Was 2023 in den Bilanzen der Kfz-Versicherer zu sehen war, glich einem Scherbenhaufen. Erstmals in der jüngeren Geschichte schrieb die gesamte Branche rote Zahlen – kein einziges Unternehmen konnte kostendeckend arbeiten. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote, also das Verhältnis von Aufwendungen zu Beitragseinnahmen, schnellte auf 112,2 Prozent in die Höhe – ein Wert, der in dieser Form beispiellos war. Besonders deutlich wurde die Schieflage bei den großen Anbietern: Selbst Marktführer Allianz und die HUK-Coburg rutschten ins Minus (Versicherungsbote berichtete).

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Die Ursachen waren vielfältig, aber sie griffen ineinander: steigende Ersatzteilpreise, teure Werkstattstunden, ein über Jahre ruinöser Preiswettbewerb über Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox – und eine Prämienpolitik, die mit den tatsächlichen Schadenentwicklungen lange nicht Schritt hielt. Zwar zogen die Beitragseinnahmen 2023 erstmals wieder merklich an, nachdem die Durchschnittsprämie je Vertrag über Jahre stagniert hatte. Doch die Korrektur kam zu spät und fiel zu gering aus, um den sprunghaft gestiegenen Schadenaufwendungen zu begegnen. Diese legten im Branchendurchschnitt um 16,9 Prozent zu – während die Prämien, trotz erster Anpassungen, noch immer weit hinter der Kostenentwicklung zurückblieben.

Nach dem historischen Einbruch 2023 stand die Branche damit vor einer entscheidenden Frage: Reichen drastischere Preisanpassungen und strengere Kostendisziplin aus, um das Kfz-Geschäft wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen – oder bleibt die Sparte ein Verlustbringer? Der neue Branchenmonitor Kfz-Versicherung 2025 zeigt: Die Trendwende hat begonnen, doch von Entwarnung kann keine Rede sein.

Die Korrektur greift – doch die Wende bleibt aus

Nach Jahren der Unterdeckung haben die Kfz-Versicherer 2024 deutlich nachgesteuert – und erstmals zeigen die Maßnahmen Wirkung. Die gebuchten Bruttoprämien der fünfzig größten Anbieter stiegen im Geschäftsjahr um 11,8 Prozent auf durchschnittlich 609,73 Millionen Euro. Damit fiel der Zuwachs so kräftig aus wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Er resultiert sowohl aus einem leicht gestiegenen Vertragsbestand – im Schnitt 2,30 Millionen Verträge, plus 1,7 Prozent – als auch aus höheren Durchschnittsprämien. Diese erhöhten sich 2024 von 253,76 Euro auf 275,49 Euro je Vertrag – nochmals eine spürbare Verteuerung, die sich in vielen Haushalten bemerkbar machte, zugleich aber die Basis für die Stabilisierung der Sparte bildete.

Parallel dazu flachte der Kostenanstieg spürbar ab. Die durchschnittlichen Schadenaufwendungen je Versicherer erreichten mit 518,56 Millionen Euro zwar ein neues Rekordniveau, legten aber nur noch um 2,6 Prozent zu – nach einem Anstieg von 16,9 Prozent im Vorjahr. Erstmals seit 2020 sank damit die durchschnittliche Schadenquote wieder, von 93,85 auf 88,7 Prozent. Auch die Betriebskostenquote konnte leicht reduziert werden: von 18,4 auf 17,9 Prozent.

Combined Ratio sinkt – doch die Defizite bleiben

Diese Entwicklung zeigt, dass die Branche begonnen hat, die jahrelange Unterbewertung der Risiken zu korrigieren. Der kräftige Prämienanstieg, kombiniert mit einer langsameren Kostensteigerung, brachte erstmals seit Jahren eine messbare Entlastung. Im Ergebnis verbesserte sich die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio von 112,2 auf 106,6 Prozent – ein Fortschritt, aber noch kein Befreiungsschlag. Denn eine Quote über 100 Prozent bedeutet weiterhin, dass die Versicherer im Branchenschnitt mehr für Schäden und Verwaltung ausgeben, als sie an Prämien einnehmen.

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Immerhin: Elf Versicherer konnten 2024 ihre Combined Ratio unter die kritische Marke von 100 Prozent senken und damit wieder ein auskömmliches Geschäft vorweisen. Im Vorjahr war dies keinem einzigen Anbieter gelungen – ein deutliches Signal, dass die eingeleiteten Korrekturen wirken, auch wenn sie das strukturelle Defizit der Sparte noch nicht vollständig ausgleichen.

