Ich erinnere mich noch gut daran, es war im Herbst 2017. Ich hatte am Vormittag meine IHK-Prüfung zum Versicherungsfachmann bestanden und die Nacht mit Freunden ausgiebig in einem Kreuzberger Club gefeiert. Was macht man, wenn man nicht mehr laufen kann? Richtig, man nimmt sich ein Taxi. Auf der Fahrt nach Hause habe ich dann versucht, dem Taxifahrer zu erklären, warum ich heute gefeiert hatte.

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Als er Versicherung hörte, schrillten sofort die Alarmglocken und er wollte die Kontaktdaten austauschen. Es hat circa eine Woche gedauert, bis ich alle Unterlagen zusammenhatte: Ich dachte mir, das wird auf jeden Fall etwas, da mein Vater bereits etliche regionale Taxiunternehmen versichert hatte. Jedenfalls rief ich die Kfz-Abteilung an. Ich erklärte hoch motiviert, dass ich ein Berliner Taxiunternehmen mit 20 Fahrzeugen – gute Schadenquote und keine gewachsene Struktur – im Angebot hätte. Nach einer Minute war die Sache erledigt. O-Ton: „Taxi, auf keinen Fall und schon gar nicht in Berlin.“


Nach einigen Gesprächen mit dem Underwriter und dem Produktmanager konnte ich dann aber doch davon überzeugen, dass ich dieses „unerwünschte Risiko“ in den Griff bekommen werde.
Und… Gott sei Dank! Ich sollte recht behalten!



Ich arbeite nun seit Jahren genau mit dem „unerwünschten Risiko“ jeden Tag zusammen. Nicht, weil es besonders einfach ist. Sondern weil es mich reizt. Weil es gebraucht wird. Und weil ich nicht möchte, dass ganze Marktsegmente pauschal aussortiert werden – von einer Branche, die sich eigentlich Risikomanagement auf die Fahne schreibt.

Unsere Branche liebt Risiko – solange es berechenbar ist



Wir sprechen viel über Gewinne, Digitalisierung und neue Lösungen. Aber unterm Strich läuft es oft auf etwas anderes hinaus: Komplexität vermeiden. Risiken glätten. Standardlösungen statt Sonderfall. Und das ist aus meiner Sicht nachvollziehbar – aber auch gefährlich.

Die Kfz-Taxiversicherung ist eine Nische. Es ist ein eigener Markt, mit eigenen Regeln, eigenen Herausforderungen – und mit realem Beratungsbedarf. Wer sich hier beweisen möchte, braucht Branchenwissen, Ausdauer, Fingerspitzengefühl – und muss sich auf Multikulti mit Sprachbarrieren einlassen können. Kein Vergleich zum klassischen Privatversicherungskunden mit Haus und Hof.

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Und ja, es gibt Risiken. Die Taxi-GmbH-Neugründungen mit 30 Fahrzeugen, 60 Mitarbeitern und schlecht gepflegten Fahrzeugen sind keine Wunschkunden. Aber schlechte Kunden, die gibt es überall – auch unter Handwerkern, Gastronomen oder Influencern mit AMGs. Das Problem ist nicht das Gewerbe, sondern unsere Branche: Sie differenziert zu wenig.

Was fehlt, ist nicht Risikobewusstsein – sondern Risikoverständnis

Ich habe viele Kunden übernommen, nachdem sie vorher bei anderen Gesellschaften mit „Ausgleichsgeschäft“ eingedeckt waren. Zum Beispiel hatte ich rund 50 Taxiunternehmen von einer anderen Gesellschaft übernommen. Da war das Geschäftsmodell: „Okay, du kannst dein Taxi bei uns versichern, dafür musst du aber noch eine Lebensversicherung, eine private Krankenversicherung und einen Bausparvertrag abschließen.“ Ich dachte mir später: Die Kollegin muss in einem Schloss wohnen. 



