Ende Januar war erneut die Staatsanwaltschaft Dresden beim Internet-Unternehmen Unister einmarschiert und hatte weiteres beweissicherndes Material beschlagnahmt. Der neue Vorwurf ist Irreführung bei den Preisen auf den Portalen ab-in-den-urlaub.de und fluege.de sowie ein illegaler Adressverkauf. Zuvor war eine Razzia im Dezember durchgeführt worden, hier wurde dem Unternehmen Steuerhinterziehung und Mogelei bei einem Stornoservice vorgeworfen.

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In beiden Fällen stellt sich die Frage, warum die Staatsanwaltschaft Sachsen zusammen mit der Antikorruptionseinheit INES so medienwirksam gegen das Unternehmen vorgeht. So kritisierte die FAZ in einem Kommentar, das Vorpreschen mit rund 130 Beamten sei "unverhältnismäßig" gewesen (Artikel vom 5.1.2013). Im Dezember wurden sogar mehrere Vorstände in Untersuchungshaft genommen. Einer der Manager wurde sogar über die Weihnachtszeit festgehalten und erst am 27.12. wieder entlassen.

BaFin hielt Bescheid zurück

Bestätigt wird das auch vom Leipziger Juraprofessor Marc Desens. Er beurteilt die Razzia gegenüber der LVZ (Artikel vom 2.2.2013) im Dezember als "äußerst bedenklich". Er zeigt auch Verständnis für das Handeln von Unister und begründet das mit den Worten: "Man hat immer das Recht, die juristische Auffassung zu vertreten, die für einen günstiger ist". Wie die Staatsanwaltschaft Dresden jetzt bestätigte gab es sogar Absprachen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Dabei hatte die BaFin auf Drängen der Staatsanwaltschaft einen Bescheid zur Beurteilung des strittigen Stornoservice zurückgehalten. Der Pressesprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, Wolfgang Klein, begründet das Vorgehen gegenüber der LVZ: "Die Ermittlungen wären sonst gefährdet gewesen".

Unister behauptet: Verträge wurden gestohlen

Am Samstag gab Firmensprecher Dr. Konstantin Korosides in einem umfangreichen Seite-Eins-Artikel in der Wochenendausgabe der Leipziger Volkszeitung (LVZ) (Artikel 2.2.2013) bekannt: „Unsere Juristen haben Hinweise aus glaubhaften Quellen, dass ein Leipziger Anwalt sogar von Wettbewerbern mandatiert sei, alles zu tun, um das Image von Unister zu beschädigen“. Unister geht davon aus, dass der Anwalt die Staatsanwaltschaft mit gestohlen Verträgen versorgt hat, und so überhaupt die Ermittlungen ermöglicht hat. Die LVZ stellte daraufhin in ihrem Artikel Vermutungen an, dass der Jurist Peter Hense damit gemeint sein könnte. Peter Hense ist ein ehemaliger Mitarbeiter von Unister und ist zur Zeit auch einer der Hauptzeugen bei den Aktuellen Beschuldigungen gegen Unister. Peter Hense stritt jedoch gegenüber der LVZ ab, das er der Anwalt sei, den Unister im Zitat meint. Er bestätigte jedoch, dass er seit April 2012 verschiedene Mandate zu Rechtsstreitigkeiten gegen Unister besitze. Die Streitwerte sollen erheblich sein und Verstöße beim Wettbewerbsrecht , bei Marken- und Domainrechten und Datenschutzrechten verfolgen.

Spekulationen: Wer erstattete die anonyme Anzeige?

Der Razzia im Dezember war eine anonyme Anzeige vorausgegangen. Dort muss die Anitkurruptionseinheit INES darauf hingewiesen worden sein, dass Unister auf den eigenen Reiseportalen einen Stornoservice anbietet, der eigentlich als Versicherung eingestuft werden sollte. Und tatsächlich lag bis dahin Unister im Streit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese hatte schon 2011 ein Angebot der Unister als Versicherung eingestuft. Unister nahm das Produkt damals aus seinem Angebot, scheinbar war damals der Fall damit erledigt. Da gab es auch keine Forderungen wegen einer nichtgezahlten Versicherungssteuer, die dort ja auch im Nachhinein fällig gewesen wäre. Unister änderte nach eigen Angaben das Produkt und stellt es später erneut als Zusatzdienstleistung in seinen Portalen ein. Die BaFin legte hier im Dezember erneut fest, dass auch das geänderte Produkt ein Versicherungsprodukt sei.

Die große Frage bleibt, wer war der anonyme Anrufer? Branchenkenner spekulieren, dahinter könne ein Wettbewerber stecken, der sich durch die Vorgehensweise von Unister benachteiligt sieht. In gewisser Weise ist das Handeln von Unister auch leichtsinnig, war doch bereits deutlich geworden, das der angebotene Reiseservice strittig ist. Somit ist auch klar, dass Konkurrenten hier vorsichtiger agieren und sich durch das Handeln von Unister bedroht fühlen. In solchen Fällen ist es üblich, Behörden auf mögliche Verstöße hinzuweisen.

