Haftpflicht: Dankbare Sparte – aber mit Wachstumssorgen
Die Haftpflichtversicherung blieb auch 2024 ein verlässlicher Ergebnisträger der Kompositversicherung. Versicherungsbote stellt ausgewählte Kennzahlen vor.

- Haftpflicht: Dankbare Sparte – aber mit Wachstumssorgen
- Nur wenige CR-Quoten über 100 Prozent
Die Haftpflichtversicherung bleibt 2024 eine der verlässlichsten Ertragssäulen im deutschen Kompositgeschäft – stabil, solide und für viele Versicherer ein dankbarer Ergebnisträger. Mit branchenweit gebuchten Bruttoprämien von insgesamt 8,93 Milliarden Euro steht sie für knapp zehn Prozent des gesamten Kompositmarktes, der im Jahr 2024 ein Volumen von 92,52 Milliarden Euro erreichte. Trotz dieser starken Position zeigen sich bei der Nachfrage erste Ermüdungserscheinungen: Wachstum erfolgt zunehmend über Beitragseffekte, nicht mehr über Vertragszuwächse.
Anzeige
m Durchschnitt über alle fünfzig im Branchenmonitor Haftpflichtversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH untersuchten Anbieter stiegen die gebuchten Bruttoprämien um 2,2 Prozent – von 170,50 Millionen Euro im Jahr 2023 auf 174,22 Millionen Euro. Der Zuwachs resultiert vor allem aus höheren Durchschnittsprämien je Vertrag, die sich um 2,0 Prozent auf 169,35 Euro erhöhten. Beim Vertragsbestand hingegen blieb das Niveau nahezu unverändert: Mit durchschnittlich 887.568 Policen stagnierte der Bestand, nachdem er in den Vorjahren stetig gewachsen war. Gegenüber 2023 entspricht das einer minimalen Abnahme um vier Verträge je Anbieter.
Seit 2019 ergibt sich dennoch ein Bestandszuwachs von rund sechs Prozent – ein Hinweis auf langfristige Stabilität, aber kein Zeichen für neue Marktdynamik. Obgleich die private Haftpflichtversicherung zu den wichtigsten und zugleich meistverbreiteten Produkten der Schaden-Unfall-Versicherung zählt, fällt es vielen Anbietern zunehmend schwer, zusätzliche Kunden zu gewinnen. Der Markt gilt als weitgehend gesättigt, das Neugeschäft stagniert, und neue Verträge entstehen häufig nur durch Anbieterwechsel oder Bündelprodukte im Verbundgeschäft.
Von den fünfzig größten Versicherern konnten 2024 lediglich 24 ihre Bestände ausbauen, während 26 Unternehmen Rückgänge meldeten. Das verdeutlicht eine wachsende Spreizung zwischen wachstumsstarken Gesellschaften, die von digitaler Vertriebskraft und günstigen Kostenstrukturen profitieren, und Anbietern mit stagnierenden oder schrumpfenden Portfolios. Im Mittel bleibt die Haftpflichtversicherung damit eine verlässliche, aber kaum wachsende Sparte – wirtschaftlich solide, jedoch ohne größere Expansionsimpulse.
Deutlicher Anstieg bei den Schadenaufwendungen je Vertrag
Deutlich stärker als die Beitragseinnahmen legten 2024 die Schadenaufwendungen zu. Im Durchschnitt stiegen die Aufwendungen für abgewickelte Versicherungsfälle um rund 17 Prozent auf 95,68 Millionen Euro – den höchsten Wert seit Beginn der Beobachtung. Besonders auffällig ist die Entwicklung auf Vertragsebene: Die durchschnittlichen Schadenaufwendungen je Vertrag erhöhten sich von 71,34 Euro auf 87,88 Euro und damit um mehr als 23 Prozent.
Nach mehreren Jahren rückläufiger Belastung stieg 2024 auch die durchschnittliche Schadenquote wieder an. Sie erhöhte sich von 43,19 Prozent im Jahr 2023 auf 49,44 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand der vergangenen sechs Jahre. Der bisherige Höchstwert von 48,62 Prozent datiert aus dem Jahr 2020 – bemerkenswerterweise einer Phase, in der viele Alltagsrisiken infolge der Corona-Pandemie eigentlich rückläufig waren. Trotz des deutlichen Anstiegs bleibt die Haftpflichtversicherung damit jedoch deutlich stabiler als problembehaftete Sparten wie die Wohngebäudeversicherung (68,89 Prozent) oder die Kfz-Versicherung (88,70 Prozent).
Schlagzeilen
Haftpflicht: Dankbare Sparte – aber mit Wachstumssorgen
Versicherungsdichte: Deutsche haben viele Versicherungen, aber wenig Überblick
Lebensversicherung: Diese Vertriebswege dominieren das Neugeschäft
Bundessozialgericht: Was der „Wetten, dass..?“-Fall über den Unfallversicherungsschutz lehrt
Wie Versicherer das volle Potenzial von KI nutzen
Die Betriebsaufwendungen zeigten sich 2024 dagegen weitgehend konstant. Im Durchschnitt beliefen sie sich auf 59,05 Millionen Euro, während die Betriebskostenquote leicht von 37,3 auf 37,1 Prozent sank. Damit bestätigt die Haftpflichtversicherung ihre traditionell effizienten Kostenstrukturen – ein Faktor, der hilft, die gestiegene Schadenlast zumindest teilweise abzufedern.
