Die aktuell veröffentlichten Untersuchungen der Verbraucherzentralen sorgen leider nicht für Klarheit, meint Gerd Güssler, ausgewiesener Branchenexperte und Geschäftsführer von KVpro.de. Bei genauerer Betrachtung der Untersuchung würden sich methodische Schwächen zeigen: „Die Beitragsexplosion nur mit Prozentangaben zu begründen, ohne konkret zu hinterfragen, welche Leistungen jeweils im Tarif enthalten sind („von was wie viel“) sowie die Steigerungen nicht in Euro zu vergleichen, ist medienwirksam, jedoch in der Sache ohne Substanz“, so Gerd Güssler.

Verwirrung statt Klarheit

Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist: 60 Prozent Beitragsanpassung von was? Von welchem Euro-Betrag? Bei einer Beitragsanpassung (BAP) von 60 Prozent kann nur ein sehr, sehr niedriger monatlicher Tarifbeitrag, i.d.R. ein sogenannter Billigtarif, also ein billiger Einsteigertarif zu Grunde liegen. Auch eine BAP von 26 Prozent bei der Central oder Gothaer, wie exemplarisch in der Untersuchung und in der Öffentlichkeit genannt, muss mit dem echten Beitrag in Euro im Vergleich zur GKV relativiert werden. 26 Prozent von 200 Euro Beitrag oder 26 Prozent von 400 Euro Beitrag macht einen großen Unterschied. Wie hoch ist die BAP also in absoluten Euro?

Die von Steuergeldern finanzierten Verbraucherzentralen sollten im Sinne einer Versachlichung der Diskussion nicht nur einseitig die PKV kritisieren, sondern beide Systeme – also auch die GKV – in punkto Beitrag und Leistung vergleichen und sich verstärkt darauf konzentrieren, ihre Kunden (die Verbraucher) bei der Umsetzung ihrer bereits vorhandenen Rechte, z.B. des Tarifwechselrechts nach § 204 zu unterstützen oder sie vor der, leider in der Vergangenheit oftmals gängigen Praxis des „Umdeckens“ mit all seinen negativen Folgen (z.B. Beitragssteigerungen) für den Versicherten, zu bewahren.

Beitragsanpassung ist nicht gleich Beitragsanpassung

Fakt ist: Eine Krankenversicherung – auch die GKV – muss allein schon wegen der Entwicklung des medizinischen Fortschritts und des Inflationsausgleichs im Beitrag steigen. Laut Assekurata beträgt der Steigerungsdruck alleine aufgrund des medizinischen Fortschritts ca. 5,5 Prozent p.a.
Die PKV gleicht das nur zum Teil über Beitragsanpassungen aus. Eine GKV hingegen gleicht die Teuerung durch den Umweg Steuergelder aus.

Jeder einzelne steuerzahlende Bundesbürger trägt seinen Teil dazu bei:

  • 2009 7,1 Mrd. Euro
  • 2010 15,5 Mrd. Euro
  • 2011 15,1 Mrd. Euro
  • 2012 14,0 Mrd. Euro
  • (Quelle: BMG)

Konkret: 14 Mrd. Euro beträgt der Steuerzuschuss zur GKV mindestens für das Jahr 2012, außerdem wird der GKV-Beitrag noch weiter durch Kürzung der medizinischen Leistungen, durch Zuzahlungen von rund zwei Mrd. Euro pro Jahr durch die Praxisgebühr, durch die jährliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, die Erhöhung des Beitragssatzes der GKV sowie eines je nach GKV unterschiedlichen Zusatzbeitrags von jedem steuerzahlenden Bundesbürger subventioniert.

Anders ausgedrückt: Der GKV-Beitrag bleibt im Vergleich zur PKV optisch stabil und wird durch vorgenannte Maßnahmen künstlich „frisiert“. 14 Milliarden Euro Steuerzuschuss, aufgebracht von allen steuerzahlenden Bürgern. Verteilt auf alle derzeit 41 Millionen Erwerbstätigen und dabei unterstellt, dass alle Erwerbstätigen auch tatsächlich Steuern abführen, zahlt im Schnitt jeder steuerzahlende Bürger zusätzlich mindestens 341 Euro im Kalenderjahr oder 28 Euro im Monat über seine persönlichen Steuern zusätzlich als versteckten Beitrag in das System der GKV - egal ob er leistungsberechtigt ist oder nicht.

