PKV-Vollversicherung: Bestände unter Druck – und wo Wachstum noch gelingt
Die private Krankenversicherung driftet auseinander: Während einige Anbieter in der Vollversicherung stark zulegen, verlieren andere in großem Stil Versicherte. Eine Auswertung zeigt, wie weit sich Gewinner und Verlierer inzwischen voneinander entfernen.

- PKV-Vollversicherung: Bestände unter Druck – und wo Wachstum noch gelingt
- Einige Unternehmen mit erheblichen Bestandsverlusten
Die private Krankenversicherung steht unter erheblichem Veränderungsdruck. Zwar stiegen die Beitragseinnahmen der Branche zwischen 2019 und 2023 von 39,7 auf 48,4 Milliarden Euro, doch in der Vollversicherung verlief die Entwicklung deutlich verhaltener. Der Bestand der privat Vollversicherten schrumpfte im selben Zeitraum um 22.587 Personen – von 8.732.440 auf 8.709.853 Versicherte. Noch gravierender: Von 33 Anbietern konnten lediglich 14 ihre Vollversichertenzahl steigern. Der überwiegende Teil der Branche verzeichnete Bestandsverluste – ein Trend, der sich trotz punktueller Lichtblicke 2023 fortsetzte.
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Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zum einen drückt die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit – infolge von Pandemie, Inflation und Konjunktursorgen – vor allem bei Selbstständigen auf die Zahlungsbereitschaft. Diese zentrale Zielgruppe der PKV kehrt vermehrt in die gesetzliche Krankenversicherung zurück. Zum anderen wird der Zugang zur PKV für Angestellte zunehmend erschwert: Die Versicherungspflichtgrenze liegt 2025 bei 73.800 Euro – das sind 7.200 Euro mehr als im Vorjahr. Diese Hürde schränkt den potenziellen Kundenkreis massiv ein.
Hinzu kommt: Wer bereits privat versichert ist und künftig unterhalb dieser Grenze verdient, muss sich aktiv befreien lassen – oder wird automatisch wieder gesetzlich pflichtversichert. Für viele PKV-Unternehmen bedeutet das: Bestandssicherung wird zur zentralen Herausforderung. Gleichzeitig bleibt die Debatte um steigende Beiträge im Alter ein Unsicherheitsfaktor – auch wenn Unternehmen mit Rückstellungen und generationenübergreifenden Ansätzen gegensteuern.
Der Markt strebt auseinander: Einige Anbieter wachsen deutlich gegen den Markttrend
Und doch gibt es Anbieter, denen auch in der Vollversicherung ein Bestandsausbau gelingt – teils gegen den Markttrend. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnete die Debeka, unangefochtener Marktführer mit rund 2,52 Millionen Vollversicherten im Jahr 2023. Sie legte allein zwischen 2019 und 2023 um 80.240 Personen zu – ein Wachstum von 3,3 Prozent. Damit eilt sie der Konkurrenz immer weiter davon: Ihr Marktanteil beträgt inzwischen knapp 29 Prozent.
Auch die Arag überraschte mit einem kräftigen Plus: 87.466 Vollversicherte bedeuten eine Steigerung um fast 88 Prozent binnen fünf Jahren – ein beachtlicher Zuwachs, der vollständig organisch zustande kam. Das heißt: Der Bestandsaufbau erfolgte nicht durch Fusionen, Bestandsübertragungen oder Unternehmenszukäufe, sondern ausschließlich über das Neugeschäft. Besonders wirksam dürfte dabei die Verknüpfung von Zusatz- und Vollversicherung gewesen sein. Die Arag zählt zu den führenden Anbietern im Bereich der Zusatzversicherungen – ein Segment, in dem viele Kundinnen und Kunden erstmals mit privaten Krankentarifen in Kontakt kommen. Wer dort überzeugt, kann diesen Vertrauensvorsprung nutzen, um später auch in der Vollversicherung zu punkten – etwa bei Selbstständigen oder Angestellten mit wachsendem Einkommen.
