Einen Hartz IV-Skandal rief am Mittwoch Deutschlands größte Boulevardzeitung aus – angeblich haben Sozialleistungsempfänger noch nie so viel getrickst und geschummelt. Die darin enthaltenen Zahlen entstammten keiner aktuellen Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit, sondern waren einem Artikel der Saarbrücker Zeitung entnommen, der schon im Februar ohne große Aufmerksamkeit veröffentlicht wurde. Erst die einseitige Interpretation der BILD-Journalisten sorgte dafür, dass auch andere Medien wie die Frankfurter Rundschau einen Skandal witterten bzw. die BILD-Meldung unkritisch übernahmen. Kritiker äußerten den Verdacht, dass bewusst Stimmungsmache gegen HartzIV- Empfänger betrieben wird.

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In diesem Sinne positioniert sich nun auch der Paritätische Wohlfahrtsverband. „Hier wird ohne jede empirische Grundlage auf unverantwortliche Art und Weise gegen Millionen Menschen gehetzt und ein Bild der schmarotzenden Massen geschürt, das mit der Realität nichts zu tun hat“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Tatsächlich habe es nur einen ganz leichten Anstieg der Sanktionsquote in Hartz IV von 3,1 auf 3,4 Prozent gegeben, der jedoch nichts mit Missbrauch oder Trickserei zu tun habe, sondern überwiegend auf Meldeversäumnisse zurückzuführen sei, wie die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit belegen. „Hier geht es nicht um mutwilligen Missbrauch, sondern ganz alltägliche Versäumnisse wie beispielsweise das Vergessen eines Termins“, so Schneider.

Der Anteil der Arbeitsverweigerung ist nach Berechnungen des Paritätischen seit 2007 sogar um 30 Prozent gesunken und hat damit ein Rekordtief erreicht. Lediglich rund 0,5 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher wurden auf Grund von Arbeitsverweigerung sanktioniert. „Die Zahlen belegen die große Disziplin und Leistungsbereitschaft der Menschen in Hartz IV. Die ganz breite Mehrheit tut alles, um aus ihrer Situation heraus und wieder in Arbeit zu kommen“, so Schneider.

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Zudem entspricht die Zahl der Sanktionen keineswegs der Zahl an Hartz IV-Empfängern, die mit einer Strafmaßnahme bedacht werden. Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung hatte für die Jahre 2007 bis 2010 nachgewiesen, dass es sich um eine Bewegungsstatistik handelt. Jede Sanktion wird somit einzeln gezählt, unabhängig davon, ob eine Person mehrfach sanktioniert wurde. Sogar Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte im April 2011 Hartz IV-Empfänger in Schutz genommen - „96 Prozent verhalten sich korrekt“, sagte sie damals der „Passauer Neuen Presse“.

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