Risikolebensversicherung: Verbraucherschützer raten zum Blick in elektronischen Patientenakte
Wer eine Risikolebensversicherung abschließen will, sollte seine Gesundheitsdaten genau prüfen. Denn fehlerhafte oder gar erfundene Diagnosen in der Krankenakte können fatale Folgen haben. Verbraucherschützer raten deshalb, die eigene Patientenakte sorgfältig zu kontrollieren, bevor man Gesundheitsfragen beantwortet.

Wenn ein Mensch stirbt, ist das für Angehörige nicht nur emotional eine enorme Belastung, sondern häufig auch eine finanzielle. Kredite, laufende Kosten oder Ausbildungsausgaben müssen weiterbezahlt werden – oft ohne das bisherige Einkommen. Eine Risikolebensversicherung kann in solchen Fällen helfen, die wirtschaftlichen Folgen des Todesfalls abzufedern „Mit einer Risikolebensversicherung können Verbraucherinnen und Verbraucher sicherstellen, dass ihre Hinterbliebenen im Ernstfall finanziell abgesichert sind“, erklärt Bianca Boss, Vorständin beim Bund der Versicherten e. V. (BdV).
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Doch beim Abschluss dieser Absicherung lauert eine oft unterschätzte Gefahr. Fehlerhafte Arzt-Diagnosen in der Krankenakte können gravierende Folgen für den Versicherungsschutz haben und das selbst dann, wenn der Antragsteller alles korrekt angegeben hat.
Gesundheitsfragen: Genauigkeit entscheidet über Leistung
Beim Antrag auf eine Risikolebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung gilt, dass alle Gesundheitsfragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen. Falsche oder unvollständige Angaben können im Leistungsfall dazu führen, dass der Versicherer die Zahlung kürzt, verweigert oder vom Vertrag zurücktritt.
„Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen Unterstützung durch ihre Ärztinnen und Ärzte holen“, rät Boss. „Hilfreich ist es auch, die eigene Krankenakte oder eine Patientenquittung bei der Krankenkasse anzufordern. So können alle Angaben korrekt und vollständig gemacht werden“. Der Blick in die elektronische Patientenakte ermöglicht es Versicherten, ihre Gesundheitsdaten digital einzusehen und gegebenenfalls Fehler oder unberechtigte Diagnosen zu erkennen, bevor sie den Versicherungsantrag ausfüllen.
Erfundene Diagnosen: ein altes, aber gefährliches Problem
Das Thema ist nicht neu. Bereits 2016 hatte TK-Chef Jens Baas öffentlich erklärt, dass gesetzliche Krankenkassen Ärzte indirekt für Falschdiagnosen belohnten, um mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich zu erhalten. „Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen“, sagte Baas damals der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Das bringe je Fall bis zu 1.000 Euro mehr im Jahr. Zuletzt hatte es vermehrt Medienberichte zu dem Thema gegeben. So hatte unter anderem die "Neue Westfälische" sowie der "WDR" über mehrer Fälle von falschen oder übertriebenen Diagnosen berichtet.
Die Folgen dieser Praxis reichen weit über das Kassensystem hinaus. Falsch dokumentierte Krankheiten erschweren es Verbrauchern, Versicherungsschutz zu bezahlbaren Konditionen zu erhalten oder überhaupt einen Vertrag zu bekommen. Und: Falsche Einträge in der Krankenakte können gleich mehrfach schaden. Zum einen stufen Versicherer Antragsteller mit angeblichen Vorerkrankungen als höheres Risiko ein. Das führt zu höheren Beiträgen oder Ablehnung des Antrags.
Zum anderen kann eine fehlerhafte Diagnose den Versicherten sogar den Versicherungsschutz nachträglich kosten. Denn die Versicherer prüfen die Gesundheitsangaben in der Regel erst im Leistungsfall und somit erst dann, wenn ein Schaden eingetreten ist. Wird bei dieser Prüfung eine falsche, aber dokumentierte Diagnose entdeckt, kann das den Verdacht auf falsche Angaben wecken – selbst wenn der Kunde die Wahrheit gesagt hat. bIm schlimmsten Fall steht der Versicherte dann ohne Schutz und ohne Leistung da.
BU-Experte: Jeder fünfte Kunde mit „manipulierter“ Krankenakte
Wie häufig das Problem ist, zeigt die Erfahrung aus der Praxis. Der auf Berufsunfähigkeit spezialisierte Versicherungsmakler Matthias Helberg berichtete bereits 2016, dass etwa jeder fünfte Kunde, der seine Arztakte überprüft, über „manipulierte“ Diagnosen klagt. So würde beispielsweise aus einer „depressiven Verstimmung“ in der Arztakte eine „echte Depression“.
Für viele Versicherer ist das ein erheblicher Risikofaktor und ein Grund, eine Berufsunfähigkeitsversicherung gar nicht erst anzubieten.
Auch für Vermittler ist das Thema heikel. Wenn ein Kunde später mit einer falschen Diagnose in der Akte konfrontiert wird und die Versicherung deshalb nicht leistet, kann der Vorwurf lauten, der Makler habe beim Antrag falsch beraten oder unvollständig aufgeklärt. Das kann Haftungsrisiken und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Deshalb sollten Vermittler ihre Kunden aktiv auf die Möglichkeit der Aktenprüfung hinweisen, bevor Gesundheitsfragen beantwortet werden.
