Feigenblatt Frühstartrente?
Die geplante Frühstartrente wurde über Monate als großer Wurf für das Thema Altersvorsorge und den Einstieg in den Kapitalmarkt verkauft. Doch aus dem, auch bildungspolitisch, großen Wurf, wird nun wohl eher eine Frühstartrente „light“, kritisiert Robert Peres, Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre.

- Feigenblatt Frühstartrente?
- Details stecken noch im Gesetzesverfahren fest
Bei einem Parlamentarischen Abend der Initiative Minderheitsaktionäre im November in Berlin pries der CDU-Rentenexperte Kai Whittaker die geplante Frühstartrente als ersten kleinen Schritt in ein stärker kapitalgedecktes Rentensystem. Ganz Unrecht hat er damit zumindest nicht. Auch wenn der ursprüngliche Plan schon wieder torpediert scheint.
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Doch was genau ist die Frühstartrente eigentlich und was verbirgt sich dahinter? Die Idee der Bundesregierung beinhaltete zunächst, dass ab 2026 Kinder vom 6. bis 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro vom Staat in ein kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot erhalten, das ab 18 Jahren privat weiter bespart werden kann. Das Ganze geht zurück auf einen Vorschlag der Wirtschaftsweisen um Ulrike Malmendier, die ein Kinderstartgeld vorgeschlagen hatte. Das ist an sich und in der Theorie auch eine sehr gute Sache, denn es führt junge Menschen früh an das Aktiensparen heran. Der Nebeneffekt wäre zudem, dass der Gesetzgeber sagen kann, man habe doch auf die Forderungen der Experten reagiert und erstmalig den Kapitalmarkt in das Rentensystem eingeführt. Was in der Realität natürlich in einem weitaus höheren Maße notwendig wäre.
Massives Dilemma in der Altersvorsorge
Denn Deutschland steht vor einem massiven Dilemma in der Altersvorsorge, nämlich einer doppelten Vorsorgelücke. Die gesetzliche Rente verliert an Leistung, während viele Haushalte privat gar nicht oder nur in renditeschwachen Produkten sparen. Besonders Geringverdiener halten ihr Vermögen überwiegend als Bargeld oder auf dem Sparkonto und bleiben von den höheren Erträgen des Kapitalmarkts ausgeschlossen – oft aus Unerfahrenheit und Misstrauen, nicht nur aus Geldmangel. Selbst die Riester-Rente hat ihre Ziele verfehlt: hohe Kosten, viel Bürokratie und niedrige Renditen, vor allem für einkommensschwache Haushalte.
Die geplante Frühstartrente soll das ändern – meinen zumindest deren Erfinder. Schon ab dem Kindesalter zahlt der Staat in einen kapitalgedeckten Fonds ein. Allerdings nur 120 Euro im Jahr. Kinder und Jugendliche erleben so über Jahrzehnte live, wie der Kapitalmarkt funktioniert – mit allen Schwankungen und langfristigen Chancen. Wer früh positive Erfahrungen sammelt, entwickelt Vertrauen, versteht Zinseszins und investiert später eher selbst in Aktien und Fonds. Studien belegen: Solche frühen Erfahrungen prägen das Finanzverhalten ein Leben lang und können eine breitere Aktienkultur in Deutschland schaffen.
Aus meiner Sicht eignet sich das Konstrukt Frühstartrente damit grundsätzlich als geeignete Maßnahme der Finanzbildung – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen als Teil einer subtanziellen Rentenreform. Der Begriff Frühstart-“Rente“ an sich ist eigentlich schon irreführend, zumal in der gesamten Laufzeit von 12 Jahren insgesamt nur 1440 Euro auf das Frühstartkonto fließen. Es sei denn, die Familie darf aufstocken. Da der endgültige Gesetzentwurf nicht vorliegt, ist das aber noch gar nicht klar. Besser wäre der ursprüngliche Vorschlag von Kai Whittaker gewesen, demzufolge der Staat pro neugeborenem Kind, das in Deutschland Rentenansprüche erwirbt, 4.000 Euro in einen Staatsfonds anlegt. Dieses Kapital sollte zum Renteneintritt die umlagefinanzierte Rente sowie betriebliche und private Vorsorge ergänzen. Doch das ist nicht mehr der gegenwärtige Stand.
Frühstartrente „light“
Der Sachverständigenrat hatte nämlich zunächst eine automatische Teilnahme aller Kinder zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr vorgesehen, die Kindergeld beziehen und deren Wohnort in Deutschland ist. So hatte man das im Koalitionsvertrag eigentlich auch festgelegt. Nach Blick in die Kasse hat man nun aber kurzerhand die Förderung erst mal nur für den Jahrgang 2020 vorgesehen. Das wären dann lediglich mickrige 50 Millionen Euro, also eine Frühstartrente „light“. In den Folgejahren sollen die Kinder des jeweiligen Jahres aufgenommen werden, die das 6. Lebensjahr vollenden. Ab dem 18. Lebensjahr kann der angesparte Betrag durch private Einzahlungen weiter bespart werden, und die Erträge sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein. So die Theorie.
