Der Mann, der da im Landgericht Heidelberg auf der Anklagebank Platz genommen hat, bringt kaum ein Wort hervor. Die Stimme ist brüchig, und alles, was er sagt, wird von einem Schluchzen begleitet. „Es blieb nur das Sterben miteinander“, sagt der 85jährige Angeklagte. „Als sie eingeschlafen war, habe ich sie dann umgebracht.“

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Gestern wurde am Landgericht Heidelberg ein Totschlags-Prozess in einem Fall eröffnet, der bundesweit für Entsetzen sorgte. Am 16. September 2012 tötete ein Rentner seine demenzkranke Frau in der gemeinsamen Hoffenheimer Wohnung mit zwei Schüssen in den Kopf. Im Anschluss an die Tat versuchte er dann, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Und auch im Gerichtssaal war zu spüren, dass dieser Fall allen Beteiligten an Herz und Nieren geht. Zwischenzeitlich musste Richter Edgar Gramlich die Sitzung unterbrechen.

„Ich war mit meiner Frau sehr glücklich. Sie war meine Jugendliebe“, schildert der Angeklagte die Beziehung. 58 Jahre habe man glücklich zusammen gelebt, eine Tochter geboren, ein Haus gebaut. Doch im Jahr 2005 diagnostizierte ein Arzt bei der Frau Demenz, und damit begann für beide ein langer Leidensweg. Die Ehefrau habe geistig und körperlich immer mehr abgebaut, sie sei nachts ruhelos im Haus umher geirrt, habe sich auf dem Weg zur Toilette verlaufen. Für den Ehemann, der selbst schwere gesundheitliche Probleme hatte, wurde die Pflege immer mehr zur Tortur.

Erschwerend kam hinzu, dass die Gattin jede Hilfe von Außen ablehnte. Weder wollte sie in ein Pflegeheim gehen, noch die Unterstützung eines Pflegedienstes in Anspruch nehmen. Auch die Tochter des Angeklagten bestätigte, dass sich die Kranke gegen professionelle Unterstützung gewehrt habe. „Hilf mir! Bleib bei mir“, soll die Demenzkranke 100 Millionen Mal zu ihrem Gatten gesagt haben. Auch sei die Frau mit der Zeit immer aggressiver geworden, habe sich nicht anziehen lassen, die Essensaufnahme verweigert. „Eigenwillig und eigenartig“ sei sie geworden, habe sich benommen wie ein kleines Kind.

Als der Rentner keinen Ausweg mehr sah, reifte ihn ihm jener Plan, den Oberstaatsanwalt Manfred Rother als „erweiterten Suizid“ bezeichnete. Er tat seiner Frau Schlaftropfen in den Tee und erschoss sie mit zwei Schüssen in den Kopf, nachdem sie eingeschlafen war. Anschließend wollte er sich selbst umbringen, aber die Waffe habe gestreikt. Der Rentner schnitt sich die Pulsadern auf, wurde aber nach einem Notruf an die Tochter gerettet. Seit seiner Verhaftung lebt der gebrechliche Rentner im Vollzugskrankenhaus.

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Auf die Frage, woher er die Waffe habe, sagte der Angeklagte, er habe sie im Urlaub im Bayrischen Wald unter einem Blätterhaufen gefunden. Die Verteidigung plädiert für ein mildes Urteil. „Er hat getötet, ohne Mörder zu sein“, sagte Staatsanwalt Jörg Dinkel im Gespräch mit dem SWR. Heute wird der Prozess in Heidelberg fortgesetzt.

Landgericht Heidelberg / SWR

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