Wer einen Zug statt durch die Wagentür über ein Abteilfenster verlässt, tut dies auf eigene Gefahr. Es ist nicht Aufgabe eines Zugschaffners, einen Passagier permanent zu bewachen und so an der gefährlichen Kletterei zu hindern. Zumal dann nicht, wenn es vorher keine Anhaltspunkte für ein solches Verhalten gibt, sondern der offenbar betrunkene Fahrgast eher kraft- und antriebslos erscheint. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Nürnberg (Az. 14 U 852/10) jetzt die Schadensersatzansprüche eines Mannes zurückgewiesen, der sich beim Ausstieg durch das Fenster einer bereits wieder anfahrenden Regionalbahn erheblich verletzte.

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Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, hatten erboste Mitreisende bereits zuvor den Schaffner gerufen, als der zweifellos unter starkem Alkoholeinfluss stehende Mann in den Abfallbehälter des Abteils urinierte. Doch der Zugbegleiter schaffte es nicht, den inzwischen Eingeschlafenen zu wecken, um ihn zur Rede zu stellen.

Erst an der nächsten Haltestelle fiel ihm der Betrunkene wieder auf, wo er sich an der dem Bahnsteig abgewandten Seite an der automatisch verriegelten Wagentür zu schaffen machte. Nach der Aufforderung des Schaffners, dies zu unterlassen, kehrte er wortlos wieder in sein Abteil zurück. Nur wenige Minuten später jedoch kletterte er von dort aus durch das Fenster heraus, fiel dabei unter den inzwischen anfahrenden Zug und wurde noch etwa 300 Meter mitgeschleift, wobei u.a. sein rechtes Bein abgetrennt wurde.

Dafür verlangte er jetzt Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem Bahnbetreiber. Schließlich habe der Zugbegleiter vor dem Unfall seine Aufsichtspflicht verletzt, da er ihn als erkennbar alkoholisierten Fahrgast nach seinem vergeblichen Ausstiegsversuch durch die falsche Tür nicht mehr hätte allein lassen dürfen.

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Was die fränkischen Oberlandesrichter allerdings ganz anders bewerteten. "Abgesehen davon, dass das Ein-und Aussteigen nach der Eisenbahn-Betriebsordnung nur an den dazu bestimmten Stellen gestattet ist, stellt das Herausklettern aus dem Fenster eines anfahrenden Zuges ein grob verkehrswidriges Verhalten dar, das jegliche Gefährdungshaftung entfallen lässt", erklärt Rechtsanwältin Dr. Sonja Tiedtke (telefonische Rechtsberatung unter 0900/1875000-0 für 1,99 Euro pro Minute). Der Schaffner aber hätte weder voraussehen können noch müssen, dass der Betrunkene alsbald versuchen würde, den Zug durch das Fenster zu verlassen.

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