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Klar ist aber nach aktuellem Stand nun mal, dass das Geld momentan lediglich für eine einzige Altersgruppe reicht – alle anderen Kinder müssen warten. Wie lange, ist offen. Hintergrund sind die massiven Sparvorgaben, die der Großen Koalition kaum Spielraum lassen. Aus meiner Sicht bleibt bei der Frühstartrente ohnehin nicht nur die grundsätzliche Frage offen, welche konkreten Anlagewege eigentlich genutzt werden sollen. Sondern für mich ist auch klar, dass dieses Instrument allein die vielschichtigen demografischen Herausforderungen und Probleme nicht lösen können wird.
Details stecken noch im Gesetzesverfahren fest
Das angesparte Kapital ist zwar vor staatlichem Zugriff geschützt und soll erst mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ausgezahlt werden. Aber alle weiteren Details, wie etwa Fondsauswahl, Anlagestrategie und wer den „Frühstart-Fonds“ verwalten soll, stecken noch im Gesetzverfahren fest. Fraglich ist außerdem, was nach der Erreichung des 18. Lebensjahres passieren soll. Eine Auszahlung soll nicht erfolgen, denn das liefe ja dem Aspekt der Altersvorsorge zuwider.
Dass der Regierung die so genannte „Zukunft der Altersvorsorge“ jetzt obendrein nur noch 50 Millionen Euro wert ist und sie derzeit exakt für einen Jahrgang reicht, macht insgesamt sprachlos. Dabei diskutiert Deutschland seit Jahrzehnten ohne Ergebnis und passende Lösungswege über die Rentenlücke. Und es ist hinlänglich bekannt, dass andere Länder längst vorgemacht haben, wie kapitalgedeckte Altersvorsorge funktioniert.
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Ein schlüsselfertiges Konzept liegt längst vor
Sinnvoll wäre etwa der Übergang in eine private, geförderte Altersvorsorge. Das ist im Koalitionsausschuss am 9. Oktober auch so verabredet worden – ohne weitere Details allerdings. Dass die beiden Gesetzesvorhaben miteinander zusammenhängen, scheint logisch: „Die Bundesregierung verfolgt das Ziel einer sinnvollen Verknüpfung der Frühstart-Rente und der reformierten steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge“, heißt es. Zur konkreten Ausgestaltung wollte die Regierung jedoch bisher keine weiteren Angaben machen und verwies auf den noch ausstehenden Gesetzesvorschlag.
Fakt ist: Die Frühstartrente wird nur funktionieren, wenn sie mit der Volljährigkeit der Jugendlichen automatisch in eine reformierte, öffentlich geförderte private Altersvorsorge übergeht. Eigentlich liegt ein Konzept dafür seit der Ampelkoalition fertig in den Schubladen des Finanzministeriums. Nach den Vorschlägen des Sachverständigenrats soll die Frühstartrente Bestandteil eines lebenslangen Vorsorgeproduktes werden, vom Kindesalter über die Erwerbsphase bis in den Ruhestand. Mit Volljährigkeit würden die angesparten Beträge aus der Frühstartrente automatisch in das Altersvorsorgedepot überführt. Wer aktiv entscheidet, kann das Kapital einem privaten Fonds zuordnen. Wer keine Wahl trifft, landet in einem staatlich verwalteten Referenzdepot – mit der Möglichkeit, später jederzeit zu wechseln.
“Echte” Frühstartrente wäre auch bildungspolitisch ein Gewinn
Eine solche Flexibilität wäre ein richtiger und enorm wichtiger Fortschritt. So handhaben es andere Länder wie Kanada, Israel oder die Niederlande. Die Deutschen wären auch mehrheitlich dafür. In der jährlichen Forsa-Umfrage der Initiative Minderheitsaktionäre zum Thema Altersvorsorge und Aktien befürworten im laufenden Jahr 2025 rund 64 Prozent der Befragten das Konzept der „Frühstartrente“. Auch bildungspolitisch wäre eine “echte” Frühstartrente ein Gewinn. Sie sollte das Ziel verfolgen, die Finanzkompetenz von Eltern und Kindern in Deutschland zu stärken, den Transfer von Finanzwissen in tatsächliches Anlageverhalten zu fördern und damit langfristig eine Aktienkultur zu etablieren. Familien würden jährlich eine Übersicht über die Entwicklung des gewählten Fonds erhalten – idealerweise ergänzt durch eine App, die anschauliche und leicht zugängliche Darstellungen enthält. Darüber hinaus muss die Frühstarrente altersgerecht im Schulunterricht thematisiert und mit anschaulichen Lernmaterialien verknüpft werden.
Immerhin 58 Prozent sind den Umfrageergebnissen zufolge dafür, ein staatliches, gefördertes Altersvorsorgedepot zu installieren, um neben der gesetzlichen Rente für das Alter anzusparen. Beide Instrumente zusammen wären ein Meilenstein in der Rentenpolitik. Beide wären auch losgelöst von der Debatte um Haltelinien und Nachhaltigkeitsfaktor möglich, wenn der Gesetzgeber es wirklich will. Nicht zuletzt deshalb wird es jetzt höchste Zeit, dass die Politik endlich tragfähige und dauerhaft zielführende Lösungen entwickelt. Auch im Sinne der Generationengerechtigkeit, die sonst zwangsläufig auf der Strecke bleiben wird.
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