Allianz zieht die Branche nach oben: So steht es um die Lebensversicherer
Die Lebensversicherer in Deutschland profitieren von der Zinswende. Allen voran betrifft das die Allianz. Doch der Aufschwung hat Schattenseiten. Der Marktausblick 2025 zeigt, dass sich die Branche neu erfinden muss.

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Die deutschen Lebensversicherer konnten 2024 eine sichtbare Verbesserung ihrer Ertragslage verzeichnen. Denn die Auflösung der Zinszusatzreserve (ZZR) in Verbindung mit gestiegenen Zinsen ermöglicht höhere Rohüberschüsse. Doch der Assekurata-Marktausblick zur Lebensversicherung 2025 zeigt auch, dass der Aufschwung nicht flächendeckend ist und die Branche strukturell weiter unter Druck steht. Besonders die Allianz SE hebt sich deutlich vom Markt ab und trägt das Wachstum fast allein.
Die Zinswende hat seit 2022 für ein stabileres Ertragsumfeld gesorgt. Zwar hat die EZB zuletzt Leitzinsen vorsichtig gesenkt, doch das allgemeine Zinsniveau liegt weiterhin oberhalb von zwei Prozent. Zum Bilanzstichtag 2024 wurde ein ZZR-Bestand von 84 Milliarden Euro ausgewiesen, nach einem Höchststand von 96 Milliarden Euro in 2021. Diese Mittel kommen den Versicherten zugute, etwa durch eine durchschnittlich laufende Verzinsung von 2,52 Prozent bei klassischen Rentenpolicen.
Allerdings wird das Potenzial durch stille Lasten gebremst. „Bei stillen Lasten handelt es sich um verdeckte Buchverluste, die zwar handelsrechtlich nicht realisiert werden müssen, aber die Handlungsfähigkeit in der Kapitalanlage einschränken“, erklärt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. Knapp 80 Prozent des Anlageportfolios der Lebensversicherer besteht laut Assekurata aus festverzinslichen Papieren, viele davon mit langen Laufzeiten. Laut Assekurata belaufen sich die verdeckten Buchverluste auf rund 80 Milliarden Euro. Diese resultieren aus dem Wertverlust langlaufender Zinsanlagen im aktuellen Marktumfeld. Entsprechend lag die Nettoverzinsung 2024 bei lediglich 2,4 Prozent. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (2,2 Prozent), aber deutlich unter dem Marktzins.
Allianz als Wachstumslokomotive
Von dem gesamten Beitragswachstum der Branche in 2024 in Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro beziehungsweise 3,1 Prozent entfallen allein 2,5 Milliarden Euro auf die Allianz. Damit stemmt der Branchenprimus etwa 90 Prozent des Gesamtwachstums. „Ohne die Zahlen des Marktführers sähe das Branchenwachs tum weniger positiv aus“, kommentiert Lars Heermann. Der Markt würde praktisch stagnieren.
Die laufenden Beiträge stiegen insgesamt lediglich um 0,3 Prozent, das Gros der Dynamik ist auf Einmalbeiträge zurückzuführen (+10,6 Prozent). Auch die Vertragsstückzahl schrumpfte weiter: Ende 2024 zählte die Branche 80,3 Millionen Verträge. Das ist ein Rückgang um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Der demografische Wandel könnte mittelfristig neue Chancen bringen. Besonders die geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren sukzessive in Rente gehen, bieten Potenzial für Anschlussprodukte, Wiederanlagen und Ruhestandsmanagement. Allerdings ist das Neugeschäft nicht ausreichend, um die auslaufenden Verträge zu kompensieren. „Das Neugeschäft deckt die Abläufe nicht. Perspektivisch dürfte hier weiterer Handlungsdruck aufkommen, da in naher Zukunft viele Verträge zur Auszahlung kommen“, warnt Heermann. Die Faustregel "jeder Deutsche hat eine Lebensversicherung" gilt statistisch nicht mehr.
Biometrie: BU top, Grundfähigkeit flop?
Im Bereich der Biometrie bleibt die Berufsunfähigkeitsversicherung der wichtigste Wachstumstreiber. Die Grundfähigkeitsversicherung hingegen schwächelt. Uneinheitliche Leistungsauslöser und unklare Abgrenzungen zur BU bremsen Vertrieb und Akzeptanz. Auch in der Risikolebens- und Sterbegeldversicherung gewinnt der Preis zunehmend an Bedeutung, nachdem lange die Produktbedingungen im Fokus standen.
Der regulatorische, gesellschaftliche und technologische Druck auf die Branche steigt. „Die enormen Herausforderungen tragen dazu bei, dass mehrere Versicherer einen Zusammenschluss angekündigt haben oder diesen bereits vollziehen“, sagt Dr. Reiner Will. Der Assekurata-Geschäftsführer geht davon aus, dass sich die Konsolidierung in der Branche fortsetzen wird. Eine plötzliche Fusionswelle erwartet Assekurata nicht – wohl aber eine anhaltende Konsolidierung.
Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt die politische Flankierung der Altersvorsorge. Die geplante Frühstarrente könnte zwar zu vielen neuen Verträgen führen, doch die geringen Volumina mit zehn Euro Zuschuss monatlich werden laut Assekurata kaum einen Wachstumsschub auslösen. Der Appell an die Bundesregierung gelte deshalb: Altersvorsorge darf nicht länger aufgeschoben werden.