„Die Kommunen müssen bei der betrieblichen Altersvorsorge umdenken“, erklärt der Vergaberechtsexperte Holger Schröder von Rödl & Partner. „Die bisherige Praxis zahlreicher Städte und Gemeinden, Rahmenvereinbarungen über die betriebliche Altersvorsorge ohne vorherige Ausschreibung mit tarifvertraglich ausgewählten Versorgungsträgern abzuschließen, ist europarechtswidrig.“

Die Entscheidung des EuGH hat auch erhebliche Auswirkungen auf die private Versicherungswirtschaft. „Mit der betrieblichen Altersvorsorge kommunaler Mitarbeiter können Versicherungen ein neues und lukratives Geschäftsfeld erschließen“, betont Schröder. Die zukünftige Entwicklung wird deshalb in Fachkreisen mit Spannung verfolgt.

Hintergrund des Verfahrens ist eine Klage der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Verstoßes gegen die bis 31.01.2006 geltende Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 92/50/EWG) bzw. gegen die ab 1.02.2006 geltende Vergaberichtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (Richtlinie 2004/18/EG).

Das Urteil betrifft die Entgeltumwandlung für Mitarbeiter im kommunalen öffentlichen Dienst nach dem Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst vom 18. Februar 2003 (TV-EUmw/VKA). Die in diesem Zusammenhang bisher bevorzugten öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen, Sparkassen und Kommunalversicherer können aus vergaberechtlichen Gesichtspunkten zukünftig nicht mehr seitens der Städte privilegiert werden.

Die Luxemburger Richter sehen im Grundrechtscharakter des Rechts auf Kollektivverhandlungen und in der sozialpolitischen Zielsetzung des Tarifvertrags kein Hindernis für die Anwendung des europäischen Vergaberechts. Der Umstand, dass der Abschluss von Rahmenvereinbarungen zur betrieblichen Altersvorsorge im kommunalen Bereich entsprechend des Tarifvertrags erfolgt, kann die Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht verhindern.

Die von den kommunalen Arbeitgebern abgeschlossenen Verträge sind als entgeltliche, dem Vergaberecht unterfallende öffentliche Dienstleistungsaufträge zu qualifizieren. Der entgeltliche Charakter eines solchen Vertrages wird vor allem nicht deshalb in Frage gestellt, weil die Letztbegünstigten einer betrieblichen Altersvorsorge die Arbeitnehmer sind und nicht der jeweilige Arbeitgeber.

Rödl & Partner

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