Die Managerhaftpflichtversicherung (D&O) steht erneut unter erheblichem Druck. Ein Mix aus steigenden Schadenersatzzahlungen, langwierigen Gerichtsverfahren und zunehmenden Unternehmensinsolvenzen droht, die Branche in eine harte Marktphase zurückzuführen.

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„Der gefährliche Mix aus immensen Schadenersatzzahlungen, explodierenden Anwalts- und Beratungskosten sowie zunehmenden Insolvenzen könnte in ein bis zwei Jahren erneut eine harte Marktphase in der D&O-Versicherung auslösen“, sagt Philipp Rouget, Head of Finex Deutschland und Österreich bei Willis (WTW):

Denn aktuell stehen gleich mehrere Verfahren im Mittelpunkt, die die Finanzstabilität der Versicherer auf die Probe stellen. Besonders die Nachwirkungen des VW-Dieselskandals und der laufenden Telekom-Klage zeigten, wie teuer Managerhaftungsfälle mittlerweile werden können. Jüngst erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) den 270-Millionen-Euro-Vergleich zwischen Volkswagen und mehreren D&O-Versicherern für nichtig. Das Urteil dürfte weitreichende Konsequenzen haben. Sollte kein neuer Vergleich erzielt werden, drohen noch höhere Kosten. Ein finales Scheitern würde alle Beteiligten hart treffen und könnte zu einem Dominoeffekt in der Rückversicherung führen.

Erst wenige Tage zuvor hatten sich Versicherer in einem anderen Großverfahren auf einen Vergleich mit dem Zulieferer Continental geeinigt. Statt der ursprünglich geforderten 300 Millionen Euro flossen am Ende nur einige Dutzend Millionen. Doch der Fall zeigt auch, dass D&O-Schäden sich längst im zweistelligen bis dreistelligen Millionenbereich bewegen. Auch eine Sammelklage in den USA gegen die Deutsche Telekom könnte die Anbieter bis zu 300 Millionen Euro kosten. In Summe zeichnen sich Haftungsrisiken ab, die international verflochten, juristisch komplex und kaum kalkulierbar sind. Schnelle Vergleiche, wie sie in der Vergangenheit üblich waren, werden seltener.

Unternehmensinsolvenzen als stille Belastung

Neben den spektakulären Großverfahren setzen die zunehmenden Unternehmensinsolvenzen die D&O-Versicherer zusätzlich unter Druck. Nach Jahren niedriger Insolvenzzahlen verzeichnen Deutschland und Europa seit 2024 wieder einen deutlichen Anstieg. Gründe sind vor allem steigende Zinsen, hohe Energie- und Lohnkosten sowie geopolitische Unsicherheiten. Zwar sind die Haftungssummen in diesen Fällen meist geringer als in spektakulären Verfahren, doch ihre Häufung summiert sich zu einem beachtlichen Risiko. Viele mittelgroße Schäden können für die Versicherer ähnlich belastend wirken wie wenige Großschäden.

Die Entwicklung könnte Folgen für den gesamten D&O-Markt haben. Wachsende Schadenquoten, steigende Rückstellungen und ein verschärfter Wettbewerb um Rückversicherungskapazitäten könnten zu Prämienerhöhungen und strikteren Annahmerichtlinien führen. WTW-Experte Rouget warnt zudem vor einem wachsenden „Underpricing“ internationaler Risiken. Das gelte insbesondere im US-Markt, wo hohe Schadenersatzforderungen üblich sind. Bereits 2019 hatte eine ähnliche Entwicklung den Markt in eine harte Phase geführt, bevor sich die Prämien wieder stabilisierten. Auch Rückversicherer könnten künftig vorsichtiger werden und deutsche D&O-Portfolios restriktiver bewerten. Für die Versicherer selbst bedeutet das: höhere Eigenbehalte, mehr Kapitalbindung und ein verschärfter Fokus auf Risikoselektion.