Kryptowährungen haben sich in den letzten Jahren von einem Nischenphänomen zu einem ernstzunehmenden Bestandteil moderner Portfolios entwickelt. Auch vermögende Privatanleger und Family Offices investieren zunehmend in Bitcoin, Ethereum oder tokenisierte Assets. Die Produktlandschaft ist vielfältig: klassische Coin-Holdings, NFT-Sammlungen, Lending, Staking, dezentrale Finanzplattformen oder Airdrops. All diese Varianten eint eines: Sie unterliegen der Besteuerung – mit weitreichenden Folgen für die Vermögensstrategie. Ein Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom Januar 2025 bringt nun neue Klarheit – und erhöht den Handlungsdruck auf Anleger wie Berater.

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Matthias Gehlen ist Partner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Beratungsgesellschaft WWS-Gruppe.Matthias Gehlen ist Partner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Beratungsgesellschaft WWS-Gruppe.WWS-GruppeIm Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Anleger, der Einkünfte aus Kryptowertverkäufen und einem Airdrop in seiner Steuererklärung nicht angab. Das Finanzamt reagierte mit einem Schätzungsbescheid, der später vom Gericht in vollem Umfang bestätigt wurde. Dabei stellte das FG Nürnberg klar, dass Kryptowährungen als steuerlich relevante Wirtschaftsgüter gelten – selbst dann, wenn sie immateriell, digital und technisch replizierbar sind. Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts ist laut Gericht bewusst weit gefasst. Kryptowährungen fallen in den Anwendungsbereich des § 23 EStG und sind damit als private Veräußerungsgeschäfte zu behandeln, sofern die Spekulationsfrist nicht überschritten wird.

Auch Airdrops, Lending-Zinsen und ähnliche Einkünfte steuerpflichtig

Die Spekulationsfrist ist dabei für viele Anleger ein unterschätzter Risikofaktor. Grundsätzlich gilt bei privaten Veräußerungsgeschäften eine Haltefrist von zwölf Monaten – wer Kryptowährungen nach Ablauf dieses Zeitraums verkauft, muss den Gewinn nicht versteuern. Anders sieht es jedoch aus, wenn die digitalen Assets zwischenzeitlich genutzt wurden – etwa durch Lending, Staking oder eine entgeltliche Einbringung in automatisierte Protokolle. In diesen Fällen verlängert sich die Frist auf zehn Jahre. Vielen Investoren ist nicht bewusst, dass sie durch das Verleihen ihrer Coins oder die Nutzung in DeFi-Projekten genau diese Verlängerung auslösen – und damit über Jahre hinweg steuerlich gebunden bleiben. Diese Verlängerung wirkt im Hintergrund oft unbemerkt – mit der Folge, dass ein vermeintlich steuerfreier Verkauf nach einem Jahr in Wirklichkeit eine Steuerpflicht auslöst.

Besonders bedeutsam ist, dass das Gericht in seiner Begründung auch Airdrops, Lending-Zinsen und ähnliche Einkünfte als steuerpflichtig einstuft – je nach Art der Transaktion entweder als sonstige Einkünfte oder als Teil eines steuerbaren Veräußerungsgeschäfts. Damit schließt sich das FG Nürnberg der Linie des Bundesfinanzministeriums an, das bereits im Mai 2022 in einem umfassenden BMF-Schreiben zu Kryptowährungen die steuerliche Relevanz dieser Erträge unterstrichen hatte. Neu ist jedoch die gerichtliche Bestätigung: Steuerpflicht besteht – auch dann, wenn eine Kontrolle durch die Finanzverwaltung erschwert ist oder die technischen Prozesse komplex erscheinen.

Gericht erkennt ausdrücklich die Anwendung der LiFo-Methode an

Für Finanzberater und Vermögensverwalter hat dieses Urteil unmittelbare Konsequenzen. Es bedeutet, dass steuerliche Grauzonen weitgehend entfallen. Auch vermeintlich randständige Vorgänge wie der Erhalt eines Airdrops oder der Tausch von Token über eine dezentrale Börse können steuerlich bedeutsam sein – selbst wenn kein klassischer Verkauf stattgefunden hat. Ebenso führen Aktivitäten wie Staking oder Lending zu einer Verlängerung der Haltefrist von einem auf zehn Jahre, was viele Investoren nicht wissen oder unterschätzen. Die steuerliche Bewertung hängt damit nicht nur vom Zeitpunkt der Veräußerung, sondern auch von der Art der Nutzung des Coins ab.

Ein weiteres wichtiges Element des Urteils betrifft die Gewinnermittlung. Das Gericht erkennt im Streitfall die Anwendung der LiFo-Methode (Last In/First Out) zur Ermittlung von Veräußerungsgewinnen an – allerdings nur, wenn sie konsistent und nachvollziehbar angewandt wird. Für Anleger mit häufigem Trading kann dies steuerliche Vorteile bieten, insbesondere in einem rückläufigen Markt. Entscheidend ist dabei die Dokumentation: Wer Transaktionen auf mehreren Wallets durchführt, braucht eine saubere und lückenlose Nachvollziehbarkeit, um im Falle einer Prüfung keine Angriffsfläche zu bieten. Die Verwendung spezialisierter Tracking- und Reporting-Tools wird damit zur Grundlage steuerlicher Sicherheit.

Kryptowährungen sind rechtlich und steuerlich voll in das bestehende System eingebettet

Das Urteil zeigt auch, dass die vermeintliche Anonymität von Wallets und Transaktionen ein Mythos ist. Die Finanzverwaltung arbeitet zunehmend mit Blockchain-Analysetools, um Transaktionsverläufe zu identifizieren, Wallet-Inhaber zuzuordnen und internationale Transfers nachzuvollziehen. Kooperationen mit Ermittlungsbehörden anderer Länder und automatisierte Kontrollmitteilungen verschärfen den Druck. Für Berater bedeutet dies: Die Zeiten, in denen man sich auf fehlende Regulierung oder geringe Kontrollwahrscheinlichkeit berufen konnte, sind vorbei. Wer seinen Mandanten weiterhin Krypto-Assets empfiehlt oder verwaltet, muss steuerlich vorausschauend planen.

Im Beratungsgespräch sollte daher nicht nur die Frage nach Performance und Risikoprofil, sondern auch nach der steuerlichen Strategie gestellt werden. Welche Coins werden gehalten? Gibt es Lending-, Staking- oder NFT-Aktivitäten? Wie sind die Wallets dokumentiert? Welche Haltefristen gelten? Welche Gewinnermittlungsmethode wird genutzt? Nur mit einer klaren Struktur und strategischer Abstimmung zwischen steuerlicher Bewertung und Portfolio-Management lässt sich vermeiden, dass attraktive Renditen durch Nachzahlungen, Zinsen oder gar strafrechtliche Verfahren zunichte gemacht werden.

Das Urteil des FG Nürnberg ist letztlich ein Weckruf für die gesamte Finanzbranche. Es bestätigt, dass Kryptowährungen rechtlich und steuerlich voll in das bestehende System eingebettet sind – unabhängig von ihrer technologischen Ausgestaltung. Für Finanzberater und Vermögensverwalter heißt das: Die steuerliche Betreuung von Krypto-Investitionen ist kein Add-on mehr, sondern integraler Bestandteil einer verantwortungsvollen Anlagestrategie. Wer seine Mandanten hier nicht nur rechtzeitig aufklärt, sondern aktiv begleitet, schafft Vertrauen – und schützt das Vermögen langfristig.