Wirtschaftsweiser will Renteneintrittsalter ab 2031 anheben
Der Wirtschaftsweise Martin Werding fordert eine umfassendere Rentenreform und kritisiert im gleichen Atemzug die bisherigen Pläne der Bundesregierung als zu einseitig. Besonders die Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent sieht er skeptisch. Er plädiert für höhere Renteneintrittsalter, mehr Kapitaldeckung und einen erweiterten Auftrag für die geplante Rentenkommission.

Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, fordert mehr Mut in der Rentenpolitik. Der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen schlägt eine grundlegende Neuausrichtung der geplanten Rentenkommission vor. Der im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verankerte Auftrag zur Prüfung einer neuen Kenngröße für das Gesamtversorgungsniveau sei zu eng gefasst und vernachlässige zentrale Herausforderungen der Alterungsgesellschaft.
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„Ein breiterer Auftrag, der sich unmittelbar auf eine angemessene Rentenpolitik zur Bewältigung des Alterungsprozesses bezieht, wäre besser“, betont Werding gegenüber der "Berliner Morgenpost". Die Kommission müsse rasch eingesetzt werden und konkrete Reformvorschläge liefern. Dies müsse noch vor Ende der aktuellen Legislaturperiode 2029 geschehen. Nur so ließe sich ein politisch wirksamer Reformprozess rechtzeitig in Gang setzen.
Denn das Rentensystem steht vor massiven Herausforderungen. Die Zahl der Rentner steigt, während die Anzahl der Einzahler sinkt. Werding sieht hierin ein zentrales Problem für die Tragfähigkeit der gesetzlichen Rente. Als Gegenmaßnahme fordert er eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters ab 2031. Dieses solle mindestens um sechs Monate pro Jahrzehnt angehoben werden. Die aktuelle Grenze von 67 Jahren für die Jahrgänge ab 1964 reiche langfristig nicht aus.
Kapitaldeckung als Zukunftssäule
Neben dem gesetzlichen Umlagesystem müsse die kapitalgedeckte Vorsorge dringend gestärkt werden. „Ein rascher Ausbau ergänzender, kapitalgedeckter Renten würde sogar stärkere Dämpfungen der Rentenanpassungen gegenüber der Lohnentwicklung ermöglichen als nach geltendem Recht – also das Gegenteil einer Haltelinie“, so Werding.
Eine Rückkehr zu bereits angedachten Reformprojekten wie dem Vorsorgedepot und dem Generationenkapital sei dringend geboten. Solche Modelle könnten laut Werding nicht nur finanzielle Entlastung bringen, sondern auch eine bessere Rentenentwicklung gegenüber dem Lohnniveau ermöglichen und sei somit auch eine gezielte Abkehr von der sogenannten Haltelinie. Das Generationenkapital, mit dem der Staat durch Kreditaufnahme langfristig Renditen am Kapitalmarkt erwirtschaften wollte, war ursprünglich ein zentrales Projekt der Ampelkoalition. Doch Uneinigkeit innerhalb der Regierung verhinderte die Umsetzung.
Kritik an Bundesarbeitsministerin Bas
Deutliche Worte findet Werding für die Pläne von Arbeitsministerin Bärbel Bas. Die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und die Ausweitung der Mütterrente seien finanzpolitisch riskant. „Das engt die Spielräume für öffentliche Investitionen ein“, warnt der Ökonom. Statt zusätzliche Milliarden aus dem Bundeshaushalt in Rentenausgaben zu leiten, brauche es eine Dämpfung der Ausgaben angesichts der demografischen Realität.
Deshalb warnt Werding, dass die geplante Rentenkommission sich nicht in akademischen Diskussionen verlieren dürfe. Stattdessen müsse sie konkrete, praktikable Vorschläge zur langfristigen Stabilisierung der Altersvorsorge entwickeln. Die Verzahnung aller drei Säulen – gesetzlich, betrieblich und privat – solle dabei im Mittelpunkt stehen.