Insgesamt lag die Schadensumme damit mehr als fünf Mal so hoch wie im Durchschnitt der ersten sechs Monate der vergangenen 10 Jahre. Die versicherten Schäden betrugen rund 60 Mrd. US$, ebenfalls fast das Fünffache des Durchschnitts seit 2001. Üblicherweise fallen in der ersten Jahreshälfte geringere Schäden an als in der zweiten, die häufig von den Hurrikanen im Nordatlantik und Taifunen im Nordwest-Pazifik geprägt ist. Die Zahl der in den ersten sechs Monaten 2011 gezählten schadenrelevanten Naturereignisse lag mit 355 etwas unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre (390).

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Eine Häufung von so extremen Naturereignissen wie in diesem Jahr ist sehr selten. „Es ist Sinn und Zweck von Versicherung, diese seltenen Katastrophenschäden zu tragen und damit zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Erholung der betroffenen Region beizutragen. Sämtliche Ereignisse überraschten uns, wenn man sie als Einzelereignis betrachtet, nicht und lagen im Rahmen dessen, was unsere Risikomodelle erwarten ließen“, sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek. „Die Akkumulation von so vielen schweren Ereignissen in so kurzer Zeit ist außergewöhnlich, aber wird bei unseren Szenariorechnungen ebenfalls berücksichtigt. Unser Risiko-Knowhow und unsere Finanzstärke ermöglichen es uns, sich ergebende Geschäftschancen infolge einer steigenden Nachfrage nach Risikotransfer bei oftmals abnehmendem Angebot zu nutzen“, so Jeworrek weiter.

Den größten Teil zu den Schäden trug das Erdbeben in Japan vom 11. März mit einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von 210 Mrd. US$ bei. Das mit einer Magnitude von 9,0 stärkste je in Japan registrierte Beben ist damit auch die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten – noch teurer als Hurrikan Katrina im Jahr 2005 mit wirtschaftlichen Schäden in Höhe von damals 125 Mrd. US$. Die Schadenbelastung für die Versicherungswirtschaft durch das Japan-Beben beträgt nach derzeitigem Stand schätzungsweise etwa 30 Mrd. US$, erreicht damit jedoch nicht die Höhe der versicherten Schäden durch Katrina (62,2 Mrd. US$).

Das Beben von Japan war auch aus humanitärer Sicht die größte Katastrophe der ersten Jahreshälfte 2011. Bei dem Beben und dem darauf folgenden Tsunami, der ganze Städte an der Nordostküste Japans hinweg riss, kamen mindestens 15.500 Menschen ums Leben, Tausende werden noch vermisst. Das Erdbeben vom 11. März hatte sich östlich der Hauptinsel Honshu, rund 350 km nordöstlich des Großraums Tokio, unter dem Meer ereignet; ihm folgte 35 Minuten später ein ebenfalls heftiges Nachbeben der Stärke 7,9, welches im Raum Tokio größere Schäden auslöste als das Hauptbeben. Experten hatten bereits seit einiger Zeit ein heftiges Beben in Japan erwartet – allerdings an anderer Stelle.

„Durch große Beben verschieben sich immer auch Spannungen in angrenzenden Bereichen. Es ist dadurch wahrscheinlicher geworden, dass es in den kommenden Jahren östlich von Tokio unter dem Meer zu einem schweren Beben kommt, oder auch zu einem Erdbeben moderater Magnitude in vielen Kilometern Tiefe direkt unter Tokio“, sagte Anselm Smolka, Erdbebenexperte von Munich Re. „Die Wahrscheinlichkeit für das extreme Szenario eines mächtigen Erdbebens südlich von Tokio am Eingang der Tokio-Bucht ist allerdings nicht höher als vorher.“

Nicht mit dem Beben in Japan in Zusammenhang stehen die schweren Erdbeben in Neuseeland, die im Februar und im Juni und damit bereits zum dritten Mal seit Herbst 2010 die Stadt Christchurch erschütterten. Insbesondere das Beben vom 22. Februar mit einer Magnitude von 6,3 erzeugte mit rund 20 Mrd. US$ sehr hohe wirtschaftliche Schäden, versichert waren davon mehr als 10 Mrd. US$. Der Grund: Die Stärke des Bebens schaukelte sich durch die Reflektion der Erdbebenwellen an einem nahegelegenen erloschenen Vulkankomplex auf, ferner kam es verbreitet zu Bodendeformationen. Zudem haben die Erschütterungen Gebäude, die im September 2010 vorgeschädigt worden waren, nun vollständig zerstört.

