Die deutsche Versicherungswirtschaft sieht sich mit steigenden Schadenskosten in der Managerhaftpflicht- bzw. Directors-and-Officers-Versicherung (D&O) konfrontiert. Obwohl die Zahl der gemeldeten Schäden im Jahr 2022 nur um rund 2.000 gestiegen ist, mussten die Versicherer pro gemeldetem Schaden deutlich mehr zahlen. „Die durchschnittliche Schadenhöhe lag 2022 bei knapp 107.000 Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch 81.000 Euro“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Entsprechend sei auch die Schadenssumme für die Branche von 186 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 213 Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen.

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Bei der D&O-Versicherung handelt es sich um eine Haftpflicht-Police, mit der Unternehmen ihre Vorstände, leitenden Angestellten und Organe gegen Vermögensschäden absichern. Denn bei Fehlentscheidungen haften die Führungskräfte mit ihrem Privatvermögen, wenn dadurch dem Konzern oder dessen Geschäftspartnern ein finanzieller Nachteil entsteht.

Steigende Schadenszahlen zu erwarten

Der Dachverband der deutschen Versicherer geht davon aus, dass die Zahl der Schäden in den kommenden Jahren deutlich zunimmt. Ein wichtiger Grund ist die wirtschaftlich schwierige Lage in Deutschland. „Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt. Das zieht in der Regel hohe Schadenersatzforderungen von Insolvenzverwaltern gegen Manager nach sich“, erklärt Asmussen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mussten in den Sommermonaten 2023 fast ein Viertel mehr Unternehmen Regelinsolvenzverfahren anmelden als im Vorjahr.

Auch strengere Compliance-Anforderungen durch den Gesetzgeber könnten zu mehr Schadenfällen führen, berichtet der Verband weiter: etwa durch das Lieferketten- oder das Hinweisgeberschutzgesetz. „Manager haften persönlich für die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems. Gerade bei der Umsetzung neuer Gesetze ist die Gefahr von Managementfehlern groß “, so Asmussen.

GDV

Erfreulich ist hingegen die Schadenquote. Diese lag im Branchenschnitt 2022 bei 42,4 Prozent und hat sich gegenüber dem Vorjahr nur leicht erhöht. Stark vereinfacht bedeutet dies, dass die Versicherer für jeden eingenommenen Euro Beitrag 42 Cent für Schäden und Verwaltung ausgegeben haben. Die Sparte dürfte damit – wie auch im langfristigen Mittel (2016–2022) – versicherungstechnische Gewinne erzielt haben. „Die Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ergebnisse sehr volatil und bei den Anbietern sehr unterschiedlich sind“, betonte Asmussen. So läge in der Langzeitbetrachtung bei rund einem Drittel der Versicherer die Schadenquote nach Abwicklung bei über 70 Prozent.

Dem GDV wurde für das Geschäftsjahr 2022 ein Beitragsvolumen von 498 Millionen Euro für die D&O-Statistik gemeldet. Da jedoch nicht alle in Deutschland tätigen Versicherer an der Statistik teilnehmen, ist der Gesamtmarkt deutlich größer. „Auf Basis einer Branchenschätzung gehen wir für den deutschen Markt von einem Beitragsvolumen von rund 900 Millionen Euro aus“, sagt Asmussen.

Der GDV sorgte 2021 für Aufsehen, weil er für die Jahre 2017 bis 2021 zu hohe Schadenquoten in der D&O-Versicherung ausgewiesen hatte: Ursache hierfür war, dass ein großer Versicherer zu hohe Schadenzahlen gemeldet hatte. Branchenbeobachter fürchteten, dass dies auch Auswirkungen auf die zu zahlenden Prämien gehabt haben könnte. Die Zahlen waren aber umgehend korrigiert worden.

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Auf dem internationalen Markt haben stark steigende Schadenzahlen dazu geführt, dass es für einige Branchen schwierig geworden ist, Versicherungsschutz zu finden: auch, weil Interessengruppen immer häufiger gegen Vorstände klagen, wie die Vorgängergesellschaft der Allianz Commercial, AGCS, in einer Studie herausgefunden hatte. Das betraf vor allem den angelsächsischen Markt, in Deutschland sind Probleme dieser Art noch nicht so weit verbreitet.

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