Wenn ein Handelsvertretervertrag endet, ist das Konfliktpotenzial nicht automatisch erschöpft. Im Gegenteil: Gerade nach dem Ende der Zusammenarbeit flammt der Streit um Provisionszahlungen häufig erst richtig auf. Dabei geht es oft um zurückgeforderte Vorschüsse, Stornierungen von Verträgen oder um die Frage, wer welchen Kunden noch betreut hat – und auf welcher Basis.

Anzeige

„Viele Vertriebe greifen in ihren Verträgen zu Klauseln, die auf den ersten Blick für Klarheit sorgen sollen, in der Praxis aber unwirksam sind“, erklärt Dr. Tim Banerjee, Rechtsanwalt und Partner der wirtschaftsrechtlich orientierten Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach. Die Rechtsanwälte Dr. Tim Banerjee und Arnold Detlev Schmitz vertreten Mandanten unter anderem im Arbeitsrecht, Vertriebs- und Handelsvertreterrecht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht und Wirtschaftsstrafrecht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Beratung freier Handelsvertreter sowie auf rechtlichen Fragen rund um den Vertrieb.

Eine beliebte Variante laut Dr. Tim Banerjee: „Provisionsabrechnungen sollen nach Vertrag automatisch als akzeptiert gelten, wenn der Handelsvertreter nicht binnen kurzer Frist widerspricht. Doch genau das widerspricht der geltenden Rechtsprechung – und kann für Handelsvertreter gravierende Folgen haben, wenn sie vermeintliche Fehlbeträge oder Storni nicht rechtzeitig prüfen.“

Denn: Der Bundesgerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass ein Schweigen auf Provisionsabrechnungen niemals als Anerkenntnis gelten darf. So etwa im Urteil vom 20. September 2006 (Az. VIII ZR 10/05), in dem der BGH eine solche Vertragsklausel ausdrücklich für unwirksam erklärt hat. Eine automatische Anerkennung widerspricht den Schutzvorschriften in §§ 87a Abs. 5, 87c Abs. 5 HGB. Schon 1995 stellte das Gericht (Urteil vom 29. November 1995, Az. VIII ZR 293/94) fest, dass selbst eine jahrelange widerspruchslose Hinnahme von Abrechnungen kein Schuldanerkenntnis begründet. Vielmehr bleibt der Handelsvertreter berechtigt, Buchauszüge zu verlangen und weitere Ansprüche geltend zu machen – auch nach Jahren.

Ein oft unterschätzter Schlüssel zur Aufklärung solcher Provisionskonflikte ist der gesetzlich verankerte Anspruch des Handelsvertreters auf einen Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB. Damit erhält der Vertreter Einblick in alle relevanten Geschäftsvorgänge, auf denen seine Provisionsansprüche beruhen. „Dieser Anspruch ist nicht vertraglich abdingbar und kann – auch nach Vertragsende – geltend gemacht werden. Er schafft die Grundlage für eine unabhängige Überprüfung der Abrechnungen und ist ein wirksames Mittel gegen unberechtigte Rückforderungen“, betont Dr. Banerjee. Handelsvertreter sollten von diesem Recht Gebrauch machen, bevor sie Provisionskürzungen oder Rückzahlungsforderungen hinnehmen.

Was sollten Handelsvertreter also tun? Zunächst gilt: Provisionsabrechnungen stets genau prüfen und archivieren – auch nach Vertragsende. Dann empfiehlt sich die Prüfung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt, insbesondere wenn Vorschüsse zurückgefordert oder Provisionsansprüche verneint werden. In Vertragsverhandlungen sollte auf Klauseln geachtet werden, die ein Schweigen als Zustimmung interpretieren – solche Regelungen sind nicht nur angreifbar, sondern unter Umständen vollständig unwirksam. „Wer als Handelsvertreter rechtzeitig seine Position kennt und absichert, kann spätere Konflikte vermeiden oder mit starker Rechtsposition führen“, rät Dr. Banerjee.