Freilich müssen sich die Finanzdienstleister darauf einstellen, dass die wachsende Bevölkerungsgruppe der Silver Ager oft besonders anspruchsvoll und erfahren ist und vor allem eine ihrem Lebensgefühl und ihren Bedürfnissen adäquate Produktwelt, Ansprache und Beratung erwartet. Letzteres wird – so das Urteil der Zielgruppe – bisher aber oft noch nicht geleistet. Noch dominieren undifferenzierte, rein klassische oder auch „altmachende“ Produkt- und Ansprache-Konzepte, die als wenig bedarfsnah und oder unpassend erlebt werden. Zugleich gilt es zu beachten, dass sich die berufstätige 50plus- Generation in verschiedene „Finanztypen“ differenziert, die sich in ihrem Verhalten hinsichtlich Finanzen, Vorsorge und Versicherung sowie in ihren Erwartungen und Wünschen an eine zielgruppengerechte Produktgestaltung und Beratung teils deutlich voneinander unterscheiden. „Souveräne“, „Ängstlich- Delegierende“ und „Uninteressierte“ Silver Ager sollten daher nicht mit der Gießkanne angesprochen und beraten werden.

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Dies zeigt die aktuelle Studie „Zielgruppen-Insights: Silver Ager – Finanzverhalten Berufstätige 50plus“ aus der Studienreihe „Zielgruppen für Finanzdienstleister“ des Marktforschungsinstituts HEUTE UND MORGEN aus Köln. 200 berufstätige Silver Ager im Alter zwischen 50 und 65 Jahren wurden im August 2012 ausführlich zu ihren Erwartungen und Wünschen an die Finanzdienstleister sowie zu ihren Anlage-, Finanzierungs- und Versicherungsbedarfen befragt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte repräsentativ nach Alter, Geschlecht, Einkommen und Immobilienbesitz. Ergänzend wurden zwei vertiefende qualitative Gruppendiskussionen durchgeführt, in denen auch innovative Produkt- und Vertriebskonzepte getestet wurden. Parallel wurde zudem die Zielgruppe der „Golden Ager“ untersucht (Vorruheständler und Ruheständler 55 bis 75 Jahre).

Finanztypologie der Silver Ager

Die Zielgruppe der berufstätigen Silver Ager lässt sich trennscharf in die drei Finanztypen „Souveräne“, „Ängstliche Delegierer“ und „Uninteressierte“ einteilen:
Die „Souveränen“ (42%) machen demnach den größten Anteil der Silver Ager aus und sind zugleich der kapitalstärkste Typus. Sie setzen sich intensiv mit persönlichen Finanz-, Vorsorge- und Versicherungsfragen auseinander, werden regelmäßig um Rat gefragt und bescheinigen sich auch selbst eine hohe Kompetenz. Im Durchschnitt verfügen Souveräne über drei bis vier Geldanlagen, darunter am häufigsten die selbst genutzte Immobilie. Vorhandenes Kapital will hier auch zukünftig sinnvoll angelegt werden: fast jeder zweite Souveräne (45%) erhält noch vor dem bzw. zum Eintritt in den Ruhestand eine größere Auszahlung und will diese mehrheitlich wieder anlegen.

Gut ein Drittel der Silver Ager lassen sich dem Finanztyp „Ängstliche Delegierer“ zuordnen (36%). Sie beschäftigen sich nur ungern proaktiv mit Finanzthemen und verlassen sich lieber ganz auf ihren Berater (96%). Obwohl die Delegierer grundsätzlich glauben, gut für den Ruhestand vorgesorgt zu haben, hat jeder zweite Angst, dass die Absicherung im Alter doch nicht ausreichen könnte. Zum Teil ist diese Angst nicht ganz unbegründet: unter den Delegierern gibt es den höchsten Anteil derer, die aktuell über keine nennenswerte Geldanlage bzw. private Altersvorsorge verfügen (17%).

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Das kleinste und für beratungsorientierte Anbieter zunächst am wenigsten attraktiv erscheinende Segment der Silver Ager stellen „Uninteressierte“ (22%) dar. Dieser Typus beschäftigt sich kaum mit den Themen Finanzen und Versicherungen, sorgt bisher am wenigsten für den Ruhestand vor und ist insgesamt wenig beratungsaffin. Zudem sind Uninteressierte besonders preissensibel; im Falle von Versicherungen wird beispielsweise mehrheitlich stets die günstigste Variante herausgesucht. Für die nächsten zwei Jahre planen lediglich elf Prozent den Abschluss einer weiteren Geldanlage/Altersvorsorge.

Insgesamt unterstützt die Finanztypologie der Silver Ager bei der Segmentierung des eigenen Kundenbestandes und insbesondere bei der Entwicklung passender Ansprache- und Betreuungskonzepte. Dabei gilt übergreifend: der Anstoß zu Versicherungen und Geldanlagen kommt bei vielen Silver Agern direkt vom eigenen Berater bzw. Vertreter und ist zumeist auch erwünscht. Daher sollten diese noch stärker für die Lebenswelt und die speziellen Bedürfnisse der Zielgruppe – wie Wiederanlage, kürzere Laufzeiten, Produktflexibilität, Kapitalerhalt und Sicherheit – sensibilisiert werden.

Umdenken gegenüber der Zielgruppe erforderlich

„Produktgeber wie Berater sollten ihren Angebotsfokus und die nachfolgende Ansprache der Zielgruppe Silver Ager auf den Prüfstand stellen und wo erforderlich anpassen, auffrischen und mit bedarfsgerechten Innovationen erweitern“, sagt Tanja Höllger, Geschäftsführerin bei der HEUTE UND MORGEN GmbH aus Köln. „Stärkere Bewerbung flexibler Sofortrenten gegenüber klassischen privaten Rentenversicherungen, Serviceangebote zu Gesundheitsthemen (wie z.B. Beratung zur Patientenverfügung), Informationsabende zu Anlage- und Vorsorgethemen sowie die Verjüngung der Bildsprache in der Werbung sind hier nur einige Ansatzpunkte, um näher an die Zielgruppe heranzurücken.“

Denn die berufstätige Generation 50plus ist alles andere als primär mit dem Älterwerden und der Vorbereitung auf einen ruhigen Lebensabend beschäftigt. Sie fühlen sich jünger als sie sind, stehen aktiv im Leben und wollen auch in finanziellen Dingen Flexibilität mit Sicherheit vereinbaren. Auch auf die Finanzierung und Absicherung der Kinder zielende Angebote sind – zumal in Zeiten zunehmend später Elternschaft – in dieser Zielgruppe noch relevant: immerhin 29 Prozent der bis 60-jährigen Silver Ager finanzieren derzeit noch maßgeblich den Unterhalt zumindest eines Kindes.

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Im Ganzen sollte die eigenständige Zielgruppe der berufstätigen „Silver Ager“ von Finanzdienstleistern nicht mit der vorausgehenden Kohorte der „Golden Ager“ und auch nicht mit der nachfolgenden jüngeren Generation der 30-50-Jährigen vermischt werden. Merke: Zwischen den Stereotypen von „Jugendwahn“ und „Altenteil“ existiert – auch in Finanz- und Versicherungsfragen – noch eine hochattraktive Lebenswelt.

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