Am Ende schien es nur Gewinner zu geben. „Da haben wir doch was geleistet für die Demokratie“, sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi in der ARD, nachdem die Richter ihr Urteil gesprochen hatten. Eigentlich hatte die Fraktion Die Linke sich an der Klage gegen den Euro-Rettungsschirm beteiligt. Doch auch die Befürworter des ESM zeigten sich erleichtert angesichts des Richterspruches, die Märkte reagierten euphorisch. Der Dax kletterte unmittelbar nach der Entscheidung auf ein Tageshoch von 7.410 Punkten. Die wichtigste Nachricht des Tages ist: Das Bundesverfassungsgericht hat die Mitwirkung Deutschlands am Euro-Rettungsschirm gebilligt. Unter Vorbehalten.

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Der wortführende Richter Andreas Voßkuhle nannte in seinem Urteilsspruch zwei Bedingungen, die eine Unterzeichnung des Gesetzes zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erlauben:

  • Zum einen müsse sichergestellt sein, dass die Haftungsgrenze Deutschlands von derzeit 190 Milliarden Euro nur mit Zustimmung des deutschen Vertreters in den ESM-Gremien geändert werden könne. Dies bedeutet konkret: Ohne den Bundestag darf nicht mehr Geld für die Eurorettung in die Hand genommen werden.

  • Zum anderen müssen die Vertreter von Bundestag und Bundesrat ausreichend über die Maßnahmen des Rettungsfonds unterrichtet werden – unabhängig der Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen.

Voßkuhle wies darauf hin, dass die Entscheidung zum Rettungsschirm nur vorläufig sei. Eine Hauptverhandlung werde zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Mit der grundsätzlichen Zustimmung kann der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM nun aber in Kraft treten. Er verfügt derzeit über ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Doch wegen der Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht war Deutschland das einzige Euro-Land, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hatte. Nach dem Spruch der Richter steht es Bundespräsident Joachim Gauck nun frei, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen.

Debatte im Bundestag folgt

Die Verfassungsrichter mussten über Eilanträge gegen die am 29. Juni vom Bundestag beschlossene Zustimmung zum Eurorettungsschirm und dem Fiskalpakt entscheiden, der den Eurostaaten eine strenge Haushaltsdisziplin aufbürdet. Kritiker hatten geklagt, dass damit das finanzielle Hoheitsrecht der Parlamente von Bund und Ländern verletzt sei. Auch seien die eingegangenen Haftungsrisiken für den deutschen Steuerzahler nicht verantwortbar. Unter anderem sieht der ESM eine zeitlich unbegrenzte Haftungsdauer vor.

An der Klage beteiligt hatten sich der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, die Fraktion Linke im Bundestag sowie rund 37.000 Bürger des Vereins Mehr Demokratie, der von der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertreten wurde.

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Dass die Zustimmung zum Rettungsschirm für das Bundesverfassungsgericht keine leichte Entscheidung war, machte ein Versprecher des wortführenden Richters Andreas Voßkuhle deutlich. "Die Anträge der Gegner sind überwiegend begründet," sagte Voßkuhle zunächst fälschlicherweise. "Unbegründet", schob der Präsident schnell hinterher und erklärte: "Sie sehen, es war eine intensive Diskussion." Der Urteilsspruch war für den Vormittag erwartet worden. Es schließt sich eine Generaldebatte des Bundestages an, bei der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen wird.

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