Bei wetterbedingten Naturkatastrophen kam es in den Südstaaten und im Mittleren Westen der USA im April und Mai zu ungewöhnlich heftigen Serien von Tornados. Die extreme Serie von Unwettern ist im wesentlichen durch das Klimaphänomen La Niña zu erklären. Bei dieser natürlichen Klimaschwankung gelangen immer wieder Wetterstörungen aus dem Nordwesten über die zentralen Staaten der USA hinweg und treffen in südlicheren und östlicheren Bereichen auf feuchtwarme Luft. Unter diesen Bedingungen sind extreme Unwetter wahrscheinlicher als in anderen Jahren. Daher lag die Zahl der bislang in 2011 gezählten Tornados per Ende Juni mit ca. 1600 nahezu auf Rekordniveau, nur leicht unter dem – ebenfalls von La Niña geprägten – Rekordjahr 2008.

„Die Häufung ist also insgesamt in La-Niña-Jahren nichts Ungewöhnliches. Die in Statistiken festgestellte Zunahme von Tornados über die Zeit hat vor allem mit der besseren Dokumentation zu tun“, so Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung von Munich Re. Insgesamt handelt es sich bei den meisten der Schwergewitterausbrüche um räumlich begrenzte Ereignisse, die lokal zwar gravierende Schäden erzeugen, in ihrer Dimension aber nicht mit Ereignissen wie etwa schweren Hurrikanen zu vergleichen sind. Die Summe der Schäden der Tornado-Serien ist dennoch erheblich: Bei den beiden schwersten Tornadoserien Ende April und in der dritten Mai-Woche summierten sich die gesamtwirtschaftlichen Schäden auf etwa 15 Mrd. US$, die versicherten Schäden betrugen schätzungsweise 10 Mrd. US$.

Mehrere Wetterkatastrophen ereigneten sich – ebenfalls stark beeinflusst durch La Niña – in der ersten Jahreshälfte auch auf dem australischen Kontinent. Zunächst kam es im Nordosten des Landes, in Queensland nördlich der Metropole Brisbane, nach den stärksten Regenfällen seit vielen Jahrzehnten zu flächendeckenden Überschwemmungen. Erstmals in der Geschichte des Bundesstaates führten alle drei großen Flüsse gleichzeitig Hochwasser.

Das erste große Hochwasser ereignete sich bereits Ende 2010, dabei dauerten die Überflutungen bis weit in den Januar 2011 an. Auch Brisbane selbst war stark betroffen, obwohl die Fluthöhe des Brisbane River anders als befürchtet rund einen Meter unter dem Rekordwert von 1974 blieb. Insgesamt wurden bei den Hochwassern hunderttausende Häuser und Betriebe überschwemmt, große Tagebau-Minen mussten ihren Betrieb zwischenzeitlich einstellen. Es entstanden bei den verschiedenen Ereignissen insgesamt gesamtwirtschaftliche Schäden von gut 7 Mrd. US$, davon waren rund 2,5 Mrd. US$ versichert.

Ebenfalls in Queensland traf am 3. Februar mit Zyklon Yasi erstmals seit fast 100 Jahren wieder ein Wirbelsturm der höchsten Stufe 5 mit Geschwindigkeiten über 280 km/h auf Land. Der Sturm traf vor allem kleinere Ortschaften, die Schäden waren erheblich. Die Landwirtschaft mit großen Bananenplantagen in der Region war stark betroffen. Die größeren Städte Cairns und Townsville blieben dagegen weitgehend verschont. Die gesamtwirtschaftlichen Schäden betrugen rund 2 Mrd. US$, davon war die Hälfte versichert.

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„Auffällig waren dieses Jahr die höchsten je gemessenen Meerestemperaturen vor der Küste Australiens, die zu diesen Wetterextremen beitragen. Das hat auch mit La Niña zu tun, jedoch lagen die Temperaturen höher als in früheren La-Niña-Jahren“, so Höppe.

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