Versicherungstechnisches Ergebnis: Erste Lichtblicke, aber weiter Verluste

Auch beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) zeigt sich eine spürbare Verbesserung, wenn auch auf niedrigem Niveau. Nachdem die Branche 2023 mit einem Rekorddefizit von durchschnittlich minus 52,55 Millionen Euro abschloss, reduzierte sich der Verlust 2024 deutlich auf minus 21,27 Millionen Euro. Die entsprechende Ergebnisquote verbesserte sich von minus 20,7 auf minus 9,1 Prozent. Von einer Rückkehr in die Gewinnzone kann zwar keine Rede sein, doch die Richtung stimmt.

Neun der fünfzig größten Kfz-Versicherer erzielten 2024 ein positives versicherungstechnisches Ergebnis, hinzu kommt die Axa easy mit einem ausgeglichenen Resultat (plus/minus 0). Damit bleibt der überwiegende Teil der Branche – insgesamt vierzig Unternehmen – beim Ergebnis weiterhin in den roten Zahlen. Im Vorjahr waren es noch siebenundvierzig.

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Die besten und schlechtesten Ergebnisse 2024

Ein Blick auf die Einzelunternehmen zeigt, wie unterschiedlich die Maßnahmen zur Stabilisierung wirkten. Nur wenige Anbieter konnten ihre Bilanzen tatsächlich ins Plus drehen, während die Mehrheit noch immer Verluste schreibt. Dennoch zeigt auch diese Mehrheit spürbare Verbesserungen bei der Kennzahl.

Folgende Unternehmen konnten 2024 die besten versicherungstechnischen Ergebnisse (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) ausweisen:

  1. HUK-Coburg Allgemeine – vom Tabellenende an die Tabellenspitze: Nach dem schlechtesten Ergebnis der Branche im Jahr 2023 (minus 223,46 Millionen Euro) gelingt der spektakuläre Sprung auf Rang eins mit einem Gewinn von 90,93 Millionen Euro. Kaum ein anderes Unternehmen steht so deutlich für die Wirksamkeit massiver Korrekturen.
  2. Allianz – der Vorjahressieger rückt auf Platz zwei, verbessert sich jedoch von 30,67 auf 40,43 Millionen Euro. Damit bleibt der Marktführer operativ stabil, muss den Spitzenplatz aber an eine der Töchter seines größten Konkurrenten abgeben: die HUK-Coburg Allgemeine, die innerhalb der HUK-Gruppe den größten Teil des Kfz-Geschäfts trägt.
  3. LVM – vom tiefroten Minus ins Plus: Nach einem Verlust von 166,43 Millionen Euro im Jahr 2023 erzielt der Münsteraner Versicherer nun 30,64 Millionen Euro Gewinn. Ein klarer Beleg für solide Kalkulation und die erfolgreiche Rückkehr zu kostendeckenden Prämien.
  4. Provinzial Nord Brandkasse – bestätigt ihre Position in der Spitzengruppe und steigert das Ergebnis von 2,18 auf 17,96 Millionen Euro. Sie war bereits 2023 eine von nur drei Gesellschaften mit positivem Ergebnis und unterstreicht nun ihre Kontinuität.

Am anderen Ende der Tabelle zeigt sich, dass die strukturellen Belastungen fortbestehen. Einige große Anbieter konnten ihre Verluste zwar verringern, doch das Kfz-Geschäft bleibt für sie weiterhin ein Zuschussbetrieb.

Die größten Verluste 2024 müssen folgende Versicherer ausweisen:

  • Debeka Allgemeine – der Verlust steigt von 71,89 auf 88,66 Millionen Euro. Eine hohe Schadenquote von 101,85 Prozent belastet das Ergebnis spürbar.
  • R+V Allgemeine – verringert ihr Defizit von 166,61 auf 103,83 Millionen Euro. Trotz der Verbesserung bleibt die Gesellschaft deutlich in der Verlustzone.
  • DEVK Allgemeine – bleibt mit einem Minus von 121,48 Millionen Euro das Schlusslicht der Branche. Zwar fällt das Defizit geringer aus als 2023 (minus 154,81 Millionen Euro), doch hohe Schadenfrequenzen im Massengeschäft halten die Ergebnisse weiter unter Druck.