Das Grundproblem hierbei ist jedoch: Oft genügt bei der Angebotsberechnung schon das Stichwort „Taxi“ oder „Mietwagen“. Sofort wirft der Beitragsrechner eine Fehlermeldung aus: „Nur mit Zustimmung“, „Vollmacht fehlt“ oder „nicht versicherbar“.

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Noch absurder wird es, wenn man nach dem Ablehnungsgrund fragt. Da wird pauschal ein „zu hohes Risiko“ in der Großstadt vermutet, obwohl der Betrieb im ländlichen Raum fährt. Oder es heißt, man lehne generell alle gewerblichen Mietwagen im Krankentransport ab – obwohl der Kunde eine spitzen Schadenrenta vorweisen kann. Stichwort: Annahmerichtlinien.

Was fehlt, ist nicht Risikobewusstsein – sondern Risikoverständnis. Das Taxigewerbe läuft nicht gerade, es schwankt, es fährt nachts, es ist abhängig von Politik, Wetter und Kunden. Aber es ist auch systemrelevant, hochreguliert und in vielen Städten unverzichtbar für Menschen, die sonst gar nicht mobil wären.

Vertrieb durch und durch

Ich arbeite im Vertrieb. Mein Alltag ist geprägt von Anrufen wie: „Ich brauche dringend eine Versicherung – ich habe mir ein neues Taxi gekauft, aber meine alte Gesellschaft macht keine Taxis mehr.“ Oder: „Hallo Herr Kapsch, ich habe hier gerade einen Kunden, den ich schon seit Jahren betreue. Aber ich finde niemanden, der mir sein Taxi abnimmt. Können Sie was machen?“

Ja, ich kann! Aber es ist oft ein Kampf gegen Standardprozesse, gegen Unverständnis und gegen die stille Ablehnung – oder ganz neu: ein Kampf gegen „die Abwehrprämie“.

Im Flottenbereich gibt es kaum fertige Lösungen

Im Flottenbereich gibt es kaum fertige Lösungen. Vieles läuft über manuelle Kalkulation. Und trotzdem lohnt es sich. Denn wer sich einmal mit dieser Zielgruppe beschäftigt, merkt schnell: Das sind nicht „Problemkunden“. Das sind Unternehmer, die sich durchbeißen müssen – oft ohne großen Rückhalt, oft mit viel Improvisation, aber mit Verantwortung für ihre Familien, ihre Mitarbeiter und am Ende des Tages auch für uns, wenn wir mal wieder irgendwohin möchten und nicht mehr selbst fahren können.

Wer nur einfache Risiken will, braucht irgendwann keine Vermittler mehr

Ich sehe mit Sorge, dass viele Versicherer versuchen, nur noch die sauberen Risiken zu zeichnen. Keine Gewerberisiken mit Handwerk, keine Berufe mit Entscheidungen, keine Kunden mit Ecken und Kanten.

Doch gerade diese Kunden brauchen uns als Vermittler – nicht die Online-Vergleichsrechner-Kunden mit Haus, Kind und Hund, sondern jene, bei denen man erst einmal zuhören muss, wo kein Tarifrechner weiterhilft und wo Erfahrung zählt, nicht Automation und Annahmerichtlinien.

Wenn wir als Branche weiter nur die einfachen Risiken wollen, brauchen wir bald keine Makler, Agenturen oder Spezialisten mehr. Dann reicht der Kollege Chatbot. Dann ist alles nur noch Prozess.

Wer hinsieht, kann helfen

Ich habe mich bewusst auf Taxi- und Mietwagenversicherungen spezialisiert, weil es mir Spaß macht, täglich mit verschiedenen Menschen in Kontakt zu stehen. Weil ich helfen kann. Weil dort draußen Unternehmer sitzen, die aufgeben müssen, wenn niemand ihre Taxis versichert. Wir versichern die, die andere nicht möchten.

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Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2025. Das Magazin kann auf der Webseite beim Versicherungsbote bestellt werden.

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