Multimilliardär Michail Friedman soll beste Verbindungen auf die Jungferninseln unterhalten – seine Offshore-Firmen betreut unter anderem Franz Wolf, der Sohn des früheren DDR-Spionagechefs Michael Wolf.

  • Unter den fast 4.000 gebürtigen US-Amerikanern auf der Liste ist die Komponistin Denise Rich, die unter anderem Hits für Celine Dion, Patti LaBelle und Diana Ross schrieb. Im Jahr 2006 soll sie 144 Millionen Dollar in einem Trust auf den Cook-Inseln versteckt haben. Ihr Mann, der Hedgefonds-Manager Marc Rich, war in den USA wegen Steuerhinterziehung angeklagt, ist aber später von Präsident Bill Clinton begnadigt worden.

Offshore-Leaks wird die Welt vielleicht noch lange beschäftigen!

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