Minijobs als "Niedriglohnfalle"

2009 arbeiteten rund 88 Prozent der Menschen, für die der Minijob die Hauptbeschäftigung bildet, für einen Niedriglohn. Das heißt, für brutto weniger als 9,76 Euro in Westdeutschland oder weniger als 7,03 Euro in Ostdeutschland. Geringfügig Beschäftigte waren mehr als viermal so häufig von Niedriglöhnen betroffen wie der Durchschnitt aller Arbeitnehmer. 58 Prozent der 1,2 Millionen Beschäftigten, die in Deutschland weniger als 5 Euro pro Stunde verdienen, arbeiten im Minijob.

Nach Auswertungen des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit (BA) verdienen Minijobber im Durchschnitt weniger als neun Euro brutto pro Stunde - nicht einmal halb soviel wie Arbeitnehmer mit einer regulären Vollzeitstelle. Mit objektiven Kriterien wie beispielsweise Unterschieden bei der Qualifikation lasse sich der große Lohnrückstand nicht erklären, betonen Voss und Weinkopf. Sie schließen daraus, dass Arbeitgeber den Steuer- und Abgabenvorteil der Minijobs bei der Lohnfestsetzung zu ihren Gunsten nutzen.

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Wie das möglich ist, zeigen die Forscherinnen mit einer Beispielrechnung: Eine sozialversicherungspflichtig Beschäftigte erhält einen Bruttolohn von 13,50 Euro pro Stunde. Ist sie verheiratet, kinderlos und in der Lohnsteuerklasse V, verdient sie netto rund 7 Euro. Nach dem Gesetz müsste eine Minijobberin bei gleicher Tätigkeit brutto ebenfalls 13,50 Euro bekommen - und erhielte diesen Betrag auch netto. In der Praxis dürften viele Arbeitgeber den Minijob stattdessen nach der Maxime "netto gleich brutto" bezahlen, im Beispielfall also mit 7 Euro brutto. Auch wenn darauf 30 Prozent Pauschalabgaben für den Arbeitgeber fällig werden, wäre es so für ihn dennoch lukrativ, sozialversicherungspflichtige durch geringfügige Beschäftigung zu ersetzen.

Die Forscherinnen verweisen auf diverse Fallstudien aus dem Einzelhandel, dem Gast- und dem Reinigungsgewerbe sowie der Gesundheits- und der Sozialbranche, die dokumentieren, dass selbst große Unternehmen mit gesetzeswidrigen Lohnabschlägen für geringfügig Beschäftigte operieren. Betroffene Minijobbeschäftigte merken zwar beim Nettolohn keinen Unterschied, sie müssen aber auf jede eigenständige soziale Absicherung verzichten. Dies sei gerade für jüngere Frauen angesichts der zunehmend weniger verlässlichen Absicherung über die Ehe riskant.

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Für die große Mehrheit der geringfügig Beschäftigten werde der Minijob zur "Niedriglohnfalle", warnen die Wissenschaftlerinnen. Und je mehr Unternehmen sie als Schlupfloch zur Reduzierung der Personalkosten nutzten, desto weniger Chancen auf eine vollwertige Beschäftigung blieben Arbeitnehmer/innen. Das gelte insbesondere im Handel, dem Gast- und dem Reinigungsgewerbe, wo Minijobs bereits 40 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse ausmachen.



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