Wer an Vertriebsmitarbeiter denkt, hat regelmäßig freie Handelsvertreter im Sinne des Handelsgesetzbuches vor Augen, die als Unternehmer für eine oder mehrere Gesellschaften auftreten. Der Vertrieb in Deutschland wird jedoch in weiten Teilen von Arbeitnehmern durchgeführt. Angestellte im Vertrieb sind somit über alle Branchen hinweg tätig, ob in der Finanzdienstleistung, im produzierenden Gewerbe oder der Textilwirtschaft.

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Für diese Vertriebsarbeitnehmer gehören daher Provisionen beziehungsweise Bonizahlungen für vermittelte Geschäfte zur festen Gehaltsstruktur. „Diese können einen spürbaren Anteil an der gesamten Vergütung ausmachen. Grundsätzlich werden diese Ansprüche im Arbeitsvertrag geregelt, die Höhe der Vergütung orientiert sich beim Provisionsvertrag meist an einem bestimmten Prozentsatz. Dieser wiederum ergibt sich in der Regel aus dem für den Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit erwirtschafteten Gewinn oder erbrachten Umsatz“, sagt Tim Banerjee, Rechtsanwalt bei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach und Experte für Vertriebs- und Handelsvertreterrecht an der Schnittstelle zum Arbeitsrecht.

Wichtig dabei ist, dass die Provisionsregelungen arbeits- oder tarifvertraglich genau definiert werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Unzulässig sei laut Tim Banerjee beispielsweise eine vertragliche Grundlage, wenn von vornherein offenkundig sei, dass der Arbeitnehmer allein aus den Provisions-zahlungen keinen angemessenen Verdienst erzielen könne. Ebenfalls betont der Vertriebsrechtsexperte, dass der Verdienst nicht angemessen sei, wenn Arbeitszeit und Provision des Mitarbeiters in einem krassen Missverhältnis stünden. Eine solche Vereinbarung sei sittenwidrig (§ 138 BGB). Der Arbeitnehmer könne in diesem Fall die für seine Tätigkeit übliche Vergütung nach Stunde oder Monat verlangen.

Tim Banerjee weist in dem Zusammenhang auch auf einen weiteren Aspekt hin, der sich wirtschaftlich erheblich auf einen Arbeitnehmer im Vertrieb auswirken kann. „Die Provisionsregelungen dürfen nicht so strukturiert sein, dass sie überdurchschnittlich in das Gehalt des Arbeitnehmers eingreifen, etwa bei Kündigung und Freistellung. Zwar darf der Arbeitgeber Zielvereinbarungen und Zielvorgaben einseitig anpassen, aber dies darf einen Arbeitnehmer nicht finanziell überfordern in der Hinsicht, dass sein Gehalt massiv beschnitten wird, wenn er die Ziele nicht erreicht.“ Bedeutet laut dem Vertriebsrechtsexperten: Auch bei Vertriebsmitarbeitern mit hohen Provisionsregelungen muss ein der Arbeitsleistung entsprechendes Fixgehalt gezahlt werden, damit das Nichterreichen der Ziele nicht die wirtschaftliche Existenz eines Mitarbeiters gefährdet. Diese Ansicht sei von Arbeitsgerichten bereits mehrfach bestätigt worden.

Tim Banerjee sieht in der Praxis regelmäßig Probleme zwischen Unternehmen und ihren Arbeitnehmern, dass das Verständnis hinsichtlich Berechnung und Strukturierung der Provisionsregelungen weit auseinandergeht. „Entscheidend ist, dass die sogenannte Zielerreichungskontrolle transparent und fair ist, und der Arbeitgeber ist für die Richtigkeit der Leistungsbestimmung verantwortlich und muss diese im Zweifel vor Gericht auch beweisen.“ Vor allem gelte auch der Grundsatz, dass Zielvereinbarungen beziehungsweise Zielvorgaben realistisch sein müssten. Das hat Tim Banerjee zufolge das Bundesarbeitsgericht bereits 2010 festgelegt. Der Arbeitgeber müsse im Zweifel nachweisen, dass die Ziele erreichbar gewesen seien. Sei dies nicht der Fall, könne dies Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen begründen, die von den Gerichten auch geschätzt werden könnten.

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Dazu kommt: „Um Streitigkeiten über die Voraussetzungen des Entstehens des Provisionsanspruches und über die Höhe der Provision zu vermeiden, braucht es zum einen individuelle vertragliche Regelungen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Meist ist die Höhe der Vergütung beim Provisionsvertrag als bestimmter Prozentsatz geregelt. Dieser ergibt sich in der Regel aus dem für den Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit erwirtschafteten Gewinn oder erbrachten Umsatz“, betont der Rechtsanwalt. Grundsätzlich sollten Vertriebsmitarbeiter daher schon bei den Arbeitsvertragsverhandlungen und der Festsetzung der Provisionsregelungen und Zielvereinbarungen darauf achten, dass rechtlich tragfähige und konsensuale Regelungen gefunden werden. Das kann später viel Ärger ersparen.

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