Hintergrund: Vergleicht man die großen Kompositsparten, wirtschaftet derzeit keine so stabil und auskömmlich wie die private Unfallversicherung. Sie hat die Hausratversicherung inzwischen als profitabelste Teilsparte abgelöst und gilt als verlässlicher Ergebnisträger der Branche. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio, CR) liegt 2024 bei sehr guten 76,65 Prozent – dem besten Wert seit 2018 und nochmals besser als im Vorjahr mit 77,95 Prozent. Keine andere Kompositsparte arbeitet aktuell mit vergleichbarer Wirtschaftlichkeit.

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Und dennoch gibt es bemerkenswerte Ausreißer nach oben. Der schlechteste CR-Wert 2024 erreicht hohe 122,55 Prozent. Der Sechs-Jahres-Schnitt desselben Anbieters liegt mit 121,01 Prozent nur unwesentlich darunter – dauerhaft ein sehr hoher Wert. Eine CR in dieser Größenordnung bedeutet vereinfacht, dass ein Versicherer pro Euro Beitrag rund zwanzig Prozent mehr ausgibt, als er einnimmt – ein Verhältnis, das in anderen Kompositsparten kaum verkraftbar wäre.

Wenn 120 Prozent nicht das Ende bedeuten: Die Mechanik der Sparte und ihre Kennzahlen

Gerade in der Unfallversicherung sagt eine hohe CR nur begrenzt etwas über die tatsächliche Ertragslage aus. Im Gegensatz zur Kfz-Haftpflicht, in der die meisten Schadenfälle kurzfristig reguliert werden und die Combined Ratio ein relativ verlässliches Bild der Wirtschaftlichkeit liefert, wirken in der Unfallversicherung mehrere strukturelle Besonderheiten:

1. Langlaufende Leistungsfälle – und große Rückstellungseffekte

Viele Unfallleistungen – insbesondere Invaliditätsleistungen und Unfallrenten – laufen über Jahre oder Jahrzehnte. Dafür müssen umfangreiche Deckungsrückstellungen gebildet werden, die im Zeitverlauf regelmäßig neu bewertet werden. Fallen die endgültigen Leistungen günstiger aus als ursprünglich kalkuliert, entstehen positive Abwicklungsergebnisse, die die CR nicht zeigt, das versicherungstechnische Ergebnis jedoch deutlich verbessern können. Diese Reserveeffekte sind einer der Hauptgründe, warum Unfallversicherer trotz hoher Quoten häufig Gewinne erzielen.

2. Heterogene Leistungsarten und starke Schwankungen im Schadenverlauf

Die Unfallversicherung kombiniert unterschiedlichste Leistungsarten – von Kapitalleistungen über Progressionen bis hin zu lebenslangen Renten. Einzelne große Invaliditätsfälle können ein Geschäftsjahr massiv belasten, während spätere Neubewertungen dieselben Fälle entlasten. Die CR reagiert darauf kurzfristig, das versicherungstechnische Ergebnis spiegelt hingegen die langfristige Realität.

3. Kapitalanlageerträge gehören nicht zum technischen Ergebnis

Kapitalanlageerträge werden bei Schaden- und Unfallversicherern nicht im technischen Ergebnis erfasst, sondern separat im nichttechnischen Ergebnis. Das technische Ergebnis zeigt daher ausschließlich, wie profitabel das Kerngeschäft aus Beiträgen, Schäden, Kosten und Abwicklungseffekten war – unabhängig vom Kapitalmarkt. Daraus folgt:

  • Kapitalerträge erklären die Diskrepanz zwischen CR und technischem Ergebnis nicht.
  • Abwicklungsergebnisse sind der entscheidende Faktor.

4. Rückversicherung: relevant, aber selten der entscheidende Treiber

Als zusätzliche Orientierung weist die Bildstrecke auch das Ergebnis aus passiver Rückversicherung aus. Diese Kennzahl zeigt, ob Rückversicherungsverträge die technische Rechnung entlasten oder belasten. In der Unfallversicherung ist dies jedoch meist kein zentraler Treiber: Bei den meisten Unternehmen liegt der Rückversicherungseffekt nahe null – oder die Gesellschaften zahlen sogar per saldo drauf. Wo hohe CR-Werte zugleich mit positiven Ergebnissen einhergehen, sind es in der Regel Abwicklungs- und Reserveneffekte des Unfallgeschäfts, nicht Rückversicherung oder Kapitalanlage, die die Diskrepanz erklären.

Versicherungsbote stellt die schlechtesten Schaden-Kosten-Quoten in seiner Bildstrecke vor

Aufgrund der besonderen Mechanik der Unfallversicherung stellt Versicherungsbote in dieser Bildstrecke nicht nur die Versicherer mit den höchsten Schaden-Kosten-Quoten des Jahres 2024 vor, sondern ergänzt diese Werte bewusst um weitere Kennzahlen. Denn eine hohe CR bedeutet in dieser Sparte nur selten eine schwache wirtschaftliche Lage. Erst das Zusammenspiel aus Combined Ratio, versicherungstechnischem Ergebnis und dem Ergebnis aus passiver Rückversicherung zeigt, ob ein hoher Wert tatsächlich belastend wirkt – oder ob Abwicklungs- und Reserveneffekte die technische Rechnung deutlich stabilisieren. Die zusätzlichen Kennzahlen machen somit sichtbar, dass viele vermeintliche „Problemanbieter“ trotz hoher Quoten solide bis gute Ergebnisse erzielen.

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Die in dieser Bildstrecke verwendeten Kennzahlen stammen aus dem Branchenmonitor Unfallversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Der Report wertet die Geschäftszahlen der Jahre 2019 bis 2024 aus und erfasst mit den fünfzig größten Anbietern rund 94 Prozent des Prämienvolumens in der privaten Unfallversicherung. Weitere Informationen und die vollständigen Marktdaten finden sich im kostenpflichtigen Branchenmonitor Unfallversicherung 2025, der über die Webseite der V.E.R.S. Leipzig GmbH erhältlich ist.