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Drittgrößter Gewinner ist die HanseMerkur, deren Bestand von 264.827 auf 300.489 Vollversicherte stieg – ein Plus von rund 13,5 Prozent. Sie rangiert damit auf Platz 9 der größten PKV-Anbieter und verfolgt eine langfristige Wachstumsstrategie, die auch den Ausbau digitaler Vertriebswege umfasst.
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Weitere Zugewinne verzeichneten die Axa (plus 9.740, auf 808.678), die R+V (plus 8.847, auf 70.712), die HUK-Coburg (plus 8.414, auf 425.914), die LVM (plus 5.807, auf 81.148) sowie die Alte Oldenburger (plus 3.055, auf 53.467). Während einige dieser Unternehmen wie die Axa auf einen ohnehin starken Ausgangsbestand bauen, konnten kleinere Anbieter wie die R+V oder Alte Oldenburger ihre Marktstellung gezielt ausbauen – teilweise durch neue Tarife oder regionale Vertriebsstärken.
Einige Unternehmen mit erheblichen Bestandsverlusten
Auf der anderen Seite der Skala stehen Unternehmen, die in den vergangenen fünf Jahren (2018 bis 2023) erhebliche Bestandsverluste hinnehmen mussten. Den größten Rückgang verzeichnete die DKV, deren Bestand von 757.692 auf 682.475 sank – ein Minus von über 75.000 Versicherten oder rund 10 Prozent. Auch weitere große Anbieter wie die Allianz (–42.790 auf 558.226), die Continentale (–29.206 auf 375.133) oder die Bayerische Beamtenkrankenkasse (–29.184 auf 292.439) verloren spürbar an Substanz.
Größe schützt nicht vor Verlust
Gerade Gesellschaften mit einem hohen Anteil an lang laufenden Vollversicherungstarifen und konservativer Tarifstruktur geraten zunehmend unter Druck – denn solche Bestände lassen sich nur schwer an veränderte Markterwartungen und die Dynamik im Zusatzgeschäft anpassen. Größe allein schützt nicht vor dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit: Die Vollversicherung der PKV befindet sich in einer Phase der strukturellen Transformation. Während einige Anbieter neue Kundengruppen erschließen, steht bei vielen anderen die Bestandssicherung im Vordergrund.
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Dynamisches Wachstum in der Zusatzversicherung
Die größte Wachstumschance der privaten Krankenversicherung liegt derzeit nicht in der Vollversicherung, sondern in der Zusatzversicherung. 2024 stieg die Zahl der entsprechenden Verträge um 4,0 Prozent auf 31,02 Millionen – das entspricht rund 39 Prozent der gesamten PKV-Verträge. Damit nutzt inzwischen fast jede zweite versicherte Person in Deutschland eine ergänzende private Absicherung, etwa für Zahnersatz, stationäre Wahlleistungen oder alternative Heilmethoden (Versicherungsbote berichtete).
Die Vollversicherung legte im selben Zeitraum nur leicht zu – um 0,3 Prozent auf 8,74 Millionen Personen. Diese Entwicklung unterstreicht: Wer in der Zusatzversicherung flexibel, verständlich und preissensibel auftritt, sichert sich künftige Relevanz – auch wenn das Kerngeschäft mit der Vollversicherung stagniert.
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Hintergrund: Die Zahlen zur Bestandsentwicklung in der privaten Krankenversicherung stammen aus mehreren aktuellen Marktanalysen. Die Angaben zu den Vollversicherten basieren auf dem „MAP-Report Nr. 935“ (Franke und Bornberg), der auf den Geschäftsberichten der Unternehmen für das Jahr 2023 beruht. Ergänzend wurden Aussagen aus dem „Marktausblick Private Krankenversicherung“ von Assekurata sowie aus der GDV-Statistik zur PKV-Vertragsentwicklung herangezogen.
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