Neun Millionen Menschen sind PKV versichert. Somit subventionieren die in der PKV versicherten Menschen die GKV über Steuerzahlungen mit mindestens drei Milliarden Euro und bekommen dafür nichts – null Komma null vom System der GKV.

Handlungsoptionen sind vorhanden

Der Verbraucher kann bereits jetzt im Rahmen des bestehenden gesetzlichen Rahmens aktiv handeln. Egal ob alleine oder mit Hilfe eines sachkundigen, seriösen Beraters. Das kostet dann allerdings in der Regel etwas Geld, das der Verbraucher auch bereit sein muss zu investieren.
Auch die in der Untersuchung erwähnte 59-jährige Frau mit 1.095 Euro an Beitrag hat das gesetzliche Recht, in jeden anderen Tarif des Versicherers oder in den Standardtarif unter Anrechnung aller erworbenen Rechte und Pflichten nach § 204 zu wechseln. Und das unter Anrechnung ihrer vollen 100-prozentigen Alterungsrückstellung.
Viel interessanter wäre in diesem Zusammenhang die Beantwortung der Frage, warum diese Frau überhaupt so einen hohen Beitrag zahlen muss? Wann, mit welchem Eintrittsalter, zu welchem Beitrag, zu welchen Bedingungen, in welchen Tarif, mit welcher Leistung trat diese Frau in die PKV ein? Wie lange konnte sie wie viel Alterungsrückstellungen aufbauen?

Im Standardtarif, der ihr auf GKV-Niveau als vor 2009 Versicherte offen steht, würde sie je nach Ursprungstarif und Versicherer zwischen ca. 220 und 320 Euro an Beitrag zahlen, wenn sie 16 oder 26 Jahre in der PKV versichert ist. Auch der Beitragszuschuss der Rentner und das Bürgerentlastungsgesetz stünden ihr zu.
Wie lautet die Antwort der Verbraucherzentralen dazu? Warum wird nicht dahingehend beraten, die Medien und Politik informiert?

Eigeninitiative der Verbraucher ist gefragt

Aber auch der Käufer von PKV-Tarifen, der Endkunde selbst, ist gefragt. Aktives Handeln anstatt Wehklagen. Zum einen hat der PKV-Kunde im Laufe seiner PKV-Mitgliedschaft deutlich weniger an echten Euro in die PKV eingezahlt, als in die GKV. Wer jedoch nach dem Motto „Geiz ist geil, Gier frisst Hirn“ um jeden Preis auf den billigsten Monatsbeitrag aus war oder ist, oder vorschnell den Stall, sprich den Versicherer gewechselt hat, dem fehlen womöglich jetzt die Alterungsrückstellungen, um im Rentenalter effektiv zu handeln.

Woher soll später das Geld auch kommen? Wer wenig oder nichts gibt, bekommt später wenig oder nichts. Wer nichts gibt, hat entschieden, vieles oder, je nach gewähltem Tarif, sogar alles selbst zu bezahlen. Das muss jedem Verbraucher klar sein, der auf den billigsten Monatsbeitrag aus ist. Je früher der Verbraucher einen Qualitätstarif der PKV wählt, desto mehr Handlungsmöglichkeiten hat er generell und vor allem im Rentenalter. Wer stets nur auf den billigsten Monatsbeitrag schielt, trifft meist eine teure Fehlentscheidung. Wer billig kauft, zahlt letztendlich drauf. Wohl dem, der mit einem Qualitätsberater inklusive einer ordentlich durchgeführten Beratungsdokumentation zusammenarbeitet – auch wenn das zu Beginn mit finanziellen Aufwendungen verbunden ist.