DAV: „So wie jetzt kann es bei der Pflege nicht weitergehen“
Die Kosten in der Pflege laufen aus dem Ruder, während die soziale Pflegeversicherung strukturell überfordert ist. Wiltrud Pekarek, Vorständin und Vorsitzende des Ausschusses Krankenversicherung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), fordert in ihrem Gastbeitrag eine klare Schubumkehr: weniger Leistungsausweitungen, mehr Eigenvorsorge und eine stärkere kapitalgedeckte Absicherung.

Es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass die Pflege in Deutschland unter Druck steht. Zum einen sind die Kosten in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, zum anderen gibt es eine falsche Erwartungshaltung – beziehungsweise eine falsche Vermittlung dessen, was die gesetzliche Pflegeversicherung leisten kann.
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Kosten laufen aus dem Ruder
Einen erheblichen Anteil an den Kostensteigerungen haben drei Faktoren: Erstens die Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017, die zu deutlich mehr Leistungsempfängerinnen und -empfängern geführt hat. Zweitens verschiedene Leistungsausweitungen. Und drittens die ohnehin hohen Pflegekosten – Tendenz weiter steigend. Angesichts der defizitären Lage der Pflegekassen sind die finanziellen Herausforderungen trotz steigender Beiträge und hoher Eigenanteile schon heute sehr groß. Man kann ungeschönt davon sprechen, dass die Pflegekosten beginnen, aus dem Ruder zu laufen.
Lediglich eine Teilkaskoversicherung
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist ausdrücklich nur als Teilkaskoversicherung ausgestaltet. Doch was bedeutet das konkret? Der Begriff weist darauf hin, dass lediglich ein Teil der tatsächlich anfallenden Pflegekosten übernommen wird. Vor diesem Hintergrund sind sowohl die jüngsten Beitragserhöhungen als auch die künftig erwarteten Anhebungen – ebenso wie die stark gestiegenen Eigenanteile, die viele Menschen nicht im Blick haben – ein deutliches Warnsignal.
Pflege nicht zukunftsfest aufgestellt
Das aktuelle Konstrukt der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung ist den hohen Kosten im Pflegesektor in Verbindung mit der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft nicht gewachsen. Denn mit mehr älteren Menschen steigt die Zahl der Pflegebedürftigen, während zugleich die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Konkret heißt das, dass immer weniger Erwerbstätige die steigenden Pflegekosten der Pflegebedürftigen mittragen müssen.
Was ist jetzt dringend nötig?
So wie derzeit kann es in der Pflege nicht weitergehen. Noch in dieser Legislaturperiode ist eine Schubumkehr notwendig – wohlwissend, dass dieser Sozialversicherungszweig nicht der einzige mit Finanzierungsproblemen ist. Positiv ist jedoch, dass es Mittel und Wege gibt, zumindest mittel- und langfristig für eine Besserung zu sorgen.
Zum einen gilt es, die Kosten im Rahmen zu halten. Es darf in der aktuellen Situation keine weiteren, die gesetzliche Pflegeversicherung überlastenden Leistungsausweitungen geben. Nicht alle vorgesehenen Leistungen haben die gleiche Relevanz in der Pflegeversorgung, wie es die Ausdehnung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vor acht Jahren nahelegte.
Zum anderen: Eigenverantwortung und Eigenvorsorge müssen gestärkt werden. Dafür sind politische Rahmenbedingungen nötig, die private Pflegevorsorge erleichtern und fördern. Erforderlich sind Anreize, damit ein Großteil der Bevölkerung kapitalgedeckte Zusatzprodukte nutzt. Das ist schon aus sozialen Gesichtspunkten unerlässlich und fair – denn sonst droht, dass sich immer mehr Menschen im Pflegefall die Eigenanteile nicht leisten können.
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Und auch, wenn es mitunter so kolportiert wird, ist das kein Vertriebsprogramm für die Versicherungsindustrie, sondern die bewährte Methode, in einer Versichertengemeinschaft das eigene – man muss sagen: sehr hohe – finanzielle Risiko bei Pflegebedürftigkeit auf gutem Niveau bedarfsgerecht abzusichern. Ich bin überzeugt, dass Kostenbegrenzung und kapitalgedeckte Zusatzabsicherung wesentlich sein werden, das System der sozialen Pflegeversicherung in die nächste Generation zu überführen.
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Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2025. Das Magazin kann auf der Webseite des Versicherungsbote bestellt werden.