Auseinandersetzung zwischen Unister und VIR

Bereits seit längerer Zeit bestehen Konflikte zwischen Unister und dem Verband Internet Reisevertrieb e.V. und dessen Vorstand Michael Buller. Der Verband vertritt die Interessen von einigen deutschen Reiseportalen und unter den Mitgliedern sind nach eigenen Angaben sechs größere Reiseportale gelistet: ebookers.de, holidaycheck.de, expedia.de, lastminute.de, opodo.de und weg.de. Der Verband hat den eigenen Mitgliedern einen Verhaltenscodex auferlegt. Unister auch einst Mitglied des Verbandes wollte sich scheinbar diesem Codex nicht unterwerfen, zumindest trat Unister Ende 2010 aus dem Verband aus. Auffallend ist, dass der Verband eine einseitige und tendenziöse Stimmung gegen Unister macht und dies mit offiziellen Pressemitteilungen verbreitet, was für Verbände eher unüblich ist.

Michael Buller kommentierte den Austritt damals folgendermassen: "Es liegt uns viel daran, dass unter dem Dach des VIR die Brancheninteressen geschlossen nach außen hin vertreten werden. Daher ist es auch nachvollziehbar, dass sich Mitglieder vom Verband lösen, wenn sie sich mit den Zielen des Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) nicht mehr identifizieren können."

Mittlerweile weht ein scharfer Wind zwischen dem Verband und Unister. Erst im Oktober 2012 wurde in Erlass auf eine einstweilige Verfügung gegen den VIR-Vorstand Michael Buller vom Landgericht Leipzig zurückgewiesen. Dieser hatte in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 3.September 2012 die Geschäftspraktiken von Unister scharf kritisiert. Gegenstand war ein Kommentar zum Austritt von Unister aus dem Verband, der von Buller mit den Worten "wieder und wieder auffällig geworden mit Dingen, die wir verurteilen .. “ begleitet wurde.

Auffällig war auch Streit zwischen dem Pressesprecher von Unister, Dr. Konstantin Korrosides und dem VIR-Vorstand Michael Buller. Buller hatte indirekt Korosides unterstellt, über das Portal kriegsberichterstattung.com kräftig Stimmung gegen ihn und den Verband zu machen. Unister selbst disanzierte sich daraufhin von dem Portal Kriegsberichterstattung. com, siehe auch WUV-Artikel. In einem Kommentar auf Kriegsberichterstattung.com verabschiedete sich Michael Buller auch mit den Worten "... aber lassen sie sich gesagt sein wir lassen uns nicht einschüchtern da wir aus anderem Holz gestrickt sind als sie offensichtlich immer noch glauben... Jetzt wünsche ich Ihnen noch einen schönen Sonntag den werden sie sicherlich für nächste Woche brauchen.". Bemerkenswert ist die zeitliche Abfolge, denn dem Streit folgte eine Pressemeldung: "Unister erwartet massive Angriffe durch Wettbewerber". Mehr geschah in der Woche nicht, aber dafür folgte eine neue Razzia Ende Januar.

Michael Buller: Perspektive der Verbraucher nicht vernachlässigen

In einer Pressemitteilung weist der VIR zudem noch einmal darauf hin, dass die Perspektive der Verbraucher nicht vernachlässigt werden dürfe. „Ich erwarte auch von der Politik, dass sie endlich ihre Scheuklappen abnimmt, und das Unternehmen Unister einzig aus Sicht des Verbrauchers betrachtet“, so die Forderung von Michael Buller. „Die Politik sollte die Einhaltung von Gesetzen durchsetzen, die sie selbst aus gutem Grund geschaffen hat.“ Das Argument von MdB Bettina Kudla (CDU) (Artikel vom 8.1.2013), dass „das vor zehn Jahren gegründete Unternehmen mit den üblichen Herausforderungen eines extrem stark wachsenden Unternehmens umzugehen hat“, bezeichnet der VIR-Vorstand hingegen als „verantwortungslos“. Michael Buller: „Es gibt keine rechtliche Schonfrist für Unternehmen, die rasant expandieren. Sie alle haben geltendes Recht einzuhalten, und dürfen der Industrie, in der sie sich bewegen, keinen Schaden zufügen. Zahlreiche andere Firmen, die ebenfalls rasche Wachstumsprozesse durchlaufen, demonstrieren eindrucksvoll, dass dies auch trotz eines Expansionskurses möglich ist. Und die Einhaltung der rechtlichen Spielregeln ist auch kein Hindernis für den Erhalt von Arbeitsplätzen.“

Man darf der Staatsanwaltschaft natürlich nicht vorwerfen, dass Sie mit der Konkurrenz gemeinsame Sache macht - hier wird nur auf Anzeigen reagiert. Spekuliert wird in Leipzig aber auch, woher die Staatsanwaltschaft die Kenntnis über einen vermeintlichen Algorithmus hat, mit dem Unister die Altpreise einfach erfunden haben soll. Das Argument: So etwas finden eigentlich nur Eingeweihte wie z.B. ehemalige Mitarbeiter, insbesondere Programmierer. Es bleibt daher spannend im Falle Unister, und langsam gibt das auch den Stoff für einen echten Wirtschaftskrimi.

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