Altersvorsorge: Warum Beratung wichtiger ist als neue Produkte
Viele Menschen wissen um ihre Rentenlücke, handeln aber nicht. Eine aktuelle Studie zeigt, woran das liegt. Denn zwischen Erkenntnis und Entscheidung liegen massive psychologische Barrieren.

Die Bundesregierung will die private Altersvorsorge reformieren und erhält dafür Rückenwind vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). Doch das Institut mahnt, dass in dem Zusammenhang auch auf Beratung und einfache Entscheidungswege geschaut werden sollte. Denn: Wer die Altersvorsorge der Bürger wirklich stärken will, darf nicht nur an Produkten feilen. Denn die größte Hürde liegt nicht im Markt, sondern im Kopf der Menschen. Das zeigt die neue DIA-Studie „Vom Wissen zur Entscheidung“, die tief in die verhaltensökonomischen Mechanismen der Vorsorgeentscheidung blickt.
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Die Erkenntnis ist ebenso simpel wie brisant: Die große Mehrheit der Verbraucher weiß um die eigene Rentenlücke. Aber nur ein kleiner Teil der Bevölerung handelt konsequent. Informationen liegen vor und mitunter ist Finanzwissen vorhanden. Auch das Problembewusstsein ist längst gesellschaftlicher Konsens. Dennoch stagniert die private Altersvorsorge. Viele Bürger verschieben Entscheidungen über Jahre. Die Studie beschreibt diese Lücke zwischen Einsicht und Verhalten als Mind-Behavior-Gap: Menschen wollen vorsorgen, tun es aber nicht.
Genau hier setzt das DIA seine Kritik an. Finanzielle Bildung sei zwar notwendig, aber kein Garant für Handeln. Viele Bürger fühlen sich von der Produktvielfalt überfordert, wissen nicht, welche Schritte konkret notwendig sind oder scheitern an emotionalen Hürden wie Verlustangst, Überforderung und Aufschiebeverhalten. Informationsvermittlung allein reiche nicht. Entscheidend sei, wie Informationen präsentiert und Entscheidungswege gestaltet werden.
„Beratung ist ein zentraler Baustein für wirksame Altersvorsorge. Nur wenige Menschen finden ohne Unterstützung zu einem Vorsorgevertrag“, betont Dr. Peter Schwark, Sprecher des DIA. Ohne Unterstützung finde kaum jemand eigenständig zu einem Vorsorgevertrag. Beratung schaffe Struktur, reduziere Komplexität und wirke motivierend: „Professionelle Beratung kann genau dort ansetzen, wo die größte Hürde liegt – beim Schritt vom Verstehen zum Entscheiden“, sagt Schwark.
Die Studie zeigt, dass Menschen Entscheidungen häufig nicht rational treffen, sondern emotional reagieren. Angst vor Fehlern führt zu Passivität, Verlustaversion verhindert den Abschluss renditestarker Produkte, und lange Fristigkeiten erschweren die mentale Verknüpfung mit der eigenen Zukunft. Moderne Formen der Kommunikation wie etwa Storytelling, Visualisierung, „mentale Zeitreisen“ in den Ruhestand können diese Hürden reduzieren und Orientierung schaffen.
Zentral ist zudem die Personalisierung: Je stärker die Informationen auf die individuelle Lebenssituation eingehen, desto wahrscheinlicher treffen Menschen tatsächlich eine Vorsorgeentscheidung.
Die Botschaft an Politik und Branche ist eindeutig: Wer die Reform der privaten Altersvorsorge erfolgreich gestalten will, muss Beratung stärken, Entscheidungen vereinfachen und Menschen wirksam über die Schwelle vom Wissen ins Handeln begleiten. Die Studie liefert dafür reichhaltige verhaltensökonomische Grundlagen und einen klaren Auftrag, die private Vorsorge nicht länger als reines Produktproblem zu betrachten, sondern als Kommunikations- und Entscheidungsproblem.
