Rentenschock! Stell dir vor, es ist Rente – aber keiner kriegt Geld. Mit dieser These wurden 2012 die Schlagzeilen gefüttert, mit denen Zeitungen, Spekulanten, Immobilienmakler, Goldhändler und die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten gutes Geld verdienten. „Renten-Schock!“, titelte die Bild am Sonntag. „Renten-Schock!“, titelte der Stern. „Renten-Schock!“ titelte die Bild-Zeitung. „Renten-Schock!“, titelte der Spiegel. „Renten-Schock!“, titelte das Bayrische Fernsehen. „Renten-Schock!“, titelte Die Welt. „Renten-Schock!“, titelte die Deutsche Welle. Und ja: „Renten-Schock!“ titelte auch Versicherungsbote.

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Doch was war passiert, dass statt eines Ruckes die große Schockstarre durch die Medienlandschaft ging? Die Ursula war es mal wieder. Ursula von der Leyen, die 4fache Mutter der Nation, hatte im Spätsommer des Jahres nachgerechnet und kam zu dem Schluss, dass es nicht gut aussieht für die Rente vieler Menschen. Selbst wer 35 Jahre Vollzeit gearbeitet hat und 2.500 Euro brutto im Monat verdiente, so errechnete die Bundesarbeitsministerin, bekommt im Jahr 2030 nur noch 688 Euro Rente ausgezahlt. Zum Leben ist das zu wenig, zum Sterben nicht genug. Es sind es also nicht nur Geringverdiener, denen Altersarmut droht. Auch die Mittelschicht könnte im Alter unter finanziellen Mangelerscheinungen leiden. Rentenschock!

Doch Ursula von der Leyen hatte eine Idee, wie man die Altersarmut bekämpfen könnte. Die Geringverdiener, die nicht genug zum Leben verdienen, sollen einfach das Geld, das sie nicht haben, in einen Riester-Vertrag stecken. Dann bekommen sie im Alter ihre Rente aufgestockt, auf immerhin 850 Euro monatlich. „Zuschussrente“ nannte sich dieses Modell, das innerhalb kürzester Zeit von allen Seiten angegriffen wurde: Der FDP war die Aufstockung zu teuer. Den Sozialverbänden nicht sozial genug. Den Arbeitgebern wiederum zu wenig arbeitgebernah. Die Sparer interessierten sich nicht dafür. Die Medien schimpften ebenfalls. Und schon bald war das Modell der Zuschussrente wieder vom Tisch. Ein Glück, dass der Konkurrent im Kampf um das Kanzleramt auch keine bessere Idee hatte. Die Sozialdemokraten wollen die Rente mit Hilfe der betrieblichen Altersvorsorge aufstocken – in Zeiten zunehmender prekärer Beschäftigung für viele Menschen keine Lösung.

Wer hat nun Schuld am Rentenschock? Da wollen wir Ursula in Schutz nehmen. Wären die anderen Bundesbürger ähnlich fortpflanzungsfreudig wie die Bundesarbeitsministerin und ihre Familie – keiner müsste womöglich um seine Rente fürchten. Aber der Klapperstorch ist ein seltener Gast im Lande, die Gesellschaft altert, und das Missverhältnis zwischen jungen und junggebliebenen Deutschen schwebt wie ein rostiges Damoklesschwert über den Sozialkassen. Deshalb ist der „Renten-Schock“ zugleich ein „Demografie-Schock“, ist ein „Pflege-Schock“ und auch ein „Demenz-Schock“.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Sozialwissenschaftler Gerd Bosbach Recht behält. „Warum wir positiv in die Zukunft blicken können“, überschreibt er einen Kommentar für die Süddeutsche Zeitung und verweist darauf, dass die Alterung der Gesellschaft ein altbekanntes Phänomen ist – allerdings, ohne bisher allzu negative Auswirkungen gehabt zu haben. Allein im letzten Jahrhundert reduzierte sich der Jugendanteil an der Gesamtbevölkerung von 44 auf 21 Prozent, die Lebenserwartung stieg zugleich um stolze 30 Jahre. Doch noch immer können viele Menschen auf eine auskömmliche Rente hoffen, denn der technische Fortschritt und die damit verbundene Produktivitätssteigerung fing die Alterung auf. Möge es so bleiben – trotz des medialen „Rentenschock“- Dauerfeuers!

Die erste Frage zum Weihnachts-Gewinnspiel lautet: Wie heißt die Ministerin, die das Konzept der Zuschuss-Rente vorstellte?

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