Anzeige
Combined Ratio über 85 Prozent – aber weiterhin ertragsstark
Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio, CR) stieg im Gesamtmarkt von 80,5 auf 86,5 Prozent und überschritt damit erstmals seit mehreren Jahren wieder die Marke von 85 Prozent. Trotz dieser Eintrübung bleibt die Sparte wirtschaftlich stabil – mit komfortablem Abstand zu kritischen Werten oberhalb von 100 Prozent. Im Durchschnitt erzielten die untersuchten Unternehmen ein versicherungstechnisches Ergebnis von 16,6 Millionen Euro (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung). Die daraus resultierende Ergebnisquote von 13,4 Prozent zeigt: Die Haftpflichtversicherung bleibt – trotz steigender Schadenaufwendungen und stagnierender Bestände – eine der verlässlichsten Ertragssäulen im Kompositgeschäft.
Nur wenige CR-Quoten über 100 Prozent
Dass die Haftpflichtversicherung ein dankbares Geschäft ist, zeigt sich auch mit Blick auf die einzelnen Unternehmenswerte: Fast alle Anbieter weisen eine Schaden-Kosten-Quote unter 100 Prozent auf und können ihr Geschäft damit versicherungstechnisch profitabel führen. Lediglich fünf Versicherer überschreiten 2024 die kritische Marke – und selbst von diesen fünf erreicht einer, die Arag Allgemeine, trotz der hohen Quote ein positives versicherungstechnisches Ergebnis.
Die Arag Allgemeine meldet eine Schaden-Kosten-Quote von 102,02 Prozent, erzielt aber dennoch ein versicherungstechnisches Ergebnis von 4,94 Millionen Euro (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung). Anders die übrigen Gesellschaften mit Quoten über 100 Prozent: Die DEVK Allgemeine (105,74 Prozent) verzeichnet ein Minus von 7,43 Millionen Euro, die Inter Allgemeine (110,73 Prozent) liegt mit –0,84 Millionen Euro ebenfalls im negativen Bereich. Janitos (119,21 Prozent) schließt das Jahr mit –0,52 Millionen Euro ab, während die Nürnberger Allgemeine mit 161,57 Prozent und einem Verlust von 36,37 Millionen Euro den schwächsten Wert der gesamten Sparte aufweist.
Anzeige
Folgende Unternehmen stehen demnach am Ende der CR-Tabelle (in Klammern das versicherungstechnische Ergebnis vor Veränderung der Schwankungsrückstellung):
- Arag Allgemeine: 102,02 % (+4,94 Mio. €)
- DEVK Allgemeine: 105,74 % (–7,43 Mio. €)
- Inter Allgemeine: 110,73 % (–0,84 Mio. €)
- Janitos: 119,21 % (–0,52 Mio. €)
- Nürnberger Allgemeine: 161,57 % (–36,37 Mio. €)
Die besten Schaden-Kosten-Quoten 2024
Am anderen Ende des Spektrums zeigen sich mehrere Versicherer mit außergewöhnlich niedrigen Schaden-Kosten-Quoten – teils mit deutlichen Verbesserungen zum Vorjahr. An der Spitze steht 2024 die Baloise Sachversicherung, deren Combined Ratio von 60,15 auf 55,84 Prozent sank. Auch die Feuersozietät Berlin Brandenburg bleibt auf hohem Niveau effizient und erreicht 60,97 Prozent (nach 14,50 Prozent im Vorjahr, was allerdings auf eine bilanzielle Sondereffekt zurückzuführen sein dürfte).
Deutliche Verbesserungen zeigen außerdem die SV Sachsen (64,01 Prozent nach 73,20 Prozent) und die Helvetia Direktion für Deutschland, die sich nach einem Ausreißerjahr 2023 (103,96 Prozent) auf 67,63 Prozent stabilisiert. Ebenfalls stark präsentieren sich die Württembergische mit 67,27 Prozent (Vorjahr: 63,63), die SV Gebäudeversicherung mit 70,23 Prozent (Vorjahr: 75,99), die Mannheimer mit 70,64 Prozent (Vorjahr: 83,35) sowie die Itzehoer Brandgilde mit 71,39 Prozent (Vorjahr: 69,60).
Die Tabellenspitze sieht folglich so aus (in Klammern der CR- Vorjahreswert):
- Baloise Sachversicherung: 55,84 % (2023: 60,15)
- Feuersozietät Berlin Brandenburg: 60,97 % (2023: 14,50)
- SV Sachsen: 64,01 % (2023: 73,20)
- Württembergische: 67,27 % (2023: 63,63)
- Helvetia Direktion für Deutschland: 67,63 % (2023: 103,96)
- SV Gebäudeversicherung: 70,23 % (2023: 75,99)
- Mannheimer: 70,64 % (2023: 83,35)
- Itzehoer Brandgilde: 71,39 % (2023: 69,60)
Hintergrund
Die hier präsentierten Daten stammen aus dem Branchenmonitor Haftpflichtversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Die Studie vergleicht die 50 größten Anbieter am deutschen Markt und deckt damit rund 98 Prozent des gesamten Prämienvolumens in der Haftpflichtversicherung ab. Untersucht werden zentrale Kennzahlen der Geschäftsjahre 2019 bis 2024 – darunter Prämien- und Vertragsentwicklung, Schaden-Kosten-Quoten, Betriebsaufwendungen sowie versicherungstechnische Ergebnisse.
Anzeige
Der Branchenmonitor Haftpflichtversicherung 2025 ist Teil einer fortlaufenden Studienreihe zu den großen Kompositsparten. Dieser und weitere aktuelle Branchenmonitore der V.E.R.S. Leipzig GmbH stehen kostenpflichtig auf der Webseite der Leipziger Analysten zum Download bereit.
- Haftpflicht: Dankbare Sparte – aber mit Wachstumssorgen
- Nur wenige CR-Quoten über 100 Prozent