Schaden-Kosten-Quote: Elf Versicherer schaffen den Sprung unter die 100-Prozent-Marke

Die Kfz-Schaden-Kosten-Quote gehört zu den wichtigsten Kennzahlen der Branche – sie zeigt, ob Prämieneinnahmen ausreichen, um Schäden und Verwaltungskosten zu decken. 2024 gelang dies erstmals seit Jahren wieder einer kleinen Zahl von Anbietern. Während 2023 sämtliche Versicherer mit Verlust arbeiteten, konnten im Geschäftsjahr 2024 immerhin elf Gesellschaften ihre Combined Ratio unter die kritische Marke von 100 Prozent senken – ein klares Zeichen, dass die Tarifanpassungen Wirkung zeigen.

Im Durchschnitt über alle fünfzig größten Kfz-Versicherer sank die Schaden-Kosten-Quote von 112,20 auf 106,56 Prozent. Das ist eine deutliche Verbesserung und zugleich ein Indikator für Stabilisierung, auch wenn die Branche insgesamt weiterhin defizitär bleibt. Denn eine Quote oberhalb der 100-Prozent-Schwelle bedeutet nach wie vor: Im Mittel übersteigen die Ausgaben für Schäden und Betrieb die Beitragseinnahmen.

Die besten Schaden-Kosten-Quoten 2024

  1. Axa easy erreichte 84,61 Prozent (2023: 104,93 Prozent) und stieg damit von Rang 6 auf 1.
  2. Provinzial Nord Brandkasse kam auf 93,39 Prozent (2023: 101,10 Prozent) und fiel von Rang 1 auf 2.
  3. Axa verbesserte sich auf 94,63 Prozent (2023: 108,48 Prozent) und rückte von Rang 20 auf 3 vor.
  4. Helvetia Direktion für Deutschland erzielte 96,09 Prozent (2023: 108,34 Prozent) und verbesserte sich von Rang 18 auf 4.
  5. Dialog Versicherung kam auf 97,30 Prozent (2023: 110,25 Prozent) und stieg von Rang 24 auf 5.
  6. HUK-Coburg Allgemeine erreichte 97,37 Prozent (2023: 112,93 Prozent) und verbesserte sich von Rang 33 auf 6.

Die schlechtesten Schaden-Kosten-Quoten 2024

  • Mannheimer erzielte 115,80 Prozent (2023: 104,68 Prozent) und fiel von Rang 7 auf 45.
  • Lippische Landesbrand kam auf 116,55 Prozent (2023: 127,00 Prozent) und verbesserte sich von Rang 47 auf 46.
  • WGV Versicherung erreichte 117,85 Prozent (2023: 128,34 Prozent) und rückte von Rang 48 auf 47 vor.
  • Debeka Allgemeine kam auf 122,78 Prozent (2023: 123,69 Prozent) und fiel von Rang 45 auf 48.
  • Garanta erzielte 129,00 Prozent (2023: 115,76 Prozent) und fiel von Rang 36 auf 49.
  • Nürnberger Allgemeine kam auf 136,64 Prozent (2023: 129,62 Prozent) und fiel von Rang 49 auf 50.

Fazit: Die Krise der Branche ist noch nicht ausgestanden

Die Kfz-Versicherung hat sich 2024 zwar spürbar stabilisiert, bleibt aber ein Verlustgeschäft. Trotz erster positiver Signale schreiben viele Gesellschaften weiterhin rote Zahlen. Ob sich die Lage dauerhaft bessert, hängt vor allem von der weiteren Kosten- und Schadenentwicklung ab – und davon, ob die Prämienanpassungen auch künftig konsequent fortgeführt werden.

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Hintergrund: Die hier präsentierten Zahlen und Analysen stammen aus dem soeben erschienenen Branchenmonitor Kraftfahrtversicherung 2025 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Die Studie untersucht die 50 größten Kfz-Versicherer Deutschlands und deckt damit rund 90 Prozent des Marktes ab. Erfasst werden Kennzahlen aus den Geschäftsjahren 2019 bis 2024, darunter Prämienentwicklung, Vertragszahlen, Schaden-Kosten-Quoten und versicherungstechnische Ergebnisse. Neben diesem Report stehen weitere aktuelle Branchenmonitore kostenpflichtig auf der Webseite der Leipziger Experten zum Download bereit.

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